Foto: Schwarzwälder Bote

Ungeachtet der Tatsache, dass der Stadt Albstadt bis zum Jahr 2018

Ungeachtet der Tatsache, dass der Stadt Albstadt bis zum Jahr 2018 mehr Geflüchtete vom Landkreis zugewiesen worden waren, als der Verteilungsschlüssel vorgesehen hatte: Jetzt hat sich die Stadt Albstadt – im ausdrücklichen Auftrag des Gemeinderates – an Landrat Günther-Martin Pauli gewandt und ihm mitgeteilt, dass sie helfen will. Zwei Familien aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos will sie aufnehmen – über das übliche Kontingent hinaus.

Zwei Familien – klingt nicht nach viel. Und doch: Nähmen alle Städte der Größe Albstadts je zwei Familien auf, wäre es kein Problem, allen 12 000 Menschen, die durch das verheerende Feuer in noch größerer Not als ohnehin sind, eine neue Heimat zu schenken. Und die Chance auf ein Leben, in dem sie medizinisch versorgt sind, die Kinder zur Schule und die Eltern einer Beschäftigung nachgehen können. Zwei Familien, das heißt sechs, acht, vielleicht zehn Personen. Und selbst wenn es 20 wären: So viele zusätzlich zu integrieren, sollte für 46 000 Menschen in Albstadt nun wahrlich kein Problem sein.

Gerade erst in der vergangenen Woche hatte Pfarrer Gottfried Engele einen beeindruckenden Abend zum Thema Heimat gestaltet – der eigentliche Referent war kurzfristig verhindert. Engele, seine Kollegen Andreas Hartmann und Christoph Fischer sowie die Kirchengemeinderäte der evangelischen Kirchengemeinde Tailfingen haben außerdem ein Schreiben unterzeichnet, zwischen dessen Zeilen genau deutlich wird, dass es ihnen dabei auch um geflüchtete, um heimatlose Menschen geht. "Vor Gott sind alle Menschen gleich", heißt es zu Beginn. "Gott will, dass Menschen in Frieden zusammenleben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Kirchen Orte sind, in denen demokratisch miteinander umgegangen wird und Menschenrechte gelebt werden."

Wer Menschen verächtlich mache, weil sie anders oder fremd seien, handle gegen Gottes Gebote, steht in der Erklärung. "Deshalb wehren wir uns gegen alle Versuche, Menschen wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Sprache oder Behinderung auszugrenzen." Und weiter: "Deshalb widersprechen wir Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus in jeder Form und sprechen uns für die Menschenrechte aus, die für alle Menschen gleichermaßen gelten. Wir stellen uns an die Seite derer, die angefeindet werden, weil sie als ›fremd‹ angesehen werden, und an die Seite derer, die sich für Geflüchtete und Benachteiligte engagieren." Letzteres steht übrigens unter dem Zwischentitel "Gott stellt Fremde und Benachteiligte unter besonderen Schutz."

Ob es Gott gibt – da mag jeder seine eigene Meinung pflegen. Fest steht freilich eins: Wenn es ihn gibt, braucht er Menschen, durch die er wirken, helfen, trösten und gut sein kann. Und wenn es ihn doch nicht geben sollte? Wollen wir dann in einer Stadt, in einem Land, in einer Welt leben, in der Menschenrechte nur manchen zuteil und andere ausgegrenzt werden?

Gemeinderat und Stadtverwaltung haben mit ihrem Schreiben ein Zeichen gesetzt: Albstadt will Heimat sein. Was für ein schönes Zeichen! Aber der Stadtverwaltung geht es wie Gott: Sie braucht ihre Menschen dazu. Zwei Familien warten darauf.