Wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel: Das Land muss auf Druck des Bundeskartellamts die Forst-Spielregeln ändern – und Anton Reger hat schon fertige Pläne parat. Archiv-Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Stadt Albstadt kommt dem Eingreifen des Bundeskartellamts auf Landesebene zuvor

Von Karina Eyrich

 

Albstadt. Selten kam eine Entscheidung des Gemeinderats so exakt zum richtigen Zeitpunkt, wie jene über die Einrichtung einer Wirtschaftsverwaltung mit Holzverkauf. Was sich so sperrig anhört, war ein echter Coup des Ersten Bürgermeisters Anton Reger.

Donnerstag, 16.02 Uhr: Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz versendet eine Pressemitteilung, die eine Klage des Landes Baden-Württemberg gegen das Bundeskartellamt ankündigt. Denn das fordert vom Land, einen Großteil der forstlichen Dienstleistungen für nichtstaatliche Waldbesitzer einzustellen – also auch für Kommunen und Privatwaldbesitzer.

Donnerstag, 17 Uhr: Im Rathaus Albstadt beginnt eine Gemeinderatssitzung, in welcher der Erste Bürgermeister Anton Reger einen Beschlussvorschlag präsentiert, der im Wortsinn topaktuell ist: "Die Wirtschaftsverwaltung mit Holzverkauf wird zum 1. Oktober bei der Stadtkämmerei, Abteilung Liegenschaften, eingerichtet", heißt es da. "Die Leitung der Wirtschaftsverwaltung wird mit einer Stelle des gehobenen Forstdienstes besetzt."

Reger stellt dazu die Details vor, und die haben es in sich: Laut Beschluss des Bundeskartellamts vom 9. Juli darf das Land für Gemeinden und Privatwaldbesitzer mit mehr als 1000 Hektar Waldfläche kein Holz mehr verkaufen oder fakturieren, und zwar schon ab 1. Januar 2016. Ab 1. Juli 2017 müssen solche Waldbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche auch den forstlichen Revierdienst und die forsttechnische Betriebsleitung selbst übernehmen, also ein eigenes Forstamt einrichten.

Unter diese Betriebsleitung fallen fast alle Tätigkeiten, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes wichtig sind: Planung, Vorbereitung, Leitung und Überwachung sämtlicher Forstbetriebsarbeiten – vom Auszeichnen der zu fällenden Bäume über das Pflanzen neuer bis hin zu Maßnahmen zum Schutz des Waldes.

Was Reger da per Projektor an die Wand wirft, ist – sollte die Klage des Landes gegen das Bundeskartellamt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf scheitern – nicht weniger als eine Revolution in der Waldwirtschaft: eine, die nach Ansicht von Experten nicht gerade zum Nutzen des Waldes wäre, wie Klaus Richert, Leiter des Forstamtes Albstadt, dem Schwarzwälder Boten im April für einen Hintergrundbericht dargelegt hatte. Sollte das Kartellamt nämlich mit seinen Forderungen durchkommen, könnten am Ende sogar Privatfirmen zum Zuge kommen und das wirtschaftlichste – in der Regel das billigste – Angebot das Kriterium für die Vergabe forstlicher Tätigkeiten werden.

Anton Reger, der schon lange geahnt hatte, welche Entwicklung sich abzeichnet, will einen Qualitätsverlust bei der nachhaltigen Waldwirtschaft allerdings unbedingt verhindern und hat mit seinem Beschlussvorschlag am Donnerstag den ersten, wichtigen Schritt gemacht. "Unser Ziel ist es, die Sache in die eigene Hand zu nehmen", betonte er. "Wir gehen den Weg der Rechtssicherheit und holen den Forst zurück, um verlässliche Strukturen im Wald zu erhalten. Oberbürgermeister Klaus Konzelmann ist zudem bereits dabei, Koalitionen mit den Umlandgemeinden zu schmieden, zumal eine enge Zusammenarbeit, wie sie bisher unter dem Dach des staatlichen Forstamtes Albstadt stattfindet, auch auf kommunaler Ebene sinnvoll sei, wie er betont.

Dass die Zustimmung der Gemeinderäte zur Einrichtung der Wirtschaftsverwaltung mit Holzverkauf trotz der jährlichen Personalkosten in Höhe von 80 000 Euro – die Stelle wird in Besoldungsgruppe A12 ausgeschrieben – ebenso einhellig ausfiel wie der verbale Beifall für Regers Weitsicht: selbstredend.

u Kommentar

Von Karina Eyrich

Potz Blitz! Dieses exakte Timing muss dem Ersten Bürgermeister Anton Reger erst einmal einer nachmachen. Kaum wird bekannt, dass das Land und das Bundeskartellamt in Sachen Waldbewirtschaftung einfach nicht zusammenkommen, präsentiert Reger eine Alternative, die sich ohnehin als die beste Lösung erweisen könnte: Je tiefer die Ebene, auf der die forstlichen Belange angesiedelt sind, desto besser hat die Stadt Albstadt als drittgrößter kommunaler Waldbesitzer Baden-Württembergs die Kontrolle darüber, was in ihrem Wald geschieht. Dass sie das größte Interesse daran hat, dass dieser weiterhin nachhaltig bewirtschaftet wird, ist ohnehin klar. Was wird aus den Mitarbeitern des staatlichen Forstamtes, wenn von dort Aufgaben abgezogen werden? Sie dürften bei der Stadt höchst willkommen sein – denn sie machen ihren Job ebenso gut wie Anton Reger.