Aus der Untersuchungshaft wurden die beiden Angeklagten zur Prozesseröffnung in den Gerichtssaal gebracht. Foto: Nädele

Prozessauftakt zu schwerem Raub mit Körperverletzung an 94-jähriger Aldingerin. Männer bitten Geschädigte um Vergebung.

Aldingen/Rottweil - Schwerer Raub mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung: Im Januar war eine 94-jährige Aldingerin in ihrem Haus überfallen und beraubt worden. Die beiden Angeklagten, 24 und 25 Jahre alt, zeigten sich vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Rottweil geständig.

"Mein Gott, sind die hartnäckig", hatte sich die Seniorin an jenem Sonntagnachmittag gedacht, als jemand klingelte und gegen die Haustür schlug. In ihrer Zeugenaussage berichtete die Geschädigte, dass sie ihren Kindern eigentlich versprochen hatte, außerhalb der Geschäftszeiten die Tür nicht zu öffnen – in dem Haus befindet sich auch das Büro des 63-jährigen Sohns. Sie dachte an einen Faschingsscherz, besonders als die beiden "Besucher" sich als Polizisten ausgaben. "Ich wurde wütend, dachte, es handle sich um Betrunkene, wollte denen die Meinung sagen und öffnete die Tür nur eine Handbreit", erinnert sich die Frau.

Was genau daraufhin geschah, ist die die einzige Differenz zwischen den Aussagen des Opfers und der beiden Angeklagten. Der 25-jährige Hauptangeklagte, geboren in Stuttgart, berufs- und zuletzt wohnsitzlos, beteuerte, die von ihm mit beiden Händen aufgedrückte Tür habe die Frau zu Fall gebracht. Die 94-Jährige widersprach vehement: "Der erste Typ hat mich an der Schlagader gepackt". In ihrer ersten Aussage bei der Polizei stünde, sie sei "geschubst" worden, wandte der Schwenninger Wahlverteidiger des 25-Jährigen ein. "›Geschubst‹ habe ich sicher nie gesagt, das ist nicht mein Wort", konterte die Geschädigte.

Nach der ersten Tätlichkeit sei der "ordentlich angezogene" junge Mann "mit dem gut geschnittenen Gesicht, den braunen Augen und dem gepflegten Deutsch" nicht mehr grob zu ihr gewesen. Er habe ihr hoch geholfen, ihr den Rollator gebracht. Später habe er sie dann mit einem Klebeband an einen Sessel gefesselt und ihr gedroht, er habe eine Schusswaffe und sie müsse mindestens zehn Minuten warten, bis sie versuchen dürfe, sich zu befreien. Doch der Seniorin gelang dies relativ rasch. Jedoch fand sie alle Handys in einem Waschbecken – unter Wasser. Mit einem Festnetzapparat gelang es ihr schließlich, ihren Sohn zu erreichen, der gerade sein Handy hatte abschalten wollen, um in Trossingen ein Konzert zu hören. "Ich alarmierte sofort die Polizei und fuhr zu meiner Mutter", berichtete der Unternehmer als Zeuge.

"Nichts ist mehr so, wie es war", fasste die Geschädigte die Folgen des Überfalls zusammen. Zwar seien die Folgen des Sturzes größtenteils auskuriert, doch ihr Leben sei – trotz aller nachträglich installierten Sicherheitstechnik – eindeutig beeinträchtigt. Nur rund 200 Euro Bargeld hatten die beiden Männer erbeutet, dafür aber Schmuck im Wert von rund 18 000 Euro. Der Verkauf einer Goldkette in einem Schwenninger Pfandleihhaus für 850 Euro war einer der ersten Hinweise für die Kripo. Welche detaillierten Ermittlungsschritte schließlich zu den Verhaftungen Ende März führten, war Inhalt der Aussagen zweier Polizeibeamter.

Die beiden Angeklagten gaben als Tatmotiv akute Geldnot an. Beide seien spielsüchtig und hätten hohe Schulden. Vor der Tat habe er Speed und Jägermeister konsumiert, sagte der 25-Jährige, der in einer Verhandlungspause zum ersten Mal seinen neugeborenen Sohn kurz in den Armen halten durfte.

Die letzten sechs Monate verbrachten beide in Untersuchungshaft, vor Gericht saßen sie mit Fußfesseln. Beide baten die Geschädigte um Vergebung.

Mit weiteren Zeugenaussagen geht der Prozess am Montag, 28. September, um 9 Uhr weiter.