Alfred Moos aus Lautlingen ist ein passionierter Freizeitmaler; seine bevorzugten Motive sind Lautlinger Dorfansichten, am liebsten solche, die es längst nicht mehr gibt. Jetzt vermacht er seinem Heimatort einige seiner Werke. Der Malgrund: Ziegel.
In der jüngsten Ortschaftsratssitzung präsentierte Ortsvorsteher Eckhard Hofele seinen Ortschaftsräten eine Kunst ganz eigener Art: Kleine Veduten, die zusammen mit dem Ortswappen die Rückseiten mehrerer klassischer schwäbischer Biberschwanz-Ziegel zieren.
Sie zeigen, unverkennbar, Lautlinger Motive: Kirche, Schloss, Viadukt, all das ist vertraut. Die benachbarten Fachwerkhäuser dagegen gibt es nur noch auf diesen Miniaturen – längst sind sie verschwunden, dem Abrissbagger zum Opfer gefallen.
Gemalt hat diese Bilder im Lauf von gut und gern sieben Jahrzehnten der Lautlinger Alfred Moos. Als Kind war er Schüler von Heinz Raasch, einem aus Essen stammenden Lehrer, den es nach dem Krieg mit mehreren Flüchtlingskindern nach Lautlingen verschlagen hatte. Heinz Raasch war ein Schulmeister alten Stils, Naturfreund, historisch interessiert und in Musik und bildender Kunst gleichermaßen bewandert – seine Malkunst bewegte sich stilistisch im Grenzgebiet zwischen Realismus und Impressionismus; einige seiner Werke hängen noch im Ortsamt.
Und noch etwas war Raasch: Raucher – und in den Nachkriegsjahren, in denen alles chronisch knapp war, stets auf der verzweifelten Suche nach Tabak. Alfred Moos, der Vater, baute Tabak im Garten an – und so lernte Alfred Moos, der Sohn, Heinz Raasch kennen, und mit ihm die Kunst: Raasch erkannte schnell, dass der kleine Alfred begabt war, und riet dem Vater, diese Begabung zu fördern. Doch dieser reagierte, wie es schwäbische Väter gerne tun: „Der soll schaffe, it schule!“. Alfred Moos wurde Postbeamter und frönte der Malerei fortan ausschließlich in seiner Freizeit.
Von der er freilich seit seinem Ruhestand eine ganze Menge hat – wer das Ehepaar Moos in seinem Haus in der Rißlinger Straße besucht, wird dort zahllose Bilder vorfinden, gerahmt und ungerahmt, Genreszenen und Landschaftsansichten, vor allem aber Ansichten des alten Lautlingen, wie es vor 100, 70 oder 50 Jahren aussah: Alfred Moos besitzt viele alte Schwarzweißfotos, die er als Vorlagen für seine Gemälde verwendet. Woher weiß er, wie er sie kolorieren muss? „Ich hab das alles noch selber gesehen.“ Alfred Moos wird im November 90 Jahre alt, und sein Langzeitgedächtnis ist bestens in Schuss.
Moos malt mit Ölfarbe, und zwar einem englischen Fabrikat, das sich mit Wasser verdünnen und auswaschen lässt. Etatmäßiger Malgrund ist Leinwand, der Klassiker, doch es gibt auch eine ausgefallene Alternative, nämlich Dachziegel, genauer: jahrzehntealte Biberschwänze.
Moos hat sie systematisch für Reparaturen auf dem eigenen Dach gesammelt; wenn früher ein altes Haus im Ort abgerissen wurde oder im Nachbarlandkreis ein Zigelfabrikant den Betrieb einstellte, dann war er zur Stelle und hat daher einen stattlichen Vorrat in der Garage. Groß genug, um den einen oder anderen „Feierabendziegel“ aus den 1920er oder 30er-Jahren abzuzweigen und die mehr oder weniger glatte Rückseite – die Schauseite bedecken die Fingerrillen der Produzentinnen – erst zu bespachteln und dann zu bemalen.
14 dieser Ziegel gehen nun in den Besitz der Ortschaft respektive der Stadt über – zur Freude von Eckhard Hofele, der neben dem künstlerischen besonders den dokumentarischen Wert der Schenkung zu schätzen weiß: Wie sah das alte Pfarrhaus, 1740 erbaut und 1976 abgerissen, aus, wie das im gleichen Jahr im Alter von 516 Jahren abgebrochene Armenhaus beim Viadukt? Am „Haus Götz“ in der Falkenstraße erkennt man noch den über der Miste hängenden Außenabort, vor der Stauffenberg-Gedenkstätte den längst abgeräumten Kinderfriedhof und neben dem Gesindehaus des Schlosses das Waschhaus, das es nicht mehr gibt. Alfred Moos’ Ziegel sind eine Fundgrube, für den Kunstfreund ebenso wie für den Heimatforscher.
Doch wohin mit den Schätzen? Im Keller des Stadtarchivs mag Eckhard Hofele sie nicht verstauben lassen; er sucht nach Lautlinger Wänden und hat auch schon Ideen. Vor allem aber möchte er Moos’ Ziegel einmal ganz offiziell ausstellen, mit Vernissage und Fachvortrag, wenn möglich – der 90. Geburtstag des Schöpfers wäre ein geeigneter Anlass.
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