Tobias Scheible von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen weiß, was beim Umgang mit dem digitalen Erbe wichtig ist. Foto: Moser

Was mit den Daten nach dem Tod passiert, sollte schon frühzeitig feststehen – Tobias Scheible nennt Gründe.

Online einkaufen, kommunizieren, Geld überweisen, Musik hören und Filme schauen: Ein großer Teil des Lebens findet mittlerweile im Internet statt, und fast jeder Mensch hinterlässt digitale Spuren. Doch was passiert nach dem Tod mit dem Datenberg?

Acht von zehn Internetnutzern haben ihr digitales Erbe noch überhaupt nicht geregelt – und nur neun Prozent geben an, komplett vorbereitet zu sein. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom im vergangenen Jahr. Das Problem: Im Gegensatz zum herkömmlichen Erbe, bei dem es eindeutige Gesetze und Regeln gibt, ist die Rechtslage in Bezug auf das digitale Erbe recht unklar.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sprach im Juli zwar in einem Grundsatzurteil einem Elternpaar das Recht zu, auf das Facebook-Konto seiner verstorbenen Tochter zugreifen zu dürfen, und stellte damit das digitale Erbe dem physischen gleich. "Trotzdem gibt es noch immer viele unterschiedliche Meinungen, weil diese nicht-physischen Güter vom Gesetz bisher nicht abgedeckt werden", erklärt Tobias Scheible. "Deswegen gibt es diesen Schwebezustand ja überhaupt: Wenn alles gesetzlich geregelt wäre, dann wäre ja alles klar."

Scheible ist seit sechs Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen tätig. An der Fakultät Informatik arbeitete er zunächst am Forschungsprojekt "Open Competence Center for Cyber Security" mit. Dabei handelt es sich um ein Programm, das sich um die Möglichkeit wissenschaftlicher Weiterbildung im Sektor Cyber-Security für jedermann bemüht. Aktuell leitet Scheible im Bachelorstudiengang IT-Security Praktika rund um die Themen Cyber-Security und Digitale Forensik. Er weiß, wie man seine Daten schützt und verwaltet – und auch welche Folgen es haben kann, wenn man zu leichfertig damit umgeht.

Was also passiert mit Internet-Konten Verstorbener? "Erstmal gar nichts." Wenn eine Person stirbt, ohne ihr digitales Erbe geregelt zu haben, bleiben zunächst alle Internetkonten bestehen – auch kostenpflichtige Mitgliedschaften, etwa bei Streaming-Diensten, laufen weiter. Um diese oder kostenfreie Mitgliedschaften zu kündigen, brauchen die Erben Zugriff auf die Konten des Verstorbenen. "Weil es aber keine einheitliche Rechtslage zum Thema gibt – und damit auch keinen allgemeinen Standard, wie verschiedene Dienste damit umgehen – haben die Erben erstmal keinen Anspruch darauf." Andererseits, gibt Scheible zu bedenken, hätten sie aber Verpflichtungen, die gesetzlich geregelt sind – und diese könnten sie oft nicht erfüllen, ohne auf die Internetkonten des Verstorbenen zuzugreifen.

Scheible nennt dafür ein Beispiel: "Wenn ich etwas auf Ebay versteigere, dann aber sterbe, bevor ich den Gegenstand verschicken kann, müssten das eigentlich meine Erben für mich übernehmen. Sie sind nämlich in der Pflicht, den Vertrag, den ich vor meinem Tod geschlossen habe, zu erfüllen. Dazu muss der Erbe aber erst einmal an die Daten kommen, die er braucht, um das Geschäft abzuwickeln – ohne Zugang zum Ebay-Konto oder zum E-Mail-Postfach ist das schwer bis unmöglich."

Auch der Zugriff auf Geldwerte des Verstorbenen, die beispielsweise in Form von PayPal-Guthaben vorliegen, wird für die Erben ohne Kontozugriff deutlich erschwert: "Obwohl das Guthaben den Erben als Teil des Erbes theoretisch zusteht, haben sie keinen rechtlichen Anspruch, auf das Konto zuzugreifen. Man hat also keine praktische Zugriffsmöglichkeit – dazu bräuchte man die Zugangsdaten des PayPal-Kontos."

Eines wird aus diesen Beispielen klar: Wer stirbt, ohne geregelt zu haben, was mit seinen digitalen Spuren geschehen soll, macht es seinen Erben schwer, ihre Pflichten zu erfüllen und zu ihrem Recht zu kommen. Da erscheint es umso wichtiger, das digitale Erbe noch zu Lebzeiten zu regeln. Scheible weiß, wie das gelingt: "Es gibt mehrere Möglichkeiten, die aber alle eines gemeinsam haben – und das ist überhaupt der Knackpunkt beim digitalen Erbe: Weil es keine eindeutigen Richtlinien gibt, ist es besonders wichtig, das alles so frühzeitig wie möglich zu regeln."

Am einfachsten ist es laut Scheible, die Zugangsdaten aller Internetkonten in einer physischen oder digitalen Liste – zum Beispiel auf einem USB-Stick – zusammenzufassen und dafür zu sorgen, dass diese den Erben zugänglich gemacht wird. Es sei sinnvoll, die Passwörter auf einem USB-Stick in einem Passwort-Manager oder einer passwortgeschützten Zip-Datei zu speichern und diesen USB-Stick sicher zu verwahren. "In diesen Fällen gibt es ein Masterpasswort, das alle anderen Passwörter verschlüsselt. Dann muss man nur dafür sorgen, dass der Erbe dieses nach dem Tod bekommt." Das Masterpasswort kann dann beispielsweise beim Notar hinterlegt werden.

Passwörter haben einen entscheidenden Nachteil

Der Empfehlung, gleich die ganze Passwort-Liste beim Notar zu hinterlegen, steht Scheible eher kritisch gegenüber. Dort seien die Passwörter zwar sicher, das Verfahren habe aber einen entscheidenden Nachteil: "Jedes Mal, wenn man sich bei einem Dienst neu anmeldet oder sein Passwort ändert, muss die Liste aktualisiert werden. Man müsste dann jedes Mal einen Termin beim Notar machen – die Methode ist also sehr aufwendig."

Und ein externer Dienstleister, der die Passwörter speichert und später an die Erben weitergibt? Davon rät Scheible ganz entschieden ab – zumal die Firmen, die solche Dienste anbieten, meist Geld für ihre Arbeit nehmen. "Es stellt sich halt die Frage, wie man dazu steht, einem externen Anbieter Zugriff auf die kompletten Daten zu geben. Ich persönlich sehe das nicht als besonders sinnvoll an."

Auch Verbraucherschützer raten von solchen Dienstleistern ab, da deren Vertrauenswürdigkeit nur sehr schwer eingeschätzt werden kann. Außerdem, gibt Scheible zu bedenken, sind auch diese Firmen nicht gegen Hackerangriffe immun. "Manche sagen vielleicht: ›Das ist schön unkompliziert und ich muss mich um nichts kümmern‹. Aber ich würde nur ungern das Risiko eingehen, meine gesamten Passwörter rauszugeben – vor allem wenn das Ganze zusätzlich noch Geld kostet."

Egal für welche Methode man sich letzlich entscheidet: Es reicht in keinem Fall, lediglich Passwörter und Benutzernamen aufzulisten – die Erben müssen schließlich auch wissen, was mit den Konten passieren soll. Welche sollen gelöscht werden? Welche sollen weiterhin bestehen oder sogar auf die Erben übergehen? All das kann in einem Testament geregelt werden. Wichtig: In Bezug auf das digitale Erbe ist nur ein handschriftlich verfasstes und unterschriebenes Testament wirksam.

Und sollten alle Stricke reißen: Auch wenn ein Verstorbener seine Passwörter unverschlüsselt auf seinem Laptop abgespeichert hat – wovon Scheible grundsätzlich abrät –, können die Informatiker noch darauf zugreifen. "Hat man einen Laptop, ein Smartphone, ein Tablet oder ähnliches, kann man versuchen mithilfe der digitalen Forensik die Daten wieder herzustellen", erklärt Scheible. Die Methode werde zwar relativ breit eingesetzt, die Zugriffsmöglichkeiten seien allerdings begrenzt: "Man hat Zugang zu allem, was lokal gespeichert ist. Das sind meistens vor allem Fotos und Dokumente – oder manchmal eben auch Passwort-Listen. Aber alles, was online bei einem Provider ist, hinterlässt auf dem Rechner eigentlich keine Spuren. Das erschwert die Sache natürlich."

(hm). In der Vergangenheit haben mehrere Fälle zu einer anhaltenden Diskussion um das digitale Erbe geführt. Daher haben manche, vor allem größere Internetdienstleister, eigene Funktionen entwickelt. Kleinere Dienstleister haben oft überhaupt keine Regelungen – und selbst die Funktionen der größeren Dienstleister unterscheiden sich stark. Sie unterliegen nämlich keiner einheitlichen Richtlinie.

Info: Was die Dienstleister tun

Facebook

Das Netzwerk bietet drei Möglichkeiten dafür an, was nach dem Tod mit einem Facebook-Profil geschieht. Die einzige Methode, bei welcher der Facebook-Nutzer Vorarbeit leisten muss, ist das Benennen eines Nachlassverwalters. "Dabei wird ein anderes Facebook-Konto als Nachlassverwalter bestimmt. Sobald Facebook dann die Sterbeurkunde vorliegt, bekommt der Nachlassverwalter die vollen Rechte über das Konto", erklärt Tobias Scheible, Mitarbeiter der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.

Hat der verstorbene Facebook-Nutzer keinen Nachlassverwalter benannt, kann mit einer Sterbeurkunde die Aktivierung des Gedenkmodus beantragt werden. Das Facebook-Profil ist dann weiter sichtbar, ein Zugriff auf das Konto allerdings nicht mehr möglich – selbst wenn später noch Benutzername und Passwort auftauchen.

Auch das Löschen des Kontos kann bei Facebook beantragt werden. Dazu ist es notwendig, dass man sich mit einem Erbschein als rechtmäßiger Erbe ausweisen kann. Scheible gibt allerdings zu bedenken: "Wenn ich bei Facebook Daten lösche, sind die nicht wirklich gelöscht, sondern werden lediglich nicht mehr angezeigt. Das gilt natürlich auch für das gelöschte Konto eines Verstorbenen: Die Daten sind trotzdem noch bei Facebook – und werden auch noch in die Datenanalysen einbezogen."

Google

Wer ein Google-Konto hat, kann auf zahlreiche Funktionen und Dienste zugreifen – E-Mail-Konto und YouTube-Kanal inklusive. Daher verfügt Google über einen sogenannten Kontoinaktivitäts-Manager.

Ein Nutzer kann dafür bis zu zehn andere Google-Konten angeben. Wird das Konto nicht mehr genutzt, werden die angegebenen Google-Konten nach einer vom Nutzer bestimmten Zeit benachrichtigt. Zeitgleich wird auch der Nutzer selbst benachrichtigt. Schließlich wäre es ja denkbar, dass er gar nicht verstorben ist, sondern sein Konto einfach nicht mehr nutzt. Ab diesem Zeitpunkt läuft eine zweite Frist. Wenn der Google-Nutzer sich innerhalb dieser zweiten Frist nicht meldet, bekommen die eingetragenen Google-Nutzer Zugriff auf das Konto. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, dass das Konto nach dieser zweiten Frist automatisch gelöscht wird.

In beiden Fällen muss der Nutzer schon zu Lebzeiten Initiative zeigen, denn wenn weder Google-Konten angegeben noch die automatische Löschung beantragt wurde, gibt Google die Daten auch nicht an die Erben heraus.

E-Mails

"Beim Thema E-Mails gibt es ein Problem mit dem Datenschutz. Denn laut Telemediengesetz darf keine unautorisierte Person Zugriff auf ein E-Mail-Postfach haben. Weil das Erbrecht für Digitales keine wirklichen Regelungen bereitstellt, kann es deshalb schwer bis unmöglich sein, als Erbe auf E-Mail-Konten des Verstorbenen zuzugreifen", meint Tobias Scheible.

Deutsche Provider wie Gmx- oder Web-Mail haben allerdings eine Regelung, die es Erben erlaubt, Zugriff auf das Konto des Verstorbenen zu bekommen. Ausländische Provider haben diese Regelung hingegen nicht.

Twitter

Twitter bietet Angehörigen verstorbener Nutzer oder Bevollmächtigten die Möglichkeit, das Konto löschen zu lassen. Dafür müssen ein Löschantrag sowie eine Sterbeurkunde eingesendet werden. Benutzernamen und Passwörter, mit denen die Hinterbliebenen sich in das Twitter-Konto des Verstorbenen einloggen könnten, gibt die Plattform nicht heraus.