Bei reichlich Schnee haben die Ebinger die neuen Glocken für die Kapellkirche begrüßt.Foto: Archiv Friederich Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Die Nationalsozialisten forderten 1942 den Abbau aller Glocken

Auf den Tag genau seit 70 Jahre läutet an der Martinskirche und der Kapellkirche wieder volles Glockengeläut. Nachdem die Nationalsozialisten 1942 angeordnet hatten, alle Kirchenglocken abzuliefern, wurden am 5. März 1951 sieben neue Glocken geweiht.

Albstadt-Ebingen. Die Nationalsozialistische Reichsregierung hatte 1942 angeordnet, dass die Glocken aller Kirchen abgeliefert werden müssen. Nur jeweils die kleinste Glocke durfte im Turm verbleiben. Daher wurden im Januar 1942 drei Glocken in der Martinskirche, zwei Glocken in der Kapellkirche und zwei Glocken in der Friedenskirche ausgebaut und abtransportiert.

Schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs regte sich im Kirchengemeinderat der Wunsch, die Glocken zu ersetzen. Obwohl die evangelische Kirchengemeinde mit der Beseitigung der Bombenschäden an Martinskirche, Kapellkirche und Neuem Vereinshaus sowie den Erdbebenschäden an der Friedenskirche alle Hände voll zu tun hatte, wollte man wieder volles Geläute auf allen Kirchtürmen haben. Landauf, landab waren die Kirchengemeinden dabei, ihre einst abgelieferten Glocken zu ersetzen.

Die Beschaffung neuer Glocken war jedoch nur möglich, "wenn der notwendige Dollarbetrag zur Beschaffung von Glockenbronze in Amerika zur Verfügung steht" – so ist es im Kirchengemeinderats-Protokoll der Sitzung vom 12. Februar 1947 nachzulesen. Also wandte man sich an die nach Amerika ausgewanderten Ebinger – ohne Erfolg: Von dort hieß es, "dass alle für Spenden nach Deutschland in Frage kommenden Amerikaner durch die allgemeine Liebestätigkeit voll in Anspruch genommen" seien, so dass mit einem nennenswerten Ertrag für eine Glockensammlung nicht zu rechnen sei.

Dennoch ließen sich die Ebinger von der Glockengießerei Heinrich Kurtz in Stuttgart wenigstens einen Kostenanschlag für neun neue Glocken für die drei evangelischen Kirchen geben: Alles in allem müsse mit einem Aufwand von 27 630 Reichsmark gerechnet werden.

Drei Jahre später, 1950, wurde Glockenausschuss zur Neubeschaffung gebildet; am 16. Februar 1951 wurden in der Glockengießerei Heinrich Kurtz vier neue Glocken für die Martinskirche und drei für die Kapellkirche gegossen. Schon wenige Tage später, am 27. Februar 1951, waren die Gussformen erkaltet.

Große Menschenmenge begrüßt die "Neuen"

Die Firma Groz-Beckert stellte für den Transport einen Lastwagen samt Anhänger zur Verfügung. Als der Transport abends in Ebingen angekommen ist, hatte sich eine große Menschenmenge zum Empfang der neuen Glocken vor der Martinskirche versammelt; Stadtpfarrer Edmund Jahn hielt eine Andacht. Fachleute hievten die Glocken auf vorbereitete Plätze in den Kirchtürmen der Martins- und der Kapellkirche.

In zwei Festgottesdiensten am Sonntag, 4. März 1951, wurden die Glocken geweiht – zunächst am Vormittag in der Martinskirche die 470 Kilogramm schwere Zeitglocke mit dem Ton A‘ und der Inschrift "Meine Zeit steht in Deinen Händen" und die auf den Ton G‘ gestimmte, 660 Kilogramm schwere Ewigkeitsglocke mit der Schrift "Wir haben hier keine bleibende Stadt". Die F’-Glocke ist mit 950 Kilogramm die schwerste. Sie trägt die Umschrift "Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht". Die 320 Kilogramm schwere Christusglocke ist auf den Ton D’ gestimmt; graviert ist das Bibelwort aus dem Matthäusevangelium "Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende".

Das Fest gipfelt im Zusammenspiel

Im Abendgottesdienst in der Kapellkirche geweiht wurden die kleine, gerade einmal 116 Kilogramm schwere Gedächtnisglocke, gestimmt auf den Ton F‘ mit der Inschrift "Sei getreu bis an den Tod", die Reformationsglocke mit dem Ton D‘‘ und dem Schriftband "Gottes Wort bleibt in Ewigkeit", und die C‘‘ Glocke, die Johannesglocke, mit der Schrift "Siehe, das ist Gottes Lamm". Punkt 18 Uhr gipfelten die Festlichkeiten in einem Zusammenläuten der Glocken. Nach neun Jahren ertönte endlich wieder ein volles Geläut.

Einen Monat später zog der Kirchengemeinderat in seiner Sitzung Bilanz: Aus dem Protokoll ist einiges über die Stifter zu erfahren. Es sind die Familien Cleß, Adolf Groz und Pfaffenroth, die Brüder Wilhelm und Johannes Maute sowie der Gründer der Firma Steinkopf und Gußmann, Theodor Steinkopf, zum Gedächtnis. Die D’-Glocke wurde aus Spenden der lokalen Industrie finanziert.

Die Kosten für Glockenmetall, Guss, Montage und Läutewerke betrugen zusammen etwa 48 000 Mark.