Eine Portion Weltkirche bringt Hans-Joachim Fogl mit nach Albstadt, wenn er am Sonntag als Pfarrer der Seelsorgeeinheit Talgang eingesetzt wird. Foto: Eyrich

Als neuer Pfarrer von St. Elisabeth in Tailfingen bringt Hans-Joachim Fogl ungewöhnliche und reiche Erfahrungen mit.

Albstadt-Tailfingen - Eine Portion Weltkirche bringt Hans-Joachim Fogl mit nach Albstadt, wenn er am Sonntag als Pfarrer der Seelsorgeeinheit Talgang eingesetzt wird. Was er in 15 Jahren in Südostasien erlebt hat, verrät der sympathische Seelsorger im Exklusiv-Interview.

Pfarrer Hans-Joachim Fogl bringt aus drei Jahren in Rom und weiteren 15 in Südostasien Erfahrungen mit, die ihn auch als Menschen geprägt haben. Im Interview vor seiner Investitur am Sonntag, 21. Juni, in Tailfingen erzählt er von lebendiger Kirche in der Diaspora, Weihnachten bei 32 Grad und der Umstellung auf die kühle Alb.

Sie sind nach 18 Jahren in Rom und Singapur zurück in Baden-Württemberg, nun in Albstadt, wo es immer "einen Kittel kälter" ist. War das nicht ein Temperaturschock?

Am Anfang ganz sicher. Aber ich habe schon einmal einen Temperaturschock gut überstanden. Konstante 32 bis 34 Grad sind für mich inzwischen normal. Wenn es in der Regenzeit mal auf 23 Grad herunterkühlte, holte ich schon mal einen Pullover aus dem Schrank. Den braucht man allerdings auch in den auf 19 Grad heruntergekühlten Einkaufszentren, Kinos und Restaurants. Ich werde künftig wohl wieder mehr warme Sachen im Schrank haben – und nach wie vor heißen Tee trinken. Aber ich werde mich sicher an die Temperaturen gewöhnen – schließlich habe ich mich nach Albstadt gewünscht.

Was hat Sie bewogen, in die Heimat zurückzukommen?

Nach 18 Jahren im Ausland ist es gut, wieder "heim" zu kommen. Der Meinung war auch unser Bischof, der mich für meine Aufgabe für das Katholische Auslandssekretariat freigestellt hatte. Trotz der großen Distanz hatte ich immer einen guten und engen Kontakt zu meiner Familie. Als im Sommer 2018 mein Vater plötzlich starb, wurde mir klar, dass es für mich Zeit ist, loszulassen, mich auf Neues einzulassen. Nun freue ich mich, meiner Familie wieder näher zu sein und Freundschaften, die über all die Jahre gehalten haben, wieder zu intensivieren. Nach 18 Jahren tut ein Wechsel mit all seinen Herausforderungen gut.

Was haben Sie im Ausland am meisten an Baden-Württemberg vermisst?

Die Jahreszeiten, Schnee, gutes Brot, Brezeln und Maultaschen. Die Gemeindemitglieder in Singapur kommen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol, aus Baden-Württemberg und auch aus dem Zollernalbkreis – ein Gemenge von Traditionen und Dialekten. Das gilt auch für die Gemeinden in Malaysia und für Ho-Chi-Minh-Stadt. Baden-Württemberg ist mit Firmen gut vertreten – ein Stück Heimat in der Ferne. Mein Schwäbisch musste ich weder verstecken, noch vernachlässigen.

Was vermissen Sie an Südostasien am meisten?

Das warme und beständige Wetter, die Vielfalt der Ethnien und Religionen, und deren – vor allem in Singapur – harmonisches, tolerantes, geordnetes und geregeltes Miteinander. Die Küchen mit ihren Gerichten und Gerüchen, das Sprachengewirr – in Singapur gibt es vier offizielle Sprachen – mit der Erfahrung, dass ein Lächeln oft genügt – auch wenn man sich in Englisch gut verständigen kann.

Vom Zentrum der katholischen Welt in Rom nach Singapur – das muss damals ein Kulturschock für Sie gewesen sein. Wie hat sich Ihre Arbeit in Rom von der in Asien unterschieden?

Die Arbeit war im Grunde dieselbe: Gemeindearbeit und Schule. Wobei die Gemeinde in Rom feste Strukturen kannte. Es gab eine Gemeindesekretärin, Zivildienstleistende, eine eigene Kirche, ein eigenes Gemeindezentrum und eine Pfarrerswohnung. In Singapur gab es nichts dergleichen. Die Gemeinde hat keinen offiziellen Rechtsstatus. Ein Haus als Pfarrwohnung, das als Gemeindezentrum dient, und die Gottesdienstkapelle sind angemietet. In Singapur musste ich dreimal umziehen, weil Mietverträge zeitlich begrenzt sind. Rom und Singapur sind dermaßen unterschiedlich und fast in keinem Punkt vergleichbar. Beide haben ihren eigenen Charme und Reiz. Ich habe Rom zwar in Gedanken und im Herzen mit nach Singapur genommen – aber nie miteinander verglichen. So sehe ich es auch mit dem "Kulturschock" von Singapur nach Albstadt. Es ist eine Umstellung und ich werde eine Weile brauchen, um mich einzugewöhnen. Aber auch Singapur, Kuala Lumpur, Ho-Chi-Minh-Stadt und Albstadt sind schwer vergleichbar. Ich lasse mich nicht schocken und freue mich auf die Herausforderung. Denn es geht um die Menschen, ganz egal wo und wie sie leben.

Singapur ist eine der reichsten, saubersten und teuersten Städte der Welt. Gibt es dort auch arme Menschen, oder ist es eine "Insel der Seligen"?

Singapur ist sicher keine Insel der Seligen. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist sehr groß. Es gibt vergleichsweise viele Multimillionäre, aber auch arme Menschen, allerdings keine Bettler. Der Staat bietet den Bürgern Sozialwohnungen, die sie finanzieren können, zum Kauf an. Das Gesundheitssystem ist staatlich – jeder Bürger wird versorgt. Daneben gibt es unendlich viele Privatkliniken für Ausländer und reiche Singapurer. Die Kosten dort sind immens. Reiche kaufen oder bauen schon mal ein Haus für einen zweistelligen Millionenbetrag. Entsprechend stehen Limousinen und Sportwagen im Fuhrpark. Damit das Miteinander funktioniert, gibt es unzählige Regelungen, Gesetze und Strafen. Ausspucken geht nicht, einfach über die Straße gehen geht nicht, Kaugummi gibt es nur auf Rezept, ihn einführen ist verboten. Das geht oft bis in private und persönliche Bereiche. Die Strafmaße sind oft sehr hoch. In Singapur gibt es auch noch die Todesstrafe. "Arme" Deutsche gibt es in Singapur nicht. Wer seine Arbeit verliert, wird aufgefordert, zu gehen. Da Firmen Interesse haben, ihre Mitarbeiter nach Singapur zu bringen oder dort zu halten, fallen die Gehälter der aus Deutschland entsandten Mitarbeiter entsprechend aus, und es werden zusätzlich die Mieten, das Auto, die Schulgebühr, eine Clubmitgliedschaft und der regelmäßige Heimflug für die Familie bezahlt. Es gibt aber auch nicht wenige Deutsche mit einem lokalen Vertrag, der weit weniger Privilegien beinhaltet.

Weihnachten in der Nähe des Äquators, Heilig Abend bei Hitze – haben Sie sich daran gewöhnen können? Wie sieht so eine Weihnachtskrippe dort aus? Wie dekorieren die Menschen dort ihr Zuhause? Was isst man zu Weihnachten und im Advent?

Alles wie bei uns. Krippe, Christbäume, Einkaufsrummel. Advent und Weihnachten bedeutet: absoluter Kaufrausch. Die Hauptgeschäftsstraße "Orchard Road" und die Supermärkte sind geschmückt – oft mit aufwendigen Christbäumen. Weihnachtslieder lullen einen meist schon ab Mitte Oktober ein. Nichtchristliche Nachbarn kaufen und schmücken Christbäume, weil’s so schön ist. Immerhin kostet eine Tanne zwischen 100 und 300 Euro. Viele Gemeindemitglieder fliegen zu Weihnachten heim oder in den Urlaub. Und wie in Deutschland besuchen nicht wenige den Weihnachtsgottesdienst. An Heiligabend gibt es nachmittags die ökumenische Feier mit Krippenspiel, dann die Christmette und am Weihnachtstag das Hochamt. Zuhause wird gefeiert wie daheim in Deutschland – allerdings in Sommerkleidung und bei 32 Grad.

Das Thema religiöse Bildung muss sich doch in asiatischen Ländern völlig anders darstellen als im christlich geprägten Europa. Was waren die größten Schwierigkeiten bei Ihrer dortigen Bildungsarbeit? Hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?

In der deutschsprachigen Gemeinde läuft alles wie in Deutschland. Das Angebot ist nicht so weit gefächert. Deutschsprachige Priester aus den "Nachbargemeinden" brauchen in Singapur für Gottesdienste und Vorträge eine Arbeitsgenehmigung, die nicht immer leicht erteilt wird. Referenten aus Deutschland einzuladen geht deshalb nicht. So bleibt alles beim Pfarrer und den Ehrenamtlichen. In den lokalen Gemeinden ist alles klar strukturiert und geregelt: Sonntagsschule für die Kinder – zur Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung jeweils drei Jahre –, Glaubenskurse für Erwachsene: Alle sind übervoll, es gibt Wartelisten. Dass wir Erstkommunion- und Firmvorbereitung nur in einem Jahr machen, ist für dortige Katholiken oft unverständlich.

Christen gehören weltweit zu den am meisten verfolgten Religionsgemeinschaften – auch in Ihrem bisherigen Einsatzgebiet?

Für Singapur kann ich das ausschließen. Dort ist alles von staatlicher Seite reguliert. Jedem der sieben vertretenen und anerkannten Religionen stehen zwei Feiertage zu – für uns: Karfreitag und Weihnachten. Wer öffentlich schlecht über andere Religionen redet, muss mit staatlichen Sanktionen rechnen. Das Wichtigste ist religiöse und ethnische Harmonie. In Malaysia und Vietnam sieht das anders aus. Zwar gilt auch dort Religionsfreiheit – auch auf dem Papier –, aber Christen werden beobachtet und auch sanktioniert. In Malaysia sind sie quasi Bürger zweiter Ordnung. "Malayen" sind Muslime durch Geburt, "Malaysier" alle anderen: Chinesen, Inder, alle Nicht-Muslime. Der Erzbischof von Kuala Lumpur rät: Kein ausländischer Priester soll "erkenntlich" einreisen. Das bringt nur Fragen und Ärger am Zoll. Ich habe, wenn ich gefragt wurde, Freunde besucht. Ein großer Streitpunkt ist der Gottesname, den Muslime für sich beanspruchen, der in der malayischen Sprache aber gleich lautet. Christen dürfen ihn in ihren Gebeten und Publikationen nicht nennen – und mussten eine "Alternative" suchen. Bibeln dürfen nicht gedruckt werden. Selbst die Einfuhr von Bibeln aus Indonesien ist mit hohen Auflagen verbunden. Ehen mit Nicht-Muslimen sind nicht gestattet. Vor der Ehe muss der Partner zum Islam konvertieren. Davon sind auch Deutsche betroffen. Manche finden ein Schlupfloch, andere ergeben sich. In Vietnam, vor allem im Süden, gibt es Kirchen – in Ho-Chi-Minh-Stadt unzählige. Wer sich zur Kirche bekennt, hat es aber schwer. Ein Aufstieg im Betrieb oder ein Studium sind erschwert oder unmöglich. Deutsch-vietnamesische Paare dürfen ihren Kindern nur vietnamesische Namen geben. Die deutschsprachige Gemeinde darf zwar Gottesdienste feiern – aber nicht mit Vietnamesen. So feiert die Gemeinde im Pastoralzentrum der Erzdiözese in einem Raum unterm Dach. Auch dort reist der Pfarrer ein und besucht Freunde. Obwohl am Zoll – wie in Malaysia – allen klar war, wozu ich in die jeweiligen Städte kam. Solange ich ruhig blieb, blieben auch sie ruhig. In Vietnam beträgt der Anteil der Katholiken sieben Prozent bei 96 Millionen Einwohnern. Damit hat das Land den viertgrößten katholischen Bevölkerungsanteil Asiens – und er wächst stetig. Die kommunistische Partei duldet keine Opposition oder Kritik, Menschenrechte werden unterdrückt. Offiziell herrscht zwar Religionsfreiheit, doch ihre konkrete Verwirklichung ist der Willkür der Behörden ausgeliefert. Staatliche Repressionen und Verhaftungen von Priestern sind nicht selten. Katholiken gelten als "reaktionär" und "Feinde des Sozialismus". Im Kloster Thu Thiem trotzen die Schwestern noch den staatlichen Stellen, die regelmäßig Strom oder Wasser abstellen und ihnen aufgrund der hohen Bautätigkeit den Zugang abschneiden. Einiges Land haben die Schwestern abgetreten, die Gebäude aber wollen sie halten. Derzeit erhalten sie Unterstützung aus Deutschland von Botschaft und Bundesregierung, die bei regelmäßigen Treffen auch Thu Thiem ansprechen. Der Erzbischof selbst hält sich bedeckt, um andere Gottesdiensträume und Kirchen zu schützen. Zweimal war ich bei einem internationalen Gottesdienst im Pastoralzentrum dabei: Eine große Aula, 2000 Gottesdienstteilnehmer, 20 Priester aus verschiedensten Ländern. Bei der Predigt gingen alle Türen auf und Fotografen machten Bilder. Alle Priester standen auf bis auf mich, machten das "Peace"-Zeichen und setzen sich wieder. Mein Nachbar erklärte mir: "Das machen sie jedes Mal. Und wir stehen jedes Mal auf und zeigen ihnen, dass wir friedlich sind." In Kambodscha spielt das Christentum keine große Rolle. Ein Prozent der 15 Millionen Einwohner sind Christen, 25 000 sind katholisch. Wobei der größte Teil Vietnamesen sind, was die katholische Kirche für die kambodschanische Bevölkerung unattraktiv macht. Das Christentum wird als religiöse Gemeinschaft der Ausländer gesehen. Obwohl in den meisten Ländern – bis auf die Philippinen – das Christentum eine kleine Minderheit ist und oft Verfolgung und Unterdrückung erleidet, wächst die Zahl der Christen.

Welche Erfahrungen bringen Sie mit nach Albstadt, von denen die Christen hier profitieren können?

Einen Hauch von Weltkirche. Kirche in der Minderheit – aber mit überwältigendem Gottesdienstbesuch. Katholisch heißt weltoffen und bedeutet Weite. Kirche lebt in verschiedenen Sprachen, Traditionen und Riten. Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Unsere Probleme und Fragen sind nicht deren Probleme und Fragen. Kirche lebt im Miteinander und Füreinander. Ich habe lokale Familien erlebt, in denen alle katholisch waren, und solche, die nicht nur unterschiedlichen Konfessionen, sondern auch unterschiedlichen Religionen angehörten. Ein Priester etwa hatte eine katholische Mutter, einen buddhistischen Vater, eine presbyterianische Schwester und einen Schwager, der sich als Freidenker bezeichnete. Jeder akzeptiert und toleriert jeden. In den eigenen Gemeinden habe ich erfahren, wie groß der Wunsch nach geistlichen Impulsen und einem Gottesdienst "für alle" ist, in dem sich jeder angesprochen fühlt, Tradition und Moderne sich treffen. Nicht wenige, die sich in Deutschland von der Kirche distanziert hatten oder gar ausgetreten waren, haben sich dort aktiv eingebracht. Gemeinde war ein Stück Heimat, in der man sich kannte und sich gegenseitig unterstützte. Und ich habe erlebt und gelebt, wie wichtig es ist, in der Muttersprache zu beten und den Gottesdienst in der Muttersprache zu feiern.

Worauf freuen Sie sich am meisten in Albstadt?

Auf die Menschen hier. Die, denen ich bisher begegnet bin, gaben mir das schöne Gefühl, willkommen zu sein. Ich freue mich auf ein hauptamtliches Mitarbeiterteam, das ich bisher nicht hatte, und auf all die Menschen, die mit mir Kirche sein wollen und mit denen ich zusammen am Reich Gottes bauen kann. Ich freue mich auf den Albtrauf, auf Wanderungen in schöner, abwechslungsreicher Landschaft und auf die frische Luft. Ich freue mich darauf, endlich wieder Fahrrad fahren zu können, auf frisches Obst und Gemüse, das nicht über tausende Kilometer angekarrt werden muss, sondern nicht weit weg von der eigenen Haustür wächst.

Was mussten Sie als erstes besorgen, als sie wieder in Deutschland waren?

Zuerst ein Auto. Bisher fahre ich noch mit dem alten meines Vaters – bis dass der TÜV uns scheidet. Dann ein Fahrrad. Mit einer warmen Jacke hatte ich mich schon eingedeckt, einige Pullover und warme Schuhe – bisher reichten Sandalen – musste ich ebenfalls noch besorgen.