Am Fuß der Bitzer Steige (rechts) trafen am 24. April 1945 die ersten französischen Panzergrenadiere ein.Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Kriegsende: Vor 75 Jahren marschierten die Franzosen in Ebingen, dem Talgang und im Oberen Eyachtal ein

Am 24. April 1945 endete mit der Ankunft der Franzosen der Krieg in Ebingen, im Talgang und im Oberen Eyachtal. Die Übergabe erfolgte überall kampflos; indes begleiteten örtlich Plünderungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen den Einmarsch.

Albstadt. Auf den Ebinger Straßen war es am Morgen ruhig; seit 11 Uhr war Luftalarm, und die meisten Ebinger saßen in den Luftschutzräumen oder in den Kellern ihrer Häuser und warteten auf die Franzosen. Die letzten deutschen Soldaten, Angehörige eines Panzerjägerersatzausbildungsregiments, hatten in der Nacht die Stadt verlassen; dafür befanden sich viele französische Kriegsgefangene, die Zwangsarbeit in der Industrie verrichteten, in Ebingen, und die schienen gut informiert zu sein: Ein französischer Offizier mit Namen Schmitt, im Zivilleben Hochschulprofessor in Paris, meldete sich bei dem ihm bekannten Buchhändler Karl Stauß und forderte ihn auf, sich um 13.30 Uhr am Fuße der Bitzer Steige einzufinden – zum Empfang der französischen Truppen.

Kurz nach 14 Uhr traf, von Gammertingen kommend, ein erstes Kommando Panzergrenadiere an der Mündung der Bitzer Steige in die Untere Vorstadt ein; der Leutnant, der es anführte, ließ sich von Stauß zum Polizeirevier in der Marktstraße bringen, wo seine Leute ohne große Umstände das Haus besetzten und anwesende Gendarmen entwaffneten.

Nächste Station war das Rathaus auf der anderen Straßenseite. Bürgermeister Eugen Rilling, den die Nazis erst im Vorjahr eingesetzt hatten, wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass die Stadt bereits übergeben sei, und aufgefordert, vorläufig weiter seines Amtes zu walten – wohlgemerkt nicht für lange; wenige Tage später, am 1. Mai, schickten die Franzosen ihn heim und setzten Emil Hayer, der den Nazis nicht genehm gewesen und deshalb im April 1944 abgesetzt worden war, wieder in sein früheres Amt ein.

Gegen 15 Uhr wurde Karl Stauß zum Zivilkommissar der Stadt Ebingen ernannt und auf dem Rathausturm die weiße Flagge gehisst. Sodann wurden die Verwaltungsangestellten ins Rathaus zitiert und aufgefordert, sich wieder an ihre Arbeit zu machen. Damit war die Besetzung der Stadt vollzogen.

Bereits Stunden zuvor hatte sich eine Episode zugetragen, über der ehemalige Polizeiobermeister Martin Wicker erst 30 Jahre später dem damaligen Stadtarchivar Walter Stettner berichtete. Zwischen Ebingen und Lautlingen war eine Panzersperre als Hauptverteidigungslinie aufgebaut worden, da man die Franzosen von Westen erwartete. Wicker gab an, er sei um 2.30 Uhr in der Frühe zu dieser Panzersperre gegangen und habe die Volkssturmleute, die sie besetzten, aufgefordert, sich nicht auf einen aussichtslosen Kampf einzulassen, sondern die Sperre zu räumen.

Ein Volkssturmmann habe ihn darauf angegriffen und als Landesverräter beschimpft, und der Führer des Trupps habe ihm mit dem Standgericht gedroht – doch wenig später hätten rund 50 Männer die Sperre verlassen, und er selbst sei in den Morgenstunden erneut mit mehreren Begleitern zurückgekommen und haben die Sperre abgeräumt.

Gottlob Hummel sah das ganz anders

Dem widerspricht die Darstellung Gottlob Hummels, der zufolge es Ortsgruppenleiter Jakob Rieber war, der die Panzersperre räumen ließ. Max Gühring wiederum, der Leiter des Ebinger Volkssturms, erklärte später im Rahmen seines Spruchkammerverfahrens, er habe zwar den Befehl zur Verteidigung der Sperre erhalten, ihn aber ignoriert und selbst seine Leute nach Hause geschickt. Wer immer nun die Stadt vor sinnlosem Blutvergießen bewahrt hat – es wird sich nicht mehr klären lassen.

Tailfingens stellvertretende Bürgermeister Robert Ammann, der seit der Einberufung von Schultes Eugen Maurer die Geschicke der Stadt leitete, war zwar überzeugter Nationalsozialist, neigte aber doch zur kampflosen Übergabe und wurde darin durch den Atomforscher Otto Hahn bestärkt, der seit Frühjahr 1944 mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in der Stadt wohnte und wirkte. Dennoch wurde die Situation dramatisch: Am 24. April tauchten versprengte deutsche Soldaten auf und verlangten, dass der Volkssturm die Panzersperre schließen solle.

Die Nachricht von der Ankunft des deutschen Militärs verbreitete sich wie ein Lauffeuer; nicht nur die französischen Kriegsgefangenen, deren Wachpersonal bereits abgezogen war, sondern auch die Tailfinger selbst gerieten in helle Aufregung. In den Betrieben formierte sich Widerstand; viele Frauen begaben sich zu den Panzersperren am nördlichen Ortsausgang, begannen, die Sperren zu zersägen, und ließen sich davon weder durch fanatisierte Hitlerjungen noch durch Soldaten oder mit vorgehaltener Pistole drohenden Parteigenossen abhalten. Die wagten dann doch nicht zu schießen, und so waren kurz nach 12 Uhr alle Sperren geöffnet.

Zeitgleich bedrängte Otto Hahn Robert Ammann, an seinem Entschluss festzuhalten, und in der Tat widersetzte sich Ammann den erregten deutschen Offizieren, die weiterkämpfen wolten. Da es klar war, dass die Franzosen jeden Augenblick einmarschieren könnten, verschwand die Wehrmachtseinheit schließlich in Richtung Neuweiler.

Gegen 16 Uhr wurde Wilhelm Schöller, Kontaktmann der Kriegsgefangen, in deren Lager und darüber informiert, dass sich Ebingen seit 14 Uhr in französischer Hand befand. Die Gefangenen verlangten, dass die französische Flagge auf einer der Baracken gehisst wurde; "Tun Sie das", erwiderte Schöller, der noch nicht wusste, dass die Wehrmacht abgezogen war und sich deshalb für einen toten Mann hielt. Das war er nicht: Gegen 17.30 Uhr begaben er und der Vertrauensmann der Kriegsgefangenen sich ins Rathaus, überredeten Ammann zur Übergabe und fuhren darauf nach Ebingen, um die Sache "amtlich" zu machen.

Über den Befehl wurde heftig gestritten

Auch in Onstmettingen befand sich am nordwestlichen Ortsende Richtung Thanheim eine Panzersperre, und es wurde heftig über den Befehl gestritten, die Sperren bis zum Letzten zu verteidigen. Auch dort waren es tatkräftige Frauen, die, mit Äxten und Sägen bewaffnet, am 24. April die Sperre öffneten. Aus den Fenstern einiger Häuser wurden weiße Fahnen gehängt.

Wider Erwarten trafen die Franzosen dann nicht über die Straße, sondern über das nördlich gelegene Gelände Lauen und Stocken ein – bei ihrem Einmarsch kam es zu gewaltsamen Übergriffen, besonders gegenüber den Frauen, ein ortsfremder deutscher Soldat, der sich von seiner Einheit entfernt hatte, wurde erschossen, doch insgesamt blieb Onstmettingen von direkten Kriegseinwirkungen verschont.

Die Eyachtalgemeinden wurden von Pfeffingen aus besetzt. Als die französischen Soldaten in Margrethausen eintrafen, schlossen sich ihnen die französischen Zwangsarbeiter des Margretwerks an und hissten auf dem Rathaus die Trikolore. Der Bevölkerung, die die Nacht zu einem großen Teil im Wald verbracht hatte, wurde angedroht, 60 bis 120 Einwohner standrechtlich zu erschießen, sollten Anschläge und Sabotageakte verübt werden. Es blieb glücklicherweise bei der Drohung.

In Lautlingen verhinderten couragierte Bürger den Versuch von deutschen Soldaten, das Bahnviadukt zu sprengen, und sorgten dafür, dass die Verteidigungsanlagen im Westen bei der Ankunft der Franzosen nicht mehr bemannt waren. Man schickte ihnen einen Kriegsgefangenen als Parlamentär entgegen und blieb so von direkten Kriegshandlungen verschont.

Allerdings kam es in der Folge zu zahlreichen Vergewaltigungen; ein Lautlinger, der einer Frau helfen wollte, wurde erschossen. Um die Frauen und Mädchen zu schützen, nahm Gräfin Caroline von Stauffenberg über 600 Menschen im Schloss auf; zudem setzten sich die französischen Kriegsgefangenen bei den Kommandostellen für die Lautlinger ein.

Laufen war am 22. Februar 1945 bombardiert worden; im Ort herrschte große Wohnungsnot, Schutzräume gab es kaum. Auch dort wurde heftig über die Errichtung von Panzersperren gestritten, und auch dort übernahmen nach der kampflosen Einnahme des Orts die französischen Kriegsgefangenen, die in der Pappenfabrik arbeiteten, die Regie: Sie errichteten kurzerhand eine Kommandantur im Ort, was einen gewissen Schutz vor Übergriffen der Soldaten bedeutete.