"Keine schönen Piepmätze" heißt es in Disneys "Dschungelbuch" – aber stimmt das wirklich? Dieter Haas aus Pfeffingen setzt sich dafür ein, dass Geier in der Region heimisch werden können. Die Aufnahmen hat er gemacht. Foto: Kistner

Dieter Haas aus Pfeffingen fordert besseren Artenschutz für die großen Greifvögel. Zuwanderer aus Frankreich.

Albstadt-Pfeffingen - Die Tailfingerinnen kennen ihn als erfahrenen Gynäkologen, Naturfreunde als engagierten Mitstreiter und ornithologischen Globetrotter. Seit vielen Jahren setzt Dieter Haas aus Pfeffingen sich für eine verkannte Vogelgattung ein: den Geier.

Haas ist mit Vögeln aufgewachsen: Sein Vater war Lehrer, Naturschutzbeauftragter und namhafter Ornithologe am oberschwäbischen Federsee, sein Haus Standort einer Vogelschutzstation und ein Mekka für Vogelfreunde.

Als 14-Jähriger ging Dieter Haas 1959 erstmals mit seinen Brüdern auf interkontionentale Tramptour – Marokko war damals noch ein Geheimtipp. Auch die Sahara durchquerte er, lange ehe es in Mode kam, später fuhr er mit dem VW-Bus nach Nepal, unternahm viele Afrikareisen und war immer wieder in Indien. Stets begegnete er dabei den Vertretern der Spezies "vultur": Bart-, Mönch-, Lämmer-, Gänse-, Bengalengeier – 18 Unterarten gibt es, und Haas kennt sie alle.

Sein Engagement für den Fortbestand der Gattung ist allerdings jüngeren Datums – als er zum ersten Mal Indien bereiste, da waren die Geier allgegenwärtig, und dem jungen Mann wäre nicht in den Sinn gekommen, dass sie einmal zu den am stärksten bedrohten Vogelarten des Globus zählen könnten. Jahrelang galt Haas’ Engagement zum Wohl der Vogelwelt vor allem Strommasten – er ist stolz darauf, dass es heute keine neuen "Vogelkiller" mehr errichtet werden, auf denen Störche Gefahr laufen, den Starkstromtod zu erleiden, und dass die alten mit sogenannten Abdeckern gesichert wurden. Doch in dem Maße, in dem die Sorgen um die Störche sich verringerten, wuchsen die um die Geier – in Indien suchte er sie zuletzt vergebens an Orten, wo es früher von ihnen wimmelte.

Der Grund, erfuhr er, seien Schmerzmittel: Die Inder verabreichen ihren heiligen Kühen neuerdings Diclofenac – für Geier, die sich später an den verendeten Tieren gütlich tun, ist das pures Gift. Mittlerweile ist der Geier weltweit vom Aussterben bedroht. Allerdings gibt es auch Weltgegenden, in denen die Populationen wachsen: Spanien und Frankreich, wo sie einst durch Schießprügel und Rattengift ähnlich nachhaltig dezimiert wurden wie in anderen Teilen Europas, hat man umgedacht und praktiziert einen Artenschutz, der den Bestandszahlen nach und nach wieder auf die Beine hilft. Einen Artenschutz, wie ihn sich Dieter Haas auch für Deutschland wünschen würde – zu dem aber noch vieles fehlt.

Was denn? Laut Haas fliegen aus Frankreich, wo die Geierbestände wachsen, seit Jahren Gruppen oder Einzelexemplare zu – stattliche, wohlgenährte Vögel, die sich hier in wenigen Wochen in ausgemergelte Ruinen verwandeln, weil sie keine Nahrung finden. Der Grund: In Deutschland gibt es zu wenig Aas – tote Schafe muss der Schäfer selbst beseitigen, die zahlreichen Opfer des Straßenverkehrs entsorgen Straßenmeisterei oder Jäger, und zwar so, dass der Geier gar nichts davon hat.

Dabei, so Haas, wäre nichts einfacher, als verendete Tiere an Plätzen zu deponieren, die für Geiermahlzeiten in Betracht kommen: exponierte Orte mit guter Sicht – Geier haben ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis; zu vielbefahrenen Bundesstraßen halten sie, anders als etwa Bussarde, Distanz. Dass solche Kirrplätze für Geier unhygienisch oder gar Seuchenherde sein könnten, bestreitet Haas vehement: "Geier sind die wirksamste Beseitigungstruppe, die die Natur kennt."

Haas’ Vorschlag: ein Greifvogelerlebnispark

Eine weitere Anregung: ein Greifvogelerlebnispark im Biosphärenreservat Schwäbische Alb auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen. Haas schlägt vor, drei Hektar fuchs- und wildschweinsicher einzuzäunen und dort spanische "Crash-Geier", Invaliden, die flugunfähig und ortsgebunden sind, anzusiedeln. Die könnten durch ihre pure Präsenz andere Geier anlocken – und Touristen. "Die Leute sind interessiert, das stelle ich bei meinen Vorträgen immer wieder fest."

Bisher jedoch ist Haas mit seinen Argumenten nicht durchgedrungen; als Grund nennt er die deutsche Bürokratie. "Im Prinzip sind sie alle dafür – aber wenn dann ernst gemacht werden soll, blockiert eine Behörde die andere."