Ende einer Ära: Auch die Mußler-Filiale an der Hirschstraße wechselt Namen und Eigentümer. Die Mitarbeiter werden übernommen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Eine traditionsreiche Parfümerie ist tot – es lebe die Parfümerie. Mußler verkauft alle seine Filialen in der Stadt. Doch was wie ein Ende aussieht, soll ein Neuanfang werden.

Stuttgart - Bei einem Thema reagieren Stuttgarter inzwischen reflexartig wie der berühmte Pawlowsche Hund. Beim Reizwort Sterben der Traditionsgeschäfte in der City folgt die Reaktion: Ah, Online-Handel, sinkende Passantenfrequenz, Filialisten und hohe Mieten machen wieder einem alteingesessenen Geschäft den Garaus. Nur bei der Parfümerie Mußler trifft keiner dieser genannten Gründe zu.

Denn es geht weiter. Richtig ist: Mattias Mußler, der das Unternehmen in dritter Generation geleitet hat, wickelt den Familienbetrieb gewissermaßen ab. Er verkauft nun auch die Filialen Hirschstraße und Wernlinstraße des alteingesessenen Stuttgarter Parfümerieunternehmens Mußler Beauty an die Bietigheimer Unternehmerfamilie Allert.

Fast unbemerkt hat Mußler bereits im vergangenen Jahr die beiden Mußler-Filialen in Echterdingen und in Stuttgart-Vaihingen an die Familie Allert übergeben. 2020 wird auch die Mußler-Filiale am Killesberg folgen. Dann ist der Handel abgeschlossen, Mußler ist Geschichte und doch soll vieles beim Alten bleiben. Die Läden blieben bestehen, das Personal müsse nicht gehen, nur der Name ändere sich zu baslerbeauty, sagt Timo Allert, der neue Geschäftsführer und Juniorchef von baslerbeauty, zu der im deutschsprachigen Raum bereits 16 Hair- und Beautystores, zwei Parfümerien sowie ein Onlineshop gehören.

Selbst Douglas kämpft

Mattias Mußler war schon länger klar, dass die Offline-Geschäfte mit traditionellen Konzepten mittelfristig zurückgehen werden. Selbst die Großen in der Branche, wie etwa Douglas, sollen im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von etwa zehn Prozent beklagt haben. 2017 hatte Mußler daher bereits große Anteile des Familienunternehmens (seit 1935) an den Online-Händler Notino verkauft, der im Einkaufscenter Gerber einen von 21 Läden betreibt. Nun also der komplette Rückzug aus dem stationären Handel. Auf den ersten Blick mag daher das Investment der Familie Allert nicht einleuchten. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass in diesem Modell vielleicht sogar Chancen für kleine Einzelhändler in anderen Branchen stecken, die allein nicht mehr bestehen können.

Allert will Synergie-Effekte nutzen

Allert spricht daher von „Synergie“. Unter dem Dach einer Dienstleistungsgesellschaft in Bietigheim sollen Verwaltung, Marketing, IT und Organisatorisches gebündelt werden. Das entlastet die einzelnen Filialen, spart Zeit und Geld. Aber das ist nur ein Teil seines Konzeptes. „Wir fühlen uns der Tradition und dem besonderen Konzept von Mußler Beauty auch für die Zukunft stark verpflichtet und wollen es behutsam weiterentwickeln“, sagt Allert. Hinter dem Wort „weiterentwickeln“ steht seine „Vision von einem ganzheitlichen Konzept“, das in Zukunft Beauty-Dienstleistungen, wie Kosmetik, Mani- und Pediküre, Zahnbleaching und Haar-Schneiden und -Styling verknüpft. Zudem sollen in den Filialen auch die selbst produzierten Produkte verkauft werden. In diese Überlegungen dürften dann auch die 17 Friseursalons der Keller-Company einfließen, die im Besitz der Allerts sind.

Freilich könnte Timo Allert diese Vision auch ohne die Mußler-Filialen umsetzen. Allein in der Marienstraße gibt es mindestens zwei leer stehende Ladenflächen, in denen ein baslerbeauty-Laden Platz fände. Doch ganz so einfach sei die Sache nicht, sagt Allert. Denn mit den Mußler-Läden übernehme er nicht nur „12 000 Stammkunden, sondern auch 50 kompetente Mitarbeiter“.

Mattias Mußler ergänzt: „Wenn man heute einen neuen Laden aufmacht, dauert es rund drei Jahre, bis man weiß, ob die Sache läuft.“ Daher ist er sich sicher, dass es mit der „Power“ der Allerts mit seinem Familienunternehmen weitergehen wird. Auch in diesem schweren Umfeld des stationären Handels, „in dem es nur für 70 Prozent eine Zukunft gibt“.

Aus diesem Grund ist auch Sabine Hagmann, Geschäftsführerin des Handelsverbandes, davon überzeugt, dass dies „ein guter Weg ist“ und genau das richtige Rezept sei. Warum? „Weil die Kleinen und Mittleren brauchen heute die Power der Großen. Deren Investitionskraft, aber auch deren Stärke beim Einkauf. Ein Kleiner kann das in Zukunft nicht mehr ohne Weiteres stemmen. Es sei denn, er ist in einer Nische.“