Mit einer kleinen Grillhütte lockt die Traufganghütte Brunnental zahlreiche Gäste an. (Archivbild) Foto: Stadt Albstadt

Neues Hüttenkonzept kurz vor dem Durchbruch. Regierungspräsidium muss Zustimmung erteilen.

Albstadt - Wanderer sollen künftig direkt an den Traufgängen einkehren und nächtigen. In drei Jahren sollen schon zehn Traufgänge-Hütten stehen. Nicht alle sehen dem freudig entgegen.

Dem Großstadtstress entfliehen, die Kraft der Natur erleben und Schritt für Schritt zu sich selbst finden – so oder so ähnlich bewerben Touristiker vom Allgäu bis Südtirol sogenannte Hüttentouren. Diese Urlaubsform, bei der man mit reduziertem Gepäck direkt vom Wanderweg in die Stube einkehrt und anschließend ins gemachte Bett fällt, findet nach Angaben des Deutschen Alpenvereins bei deutschen Touristen immer mehr Gefallen.

Die Stadt Albstadt (Zollernalbkreis), die aufgrund ihrer Lage am Albtrauf gesegnet ist mit prämierten Wanderwegen, versucht seit 2013, auf diesen Zug aufzuspringen. Jetzt steht ihr "Traufgänge-Hüttenkonzept" kurz vor dem Durchbruch. In dem beliebten Wandergebiet, das aus zehn Traufgängen besteht, allesamt Rundwanderwege zwischen 4 und 17 Kilometern Länge, sollen in drei Jahren zehn Traufgänge-Hütten stehen. In vier der Hütten können Wanderer auch übernachten. An fünf Standorten sind Neubauten geplant, bei fast allen anderen sollen bestehende Gastronomien umgebaut werden.

Das Genehmigungsverfahren ist zäh: Nachdem Gemeinde- und Ortschaftsräte, Naturschützer und Mitglieder des Regionalverbands das Konzept endlich abgenickt hatten, wanderte es "bestimmt noch an die hundertmal zwischen Regierungspräsidium Tübingen und Stadt hin und her", wie der Albstädter Baubürgermeister Udo Hollauer berichtet. Am Ende umfasste der Antrag der Stadt auch fast 1000 Seiten.

Die Familie Hailfinger hat bereits 2012 das Gasthaus Brunnental übernommen

Angesichts des langwierigen Annäherungsprozesses gibt sich Hollauer zuversichtlich, dass das Regierungspräsidium, das das letzte Wort hat, das Konzept nun im Großen und Ganzen absegnen wird. "Wir hoffen, spätestens Anfang des nächsten Jahres grünes Licht zu bekommen", sagt der Bürgermeister.

Schon jetzt können sich Wanderfreunde von der Hüttenkultur ein Bild machen. Denn eine Hütte, die stilistisch als Orientierung dienen soll, ist schon in Betrieb: Die Familie Hailfinger hat bereits 2012 – ein Jahr, nachdem Albstadts Wanderwege als so genannte Premiumwanderwege zertifiziert wurden – das Gasthaus Brunnental übernommen. Es markiert den Beginn des Traufgangs "Hossinger Leiter", einer Wanderung durch das Lautertal.

Das alte italienische Gasthaus verwandelte die Familie in eine geräumige Gastronomie, mit rustikalen Möbeln, Kaminöfen, Deko-Strohballen und Geweihen an der Wand. Auf der Karte stehen herzhafte "regionale Schmankerl". Eine Bilderbuchhütte, wie man sie aus den Alpen kennt. "Uns schwebt vor, dass die anderen Hütten einen ähnlichen Charakter haben, sodass sich eine Art Corporate Identity ergibt", erklärt Hollauer. Finanziell dürfte das Hüttenkonzept voll aufgehen.

Der Traufgang "Zollernburg-Panorama" wurde vom Deutschen Wanderinstitut zum zweitschönsten Wanderweg in Deutschland erklärt. Außerdem ist Albstadt die einzige Wanderregion im Südwesten, die das Institut als "Premium-Wandergebiet" zertifiziert hat. Schon jetzt bescheren die Touristen Albstadt jährlich einen Umsatz von 69,2 Millionen Euro, wie eine Studie der Stadt ergab. Gezählt wurden mehr als zwei Millionen Aufenthaltstage. Daraus ergibt sich ein "touristisches Steueraufkommen" von jährlich 6,4 Millionen Euro. "Die Stadt geht davon aus, dass wir durch das Hüttenkonzept den Umsatz um weitere 15 Prozent steigern werden", sagt Hollauer.

Um Investoren und Betreiber zu finden, muss sich Albstadt nicht anstrengen

Nicht alle sehen dem freudig entgegen. Im kleinsten Stadtteil von Albstadt, Burgfelden, geht die Sorge um, dass das Dorfidyll künftig einem Rummel "ähnlich wie in Venedig" weichen werde. Ursprünglich sollte dort eine zweistöckige Traufgänge-Hütte gebaut werden, mit Platz für 210 Besucher. "Damit kämen auf jeden Einwohner 140 Touristen im Jahr", warnten die Bürger. Die auf Harmonie bedachte Stadt ruderte daraufhin zurück – und beantragte 186 Plätze.

Bis die ersten Touristen in Burgfelden einfallen werden, dürften noch mindestens zweieinhalb Jahre verstreichen: Nach dem Genehmigungsverfahren folgt das Bebauungsplanverfahren, das in der Regel eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt, wie Hollauer erläutert. Bis die Hütten stehen, wird ein weiteres Jahr ins Land ziehen. Um Investoren und Betreiber für die Hütten zu finden, muss sich Albstadt nicht anstrengen. "Wir haben bereits für alle Neubauten Interessenten", sagt Hollauer.