Leere Flaschen und Gläser: Nach dem Alkoholgenuss läuft manches aus dem Ruder Foto: Max Kovalenko/PPF

Viele Jugendliche, die in der Stuttgarter Innenstadt Party feiern, werden in Schlägereien verwickelt, sexuell belästigt oder erleben andere brenzlige Situationen. Das hat die Auswertung von Interviews mit 14- bis 26-Jährigen ergeben.

Stuttgart - Völlig verstört wacht eine 16-Jährige auf einer Parkbank im Schlossgarten auf. Sie hat einen Filmriss, weiß nicht, was passiert und wie sie auf die Bank gekommen ist. Nur daran, dass sie gefeiert hat und reichlich Alkohol geflossen ist, erinnert sie sich noch. Die junge Frau wird ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem Wohnsitzlose den Notarzt gerufen haben.

Solche und ähnlich brenzlige Situationen spielen sich Wochenende für Wochenende in der Stuttgarter Innenstadt ab. Viele Jugendliche, die in Stuttgart Party machen, werden in Schlägereien verwickelt, sexuell belästigt oder brechen zusammen. Immer mit im Spiel ist Alkohol. Das ergab jetzt die Auswertung von 203 Interviews mit 14- bis 26-Jährigen nachts in der Innenstadt.

Innerhalb des Projekts „Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt in Stuttgart“ (PAJ) haben zwei Teams mit je zwei Streetworkern Freitags und Samstags von 20 Uhr bis 1 Uhr die Treffpunkte von Jugendlichen unter anderem am Berliner Platz, im Schlossgarten und in der Theodor-Heuss-Straße aufgesucht. 203 Jugendliche haben dort die Fragebögen der Streetworker ausgefüllt. Das erschreckende Ergebnis: Knapp zwei Drittel (60 Prozent) kennen Schwierigkeiten mit der Polizei. Ebenfalls knapp zwei Drittel (64 Prozent) haben selbst Schläge eingesteckt, ausgeteilt oder waren Zeuge. Fast alle (87 Prozent) kennen Probleme wie Erbrechen, Bewusstlosigkeit oder Filmriss durch Alkoholkonsum. Viele der befragten Frauen wurde sexuell belästigt.

Das Projekt belegt auch, dass nicht nur Stuttgarter die City als Partyzone entdeckt haben. Ein Drittel der Befragten kommt aus der Region. Egal, ob aus Stuttgart oder der Region: Alle sind in Gruppen unterwegs. Warum dabei immer auch Alkohol im Spiel ist? Die Antwort eines 17-Jährigen ist typisch: Man wolle Leute kennenlernen. „Und mit Alkohol lernt man meistens mehr kennen, weil man dann irgendwie die Hemmschwelle überwunden hat – irgendwann.“

Das Projekt PAJ wird unter anderem von der mobilen Jugendarbeit der Evangelischen Gesellschaft (Eva) und des Caritasverbandes Stuttgart sowie der Stuttgarter Polizei getragen und von der Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet. Interviewt haben die Streetworker Jugendliche, von denen sie den Eindruck hatten, sie könnten Probleme mit dem Alkohol haben. „Wir dachten, die wollen mit uns nichts zu tun haben. Aber die meisten haben gern mitgemacht und offen über alles mögliche geredet“, sagt Klausjürgen Mauch, Leiter der Jugendsozialarbeit bei der Eva.

Das Projekt bestätigt auch die Ergebnisse einer Podiumsdiskussion unserer Zeitung. In unserer Reihe „Mittendrin“ diskutierten im September unter anderen der katholischen Stadtdekan Christian Hermes, Polizeipräsident Thomas Züfle und Hermann Karpf, Referent von Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer, über die Probleme, die das Partyvolk in die Innenstadt bringt: nämlich Lärm, Müll und Straftaten. Laut Hermes „ersäuft die Innenstadt Stadt am Wochenende in Alkohol und Gewalt“. Und Karpf stellt fest, dass die Situation immer öfter ausartet. Eine Forderung in der Diskussion war die nach mehr Polizeipräsenz.

Willi Pietsch, Erster Kriminalhauptkommissar und Sprecher der AG Jugendkriminalität, nennt als Ziele des Projekts Alkoholexzessen und Gewalt vorzubeugen. Diese Aufgabe könnten die Streetworker besser erfüllen als seine Kollegen. In der Tat hätten die Streetworker häufig schlichtend bei drohenden Gewaltausbrüchen eingegriffen. „In den zwei Jahren, die das Projekt läuft, hat sich die Situation entspannt“, sagt Pietsch. Statistisch belegen lasse sich das nicht.

Das Projekt läuft zum Jahresende aus. Die Träger würden es gern um zwei Jahre verlängern. Doch obwohl das Land 50 000 Euro gibt, fehlen noch 195 000 Euro. Die Träger hoffen nun, dass der Gemeinderat die Summe in seiner Haushaltssitzung am 19. Dezember bewilligt.