Zu jedem Stück im Heimatmuseum kennt Ernst Koch die Geschichte. Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Wiederbegründer und langjähriger Kurator des Ebinger Heimatmuseums feiert am Dienstag 90. Geburtstag

Albstadt-Ebingen. Ernst Koch als Ebingens lebendiges Geschichtsbuch zu bezeichnen, wäre reine Untertreibung: Der langjährige Kurator des Heimatmuseums ist ein Lexikon. Mit Goldrand. Am heutigen Dienstag wird er 90 Jahre alt.

Dabei war Ernst Kochs Weg zum profilierten Heimathistoriker und Wiederbegründer des Ebinger Heimatmuseums nicht vorgezeichnet: Am 9. Oktober 1928 als Sohn von Eugen und Emilie Koch in Ebingen geboren, wo er als zweitältester von sieben Geschwistern aufwuchs und die "Horst-Wessel-Schule" in der heutigen Schlossberg-Realschule besuchte, führte ihn sein Weg zunächst zu Groz-Beckert in die Lehre und nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Bau.

1944 war er als fast 16-Jähriger noch zur Flugabwehr auf den Flugplätzen Leipheim und Klosterlechfeld eingezogen worden und erlitt am 29. April 1945, als er und seine Kameraden den Amerikanern ins Netz gingen, einen Oberarm- und einen Brustdurchschuss – ein Notizbuch in der Brusttasche hatte eine Kugel abgelenkt und ihm vermutlich das Leben gerettet.

Nach seiner Genesung im Lazarett in Bad Mergentheim musste Koch in einem Sammellager bei Heilbronn von Frühjahr bis Herbst 1945 unter freiem Himmel übernachten: "Ein Landser aus Ebingen hat mir sein Erdloch überlassen", erinnert er sich. Im Herbst nach Tübingen verlegt, fuhr er auf dem Lastwagen eines Ebinger Gemüsehändlers schließlich mit nach Hause, wo ein französischer Soldat sein Bett im Elternhaus in der Hartmannstraße besetzt hatte – "aber am anderen Tag war er weg", schmunzelt Koch.

Arbeit fand er auf dem Bau, zunächst im Auftrag der Franzosen, später bei heimischen Firmen, und lernte Anfang der 1950er-Jahre Gertrud Moser beim Tanzen kennen, die er 1953 heiratete und die ihm zwei Kinder schenkte: Sohn Horst wurde 1953 geboren, seine Schwester Claudia 1956.

In der Schillerstraße wurde die Familie in einer Eigentumswohnung heimisch, und Koch begann bei der Spedition Hamacher zu arbeiten, für die er als Fernfahrer 35 Jahre lang unterwegs war. "Unfallfrei!" Darauf legt er Wert.

Den größten Teil seiner Freizeit widmete Ernst Koch jedoch schon bald er Geschichte seiner Heimatstadt, wurde zum Synonym für das Ebinger Heimatmuseum, das Hauptlehrer Paul Eith 1926 gegründet hatte und dessen Hauptbestände beim Bombenangriff 1944 teilweise vernichtet wurden. Was noch übrig war, war im Dachgeschoss des Rathauses ausgestellt, und schon 1976 setzte sich Koch in einem Zeitungsartikel dafür ein, das Heimatmuseum wieder aufzubauen.

Ernst Koch musste dicke Bretter bohren

Als die neu gegründete Stadt Albstadt 1975 die Räume im Rathaus als Sitzungssaal brauchte, verschwanden die Bestände in Kisten, die mal da, mal dort lagerten. Doch Koch bohrte weiter dicke Bretter, mahnte die Stadtgründer in mehreren Zeitungsartikeln 1991, sich ihrer Verantwortung für die Bewahrung der Geschichte bewusst zu werden, fand Gehör beim damaligen Oberbürgermeister Hans-Martin Haller und verhindete so, dass die Bestände in andere Stadtteile wanderten.

Dass das Heimatmuseum 1992 im Vereinsheim des Schwäbischen Albvereins Ebingen im Spitalhof, das einst Pfarrhaus, später Schulhaus gewesen war, wiedereröffnet wurde, ist zuallererst Ernst Koch zu verdanken. Dass er dessen Kurator wurde, war nur folgerichtig, zumal Geschichte schon in der Schule "sein Leibfach" war, wie in einem seiner Zeugnisse steht. Eine Fortsetzungsgeschichte im Schwarzwälder Boten, "Die Chronik des Bleichers Jerg", eines Ebingers, hatte sein Herz für Geschichte entflammt, und "Der Wetterbanner" des Stadtchronisten Hummel, ein Heimatbuch, "hatte ich praktisch unterm Kopfkissen liegen", sagt er.

"Nicht nur Freunde" habe er sich gemacht, erinnert sich Koch, denn die Räume im Spitalhof waren begehrt.

Im Lauf der Zeit gelang es Koch, zahlreiche Exponate zusammenzusammeln, darunter herrliches altes Spielzeug, oft aus Nachlässen und Schenkungen, Mobiliar und natürlich Dampfmaschinen, für die er ein besonderes Faible hat. Dass die Industrialisierung des Talgangs von Ebingen ausging, wo Friedrich Haux die erste Stromversorgung aufbaute und Industriepionier Johannes Mauthe, der "Löwenmauthe", 1834 die erste Dampfmaschine im Königreich Württemberg, 1836 den ersten Rundstuhl in Ebingen aufgestellt hatte – darauf legt Ernst Koch Wert. "Dies war der Beginn der Trikotagenindustrie", betont er ausdrücklich. Einem Bild des Löwenmauthe "bin ich jahrelang hinterhergesprungen", berichtet er lachend. Heute hat es seinen Platz im Heimatmuseum, wo Koch lange Zeit immer dann, wenn er da war, eine Fahne hinaus hängte, damit Besucher wussten, dass sie kommen können.

Und wie oft war er da: "An einem Heiligen Abend sind wir erst um 19 Uhr heimgegangen", erinnert sich seine Tochter Claudia Kaufmann, und auch Gertrud Koch hat ihrem Mann oft geholfen.

Zum 90. Geburtstag, den er mit seiner Familie – darunter zwei Enkel und fünf Urenkel – feiert, wünscht sich Koch deshalb nichts sehnlicher als eine neue Heimat für das Heimatmuseum im ehemaligen Kameralamt in der Gründgrabenstraße 64, das der Stadt gehört und seit Jahren vor sich hin rottet. "Wenn das hergerichtet wäre, wäre es ein wunderbares Haus", ist Koch überzeugt, und es ärgert ihn gewaltig, wie in Ebingen mit geschichtsträchtigen Gebäuden umgegangen werde: "Die Villa Maag so verwahrlosen zu lassen, ist eine Granaten-Sauerei", hatte er einem früheren Oberbürgermeister einst gesagt – und zu hören bekommen: "Herr Koch, das Haus gehört doch nicht Ihnen." Wie egal ihre Geschichte manchen Verantwortlichen und Stadträten sei – darüber ist der sonst so charmante und oft spitzbübisch-verschmitzte Heimathistoriker bitter enttäuscht.

Am Gänglesmetzger floss das Wasser vorbei

Auch wenn seine Gesundheit Besuche im Heimatmuseum inzwischen schwer machen: Sein überreiches Wissen über Ebingen ist präsent, und Ernst Koch könnte noch vieles erzählen: Etwa darüber, wie er Fritz Fuss bearbeitet hatte, in der Nähe seiner Firma im Gebiet "Bildstock" einen solchen aufzustellen, und darüber, dass in der Oberen Vorstadt, wo jetzt ein künstlicher Bachlauf fließt, einst gar kein Bach gewesen, sondern das Wasser vom Bühl, am "Gänglesmetzger" vorbei, vom Ziegelplatz her geflossen sei. Nein – in Sachen Ebinger Heimatgeschichte macht dem Jubilar keiner etwas vor.