Es gibt Redebedarf bei Allianz MTV Stuttgart: Trainer Konstantin Bitter mit seinen beiden Zuspielerinnen Milana Bozic (li.) und Charlotte Krenicky. Foto: Baumann

Bei Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart wird nach dem blamablen Pokal-Aus beim SC Potsdam Klartext gesprochen: Sportdirektorin Kim Renkema und Trainer Konstantin Bitter nehmen die Mannschaft in die Pflicht – und sondieren den Markt.

Nach der Pokal-Pleite beim SC Potsdam war Konstantin Bitter nicht nur bedient. Sondern auch enttäuscht, frustriert und sauer. Trotzdem hat der Trainer des Volleyball-Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart genau überlegt, was er in der Kabine zu seinem Team sagt. „Man darf in einer solchen Situation nicht zu emotional reagieren“, sagte er, „die Lage ist auch so schon nervlich enorm schwierig.“

 

Umso kritischer war Bitter am Tag danach im Gespräch mit unserer Zeitung. Da hatte er die Leistung seiner Mannschaft analysiert – und stimmte Sportdirektorin Kim Renkema zu, die vom „schlechtesten Spiel seit Jahren“ gesprochen hatte. „Die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, war absolut inakzeptabel“, sagte der Coach zu der 1:3-Niederlage (16:25, 25:21, 11:25, 19:25), „wir waren chancenlos, das ist unfassbar bedenklich.“

Zuvorderst, darin sind sich die Verantwortlichen einig, weil es keine einfachen Lösungen gibt. Denn dafür läuft derzeit einfach viel zu viel falsch.

Kim Renkema: „Wir stecken in einer tiefen Krise“

Die Niederlage in Potsdam kam ja nicht völlig überraschend. „Sie war das Ergebnis der negativen Entwicklung in den vergangenen fünf Wochen“, sagte Kim Renkema, „deshalb haben wir auch zuletzt nach dem 3:2-Sieg in Aachen mit dem Team gesprochen, eine bessere Kommunikation, mehr Zusammenhalt und weniger Fehler eingefordert und auf eine Reaktion gehofft. Die blieb aus – dafür haben wir uns blamiert. Wir stecken sportlich in einer tiefen Krise.“

In den 90 Minuten beim SC Potsdam, der einen super Abend erwischt und zwischendurch im vierten Satz 9:0 (!) in Führung gelegen hatte, zeigte sich wie unter einem Brennglas, warum der Triple-Sieger in dieser Saison nicht auf Betriebstemperatur kommt. Die Leistung seiner Zuspielerinnen Milana Bozic und Charlotte Krenicky bezeichnete Bitter als „Katastrophe“, die fehlende Präzision lähmte den Angriff. „Zudem sind wir nicht als Team aufgetreten, jede war nur mit sich selbst beschäftigt. Die Trainingsinhalte, die wir uns erarbeitet haben, wurden zu 0,0 Prozent umgesetzt“, meinte der Coach, der auch „fehlende Mentalität“ kritisierte: „Ich habe Persönlichkeiten vermisst, die das Ding rocken wollen.“ Die Sportchefin verlängerte die Mängelliste dann noch. „Die Fehlerquote, vor allem im Aufschlag, war viel zu hoch“, meinte Kim Renkema, „es war keine Spielintelligenz vorhanden. Es gab keine, die das Spiel gelesen und Lösungen gefunden hat.“

Dabei stellte sich die Frage ja nicht nur während der Partie in Potsdam, sie gilt generell: Wo ist der Ausweg?

Weniger Freizeit für die Spielerinnen

Die Suche nach der Antwort ist auch deshalb alles andere als einfach, weil die Lage im Vergleich zur vergangenen Saison, als die Stuttgarter Volleyballerinnen erst den Supercup, dann den Pokal und die Meisterschaft gewannen, „so unglaublich konträr“ (Bitter) ist. Oder anders gesagt: Anspruch und Wirklichkeit könnten kaum weiter voneinander entfernt sein. „Bei der Suche nach Lösungen“, sagte Kim Renkema, „müssen wir jetzt alle gemeinsam sehr klug agieren.“ Klar ist für Konstantin Bitter, dass die Spielerinnen künftig (noch) weniger Freizeit haben werden. „Ich bin kein Therapeut und kein Zauberer, aber ich kann den Spielerinnen Volleyball beibringen“, sagte der Trainer, „Spielintelligenz zu entwickeln, braucht Zeit, aber die Basics sind schnell zu verbessern. Wir werden ab sofort noch intensiver und noch mehr arbeiten, da müssen die Spielerinnen jetzt durch.“

Ob der Bundesliga-Dritte personell nachlegt, ist offen. Darüber werden die Verantwortlichen in den nächsten Tagen diskutieren. Dabei dürfte es vor allem um das Zuspiel gehen. Auf dieser Position ist der Unterschied zur vergangenen Triple-Saison am deutlichsten zu sehen: Bisher sind Milana Bozic und Charlotte Krenicky nicht in der Lage, den Abgang von Britt Bongaerts – nach der Meisterschaft als wertvollste Spielerin der Bundesliga ausgezeichnet – auch nur ansatzweise zu kompensieren. „Der Markt ist sehr schwierig und sehr teuer“, meinte Kim Renkema, „ob wir nachbessern, werden wir intern überlegen.“ Und Konstantin Bitter meinte: „Wir werden darüber nachdenken, was wir wollen, was wir mit dem aktuellen Kader schaffen können, was der Markt hergibt.“ Wobei eines für Renkema jetzt schon feststeht: „Das Zuspiel ist nur ein Teil der Lösung. Es gibt noch viel mehr Probleme.“

Wer übernimmt Verantwortung?

Weshalb die Verantwortlichen nicht nur die Neuzugänge in die Pflicht nehmen („Sie müssen mehr von der Last tragen“), sondern auch die etablierten Kräfte Krystal Rivers, Maria Segura Palleres, Roosa Koskelo und Jolien Knollema. „Es ist sehr wichtig, dass sie wieder in Topform kommen, derzeit funktionieren die Mechanismen nicht“, erklärte Kim Renkema, „das Niveau, das wir in Potsdam gezeigt haben, war unterirdisch. Mit einer solchen Leistung kann man kein Spiel gewinnen. Doch in diesem Kader steckt so viel mehr.“ Davon ist auch der Trainer überzeugt. „Die Spielerinnen“, sagte Konstantin Bitter, „müssen jetzt allerdings endlich beginnen, Verantwortung zu übernehmen.“