Nachdenklicher Trainer: Konstantin Bitter Foto: Baumann

Vor den richtungsweisenden Auswärtsspielen im Pokal-Viertelfinale in Potsdam und in der Champions League in Voluntari fehlt Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart die Selbstsicherheit der vergangenen Saison. Trainer Konstantin Bitter spricht Klartext.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart haben in dieser Saison weitaus öfter gewonnen als verloren, unter anderem das Duell um den Supercup gegen den SSC Schwerin. Fakt ist aber zugleich, dass der Triple-Sieger bisher spielerisch unter den Erwartungen blieb, auch unter den eigenen. Und: Es finden nun zwei richtungsweisende Auswärtspartien statt. Erst das Pokal-Viertelfinale an diesem Freitag (19 Uhr) beim SC Potsdam, dann am Mittwoch (19 Uhr) die dritte Partie in der Champions League bei CSO Voluntari in Rumänien. Einmal steht das erste Saisonziel auf dem Spiel, einmal das Weiterkommen in der Königsklasse.

 

Konstantin Bitter ist sich sicher, dass sein Team gut genug für zwei Siege ist. Der Coach sagt allerdings auch: „Noch fehlt uns das Selbstverständnis.“ Folglich gibt es reichlich Luft nach oben – vor allem in diesen fünf Bereichen.

Die Konstanz

Bisher hat der Bundesliga-Dritte noch kein komplettes Spiel auf hohem Niveau gezeigt. Aus Sicht von Bitter gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen das neu zusammengestellte Team: „Wir müssen lernen, disziplinierter zu arbeiten, auch im Training“, sagt er, „im Spiel denken wir oft zu viel nach, das führt zu Chaos, und wir vergessen dabei, was uns stark macht.“ Deshalb wird in der Scharrena nun öfter und länger trainiert, trotz der Dreifach-Belastung: „Diese Gruppe braucht mehr Basisarbeit und mehr Wiederholungen – jeden Tag.“ Der andere Grund? Bisher hat Bitter viel rotiert, um alle zu integrieren und jeder Spielerin die Chance zu geben, sich zu zeigen. Das könnte sich nun ändern: „Das ging auf Kosten der Automatismen. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem sich die Spielerinnen ihren Platz im Team mit konstanteren Leistungen verdienen müssen.“

Die Fehlerquote

Im Bundesliga-Duell in Potsdam machten die Stuttgarter pro Satz 14 Fehler, am Ende stand eine 0:3-Pleite. „So kann man kein Spiel gewinnen“, erklärt Konstantin Bitter, der auch nach dem Auftakt in der Champions League in Bielsko-Biala/Polen, der 1:3 verloren ging, enttäuscht war: „Dort haben wir uns mit 20 Aufschlagfehlern selbst geschlagen.“ Insgesamt sei die Quote an Unzulänglichkeiten bisher „massiv zu hoch“ gewesen. Zunächst hatte der Trainer das Problem mannschaftsintern nicht angesprochen, sondern stattdessen versucht, das Selbstvertrauen zu stärken. Jetzt sagt er: „Wir haben die Anzahl an Fehlern klar thematisiert, sie sind auch schon weniger geworden. Entscheidend wird nun sein, wann wir uns Fehler erlauben – wir müssen es schaffen, das Niveau in den wichtigen Phasen der Spiele hochzuhalten.“

Das Zuspiel

Es war klar, dass es nicht möglich sein würde, den Abgang von Britt Bongaerts, vergangene Saison zur besten Spielerin der Bundesliga gekürt, problemlos zu kompensieren. Die MTV-Verantwortlichen hatten jedoch gehofft, dass die Entwicklung des neuen Duos etwas schneller gehen würde. Charlotte Krenicky (24), die einen Zwei-Jahres-Vertrag hat, sieht Konstantin Bitter auf einem guten Weg: „Sie bringt viel Energie aufs Feld, hält sich an unseren Plan.“ Mehr Kopfzerbrechen bereitet dem Coach Milana Bozic (24), die nach einer starken Runde vom VC Wiesbaden in Richtung Stuttgart wechselte. „Sie kommt mit dem Druck und dem Angriffsplan nicht so gut wie erhofft zurecht“, sagt er, „das haben wir anders eingeschätzt. Sie braucht noch viel Hilfe, um das Spiel steuern zu können.“

Noch nicht in Bestform: Jolien Knollema. Foto: Baumann

Die Form

Jolien Knollema (21) spielte am Ende der vergangenen Saison überragend, die Außenangreiferin hatte großen Anteil am Meister-Titel. Dann qualifizierte sie sich mit dem niederländischen Nationalteam für die Olympischen Spiele, wie auch MTV-Neuzugang Florien Reesink (26). Nach Paris hatten beide Probleme, wieder in den Alltag und zu ihrer Bestform zu finden. „Sie selbst erwarten mehr von sich – und wir auch“, erklärt Bitter, der allerdings auch Verständnis für die Situation der Niederländerinnen aufbringt: „Olympische Spiele sind etwas Weltbewegendes, auf diesem Level haben beide noch sehr wenig Erfahrung. Für ihren Reifeprozess ist die schwierige Phase, die sie gerade durchlaufen, sehr wichtig – wir helfen ihnen bei dieser mentalen Herausforderung.“

Der Anspruch

Allianz MTV Stuttgart war der erste Triple-Gewinner in der Geschichte des deutschen Frauen-Volleyballs, die Vergangenheit aber zählt nicht mehr – nur die Situation, die aus ihr erwächst. „Die Erwartungshaltung, die von außen an uns herangetragen wird, ist enorm“, sagt Trainer Bitter, „die Spielerinnen, die bei uns unterschrieben haben, wussten das, und sie wollen diesem Druck auch gerecht werden, einfach ist das aber nicht. Denn wir spielen gegen kein Team, das gegen uns nicht alles gibt.“ Das probateste Gegenmittel sei, ruhig zu bleiben und an der eigenen Weiterentwicklung zu arbeiten: „Intern wissen wir alle, dass dies ein Prozess ist, der Zeit braucht.“

In der Bundesliga ist es kein Problem, dass der Titelverteidiger noch nicht voll auf der Höhe ist – die Meisterschaft wird erst in den Play-offs im Frühjahr entschieden. Im Pokal ist das anders. Die Vorbereitung auf das Duell in Potsdam verlief aufgrund von Verletzungen und Krankheiten nicht optimal, am Ziel ändert das nichts. „Wir wollen uns für die Niederlage in der Bundesliga revanchieren und ins Halbfinale einziehen“, sagt Konstantin Bitter, „diesem Druck müssen wir nun standhalten – und ich bin sehr optimistisch, dass wir das schaffen werden.“