Mit großem Aufwand haben die Albstädter den Mountainbikekurs im Tailfinger Bullentäle, der auch von Hobby-Fahrern gerne mal benutzt wird, WM-tauglich gemacht. War das alles umsonst? (Archivbild) Foto: Eyrich

Der Gemeinderat will ganz aus dem Projekt aussteigen – jetzt muss die Stadt sondieren.

Albstadt - Spätestens nach dem gestrigen einmütigen E-Mail-Votum des Gemeinderats darf man unterstellen, dass es Ende Juni keine Mountainbike-WM in Albstadt geben wird. Alles weitere ist dagegen weiterhin unklar.

Zwar gilt die einschlägige Landesverordnung über infektionsschützende Maßnahmen nur bis zum 15. Juni; wie die Stadtverwaltung mitteilt, geht sie aber mittlerweile davon aus, dass vom 25. bis 28. Juni keine UCI-Mountainbike-Weltmeisterschaft im Cross Country in Albstadt stattfinden wird. In Konsultationen zwischen der Stadt, dem Radsport-Weltverband UCI, dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und dem Land geht es augenscheinlich nur noch um denkbare Alternativen – als da wären die Verlegung in den Herbst 2020, ins Jahr 2021 oder eine komplette Absage für Albstadt. Die Entscheidung soll laut Angaben der Stadt Mitte nächster Woche in einer Telefonkonferenz fallen.

Aber tangiert sie Albstadt denn noch? – die Gemeinderäte fordern schließlich unmissverständlich, dass Albstadt sich auch nicht mehr auf Ausweichtermine einlassen und sogar auf UCI-Weltcup-Veranstaltungen verzichten soll – zumindest in den nächsten Jahren. Die Logik dieser radikalen Abkehr von der bisherigen Albstädter Linie ist ziemlich eindeutig: Den Gemeinderäten sitzt der Schock des fiskalischen Kollapses, der Albstadt – und ganz Deutschland – 2010 ereilte, tief in den Knochen, und sie befürchten, das genau das Gleiche jetzt wieder passieren könnte: dass Albstadt sich in zweistelliger Millionenhöhe verschulden muss und kaum noch in der Lage sein wird, auch nur die wichtigsten und unverzichtbaren Projekte zu stemmen.

Die Sanierung des Schulzentrums Lammerberg wird weit über 42 Millionen Euro kosten, es wollen neue Kindergärten gebaut sein, und die Hallen, Kläranlagen und Straßen sind auch noch da. Für Kürläufe wie eine Weltmeisterschaft bleibt da wohl kein Geld mehr.

Finanzen müssen geprüft werden

Ganz so einfach ist die Sache allerdings auch nicht. Finanzbürgermeister Steve Mall bezeichnet die Forderung der Gemeinderäte zwar ausdrücklich als "legitim" und versichert, dass sie in dieser Sache das letzte Wort haben. Allerdings haben die Fraktionen ihre Forderung ausdrücklich mit dem Zusatz "nach vorheriger kurzfristiger Prüfung etwaiger haftungsrechtlicher Risiken" garniert, und nun muss die Stadt im Gespräch mit den Verbänden, dem Land und den diversen Vertragspartnern, mit denen man im Geschäft ist, klären, was eine Verlegung und was der vollständige Rückzug aus dem Projekt kosten könnte. Wo Leistungen erbracht wurden, da, so Mall, kommt die Stadt ums Zahlen ganz bestimmt nicht herum – wo die Leistungen noch ausstehen, da gilt es zu prüfen, wie teuer das Storno wäre.

Wie die Stadt in diesen Verhandlungen auftreten wird, dazu mochte sich Mall gestern nicht äußern. Indes dürfte klar sein: Wenn die Absage am Ende genauso teuer ist wie die WM, dann müssen die Gemeinderäte ihre Position vielleicht noch einmal überdenken. Eine besondere Rolle wird dabei die erste Steuerschätzung für 2020 spielen – die Stadt will sie im Mai präsentieren.

So oder so – ungestreift wird Albstadt aus der Sache nicht herauskommen. Stephan Salscheider, Chef des Sportpromoters Skyder und federführend an der WM-Organisation beteiligt, verweist – bei allem Verständnis für die Position der Räte – auf den immateriellen Schaden, den ein radikaler Verzicht auf die Rolle der MTB-Hochburg bedeuten könnte: "Wir würden viel zerstören, was wir in Jahren mühsam aufgebaut haben – und nicht nur im Bereich des Spitzensports. Auch unser Renommee in Sachen Outdoor-Tourismus und Breitenradsport wäre mächtig angekratzt."