Das Gold aus den Zähnen Verstorbener wollte die Stadt gewinnbringend verwerten. Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Hallenser Stiftung Funus warnt die Stadt Albstadt vor der Verwertung / Spranger empfiehlt: "Finger weg!"

Von Martin Kistner

Albstadt. Die Anregung des Rechnungsprüfungsamts, bei Kremierungen in Ebingen anfallendes Zahngold gesondert zu verwerten, hat Kritiker mobilisiert. Die Stiftung "Funus" aus Halle/Saale warnt die Stadt, dem Vorschlag zu folgen.

Funus – das lateinische Wort bedeutet Begräbnis oder Beisetzung – ist durch die Berichterstattung des Schwarzwälder Boten auf den Kasus aufmerksam geworden und hat die Stadt Albstadt nun wissen lassen, dass man "geradezu entsetzt" sei über die Vorschläge der Albstädter Rechnungsprüfer, die Verwertung von "Reststoffen" zu optimieren.

Zum einen aus ethischen Gründen: Die tradierten Werte der deutschen Bestattungskultur, so Funus-Vorsitzender Frank Pasic, seien mit einer "wirtschaftlichen Verwertung Verstorbener" nicht vereinbar. Diese verletze elementare Grundsätze – daran ändere auch die Verwendung des finanziellen Ertrags für karitative Zwecke oder den Unterhalt des Bestattungswesens nichts.

Auch auf die rechtliche Dimension der Verwertung von Zahngold weist Pasic hin: Wer sie praktiziere, mache sich strafbar. Sein Gewährsmann, der Bonner Rechtsgelehrte und Bestattungsrechtsexperte Tade Matthias Spranger, führt gleich mehrere Gerichtsurteile gegen Mitar- beiter von Krematorien an, die sich nach der Kremierung an Verstorbenen bereichert hatten. Das Oberlandesgericht Bamberg sah 2008 den Straftatbestand Störung der Totenruhe erfüllt, das Oberlandesgericht Nürnberg 2010 den des "Verwahrungsbruchs", und am Oberlandesgericht Hamburg ist derzeit ein Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Krematoriums Öjendorf anhängig, in dem neben diesen Vorwürfen auch der des "bandenmäßigen Diebstahls" erhoben wird. Das Urteil steht noch aus; Spranger hält es aber für wahrscheinlich, dass die Hamburger Richter der Linie ihrer fränkischen Kollegen folgen werden.

Rein rechtlich ist Gold nichts Anderes als Asche

Und weshalb? Ist Gold nicht etwas Anderes als Asche? Nein, sagt Spranger: Rechtlich gesehen zähle alles, was aus dem Verbrennungsprozess hervorgehe, zu sterblichen Überresten; davon etwas "wegzunehmen", untersagten die deutschen Landesfriedhofsgesetze. Dass künstliche Hüftgelenke, die zu groß sind für die Urne, aussortiert werden müssen, räumt Tade Matthias Spranger ein; ein schlagender Einwand gegen das Prinzip sei das allerdings nicht.

Doch selbst wenn es anders wäre – es bliebe der Vorwurf, sich an fremdem Eigentum zu bereichern: Ein Krematorium, das Zahngold einsacke, missachtet laut Spranger das "Aneignungsrecht" der Erben des Verstorbenen – sie allein dürften über die Verwendung des Zahngolds befinden.

So empfiehlt Spranger der Stadt dringend, die Finger von fremdem Zahngold zu lassen – Störung der Totenruhe und Bandendiebstahl seien Offizialdelikte, an denen kein Staatsanwalt vorbeikomme. Dass die Versuchung groß ist, weiß er indes: Pro Kremation fallen im Schnitt Metallreste im Wert von 78 Euro an; bei großen Krematorien – Ebingen ist keines – kämen zuweilen siebenstellige Summen zusammen. "Da tritt vielen das Glitzern in die Augen."

Und die Stadt Albstadt? Sie prüft noch – auch die Argumente aus Halle und Bonn sollen laut Pressesprecher Michael Röck berücksichtigt werden. Das letzte Wort hat dann der Gemeinderat.

Von Martin Kistner

Es ist das gute Recht, ja die Pflicht eines Rechnungsprüfers, auf der Suche nach neuen Einspar- und Verdienstmöglichkeiten auch ausgefallenen Ideen eine Chance zu geben. Allerdings sollten sie nicht nur ausgefallen, sondern auch gut sein. Der Vorschlag des Albstädter Rechnungsprüfungsamts, das im Ebinger Krematorium anfallende Edelmetall zu Marktpreisen zu verhökern, hält schon der rechtlichen Prüfung nicht ohne weiteres stand. Zahnersatz und Prothesen sind mehr als nur Accessoires, sagen die Richter, und ihre Sicht der Dinge erscheint zwingend. Etwas anderes ist es, ob jemand aus freien Stücken sein Zahngold der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Das steht ihm frei, ebenso, wie es einem frei steht, seinen Körper der Anatomie zu überlassen. Auch die Hinterbliebenen darf die Stadt fragen – mit der gebotenen Pietät. Mehr darf sie nicht.