Szenisches Kinderkonzert ist gleichzeitig ein Inklusionsprojekt mit Beispielcharakter / Der Eintritt ist "barrierefrei"
Von Karina Eyrich
Albstadt-Ebingen. Kinder und Jugendliche für Bach und seine Musik begeistern? Ute Leins und Steffen Mark Schwarz ist es gelungen: mit ihrem neuen Projekt "Toben, Tosen, Singen, Klingen" wollen sie aber auch Erwachsene verführen.
Ihre Gesichter verraten es: Sie haben Feuer gefangen für Johann Sebastian Bach und seine Musik: die Jugendlichen der Klasse 8b der Schlossberg-Realschule proben für das szenische Kinderkonzert, mit dem sie am Samstag, 19. Oktober, ab 17 Uhr andere Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene begeistern wollen. Gemeinsam mit Schülern der Musik- und Kunstschule Albstadt um Orchesterleiterin Renate Musat, 30 jungen Sängern der Kinderkantorei und 70 Erwachsenen der Kantorei der Martinskirche wollen sie das Gotteshaus ganz erfüllen mit dem Geist des vielleicht größten Genies der Musikgeschichte.
"Bekannte Bach-Ohrwürmer kennen viele Schüler, wissen aber nicht, wer der Komponist ist", weiß Schulleiterin Ute Leins, die als Musiklehrerin im vergangenen Sommer weg wollte von abstrakten Lebensgeschichten und ihren Schülern "die Quelle, welche die Musikgeschichte zentral beeinflusst hat", wirklich nahe bringen. "Im Leben der großen Familie Bach herrscht so viel Remmi-Demmi – das spricht Kinder an", sagt Steffen Mark Schwarz schmunzelnd. Der Martinskantor hat Ute Leins bei seiner Amtseinführung kennengelernt und sofort ihre Offenheit für gemeinsame Projekte gespürt, die helfen sollen, "Musik in dieser Stadt erlebbar zu machen". Gemeinsam haben sie die Idee entwickelt, zu der die Ulmer Münsterpfarrerin Tabea Frey, eine gute Freundin des Kantors, etwas Entscheidendes beigetragen hat: das Libretto, also die Texte.
Wenn Kräfte schwinden geht der Blick zurück
Worum geht’s? Zu Beginn lernen die Zuschauer den alten Bach kennen, dessen Kräfte schwinden, und blicken mit ihm zurück auf sein Leben, treffen den 15-jährigen Bach und den Leipziger Thomaskantor auf der Höhe seiner Schaffenskraft. "Das Kinderkonzert enthält sämtliche Elemente, die in der Kirchenmusik wichtig sind", sagt Schwarz: "Chorgesang, Orgelmusik und Streichorchester."
"Die Schüler waren sofort bereit, Rollen zu übernehmen", freut sich Ute Leins, "obwohl das Theaterspielen für sie etwas komplett Neues war." Schwarz ergänzt: "Die Begeisterung ist auch mit der Entwicklung gewachsen, und die Schüler nehmen sich gegenseitig mit." Dasselbe gelte für die Kinderkantorei, mit der Steffen Mark Schwarz seit Ostern probt.
Seit Schuljahresbeginn geht es nun auch für die Schlossberg-Realschüler ans Eingemachte, an die Sprech-, Gesangs- und Tanzproben.
Für Letztere hat sich Sieglinde Kist, Lehrerin an der Schlossberg-Realschule, eine zauberhafte Choreographie ausgedacht und herrlich barocke, verspielte Gewänder im Fundus entdeckt, die genau dazu passen.
Die durch Entfernung der Bänke frei gewordene Mitte der Martinskirche wird die Spielfläche sein, auf der die meisten der 180 Akteure – wie der Titel es verrät – toben, tosen und singen. Das Klingen spielt sich bei den Musikern auf der Empore ab. So wird die Martinskirche zum Klangraum.
"Musik hat für Kinder und Jugendliche in allen Zeiten eine Rolle gespielt", sagt Steffen Mark Schwarz. "Auch heute, wenn sie mit Liebeskummer nach Hause kommen, hören sie sich ihre Lieblings-Charthits an, und das ist gut so." Gefühle will auch Ute Leins mit ihrem Musikunterricht zum Leben erwecken: "Er soll Freude vermitteln, Emotionen ansprechen", sagt sie. Das Projekt, so Schwarz, solle "erlebbar machen, wie wichtig Bach für die Entwicklung der Musik war."
Darüber hinaus ist es aber noch viel mehr, zum Beispiel ein Weg zur Inklusion, da Menschen zwischen fünf und 85 Jahren von unterschiedlicher Herkunft, Konfession, Milieu und musikalischer Vorbildung gemeinsam agieren. Deshalb freut es die Aktiven besonders, dass Anton Reger – als Erster Bürgermeister Albstadts zuständig für Schulen und Soziales – die Schirmherrschaft übernommen hat.
Damit alle, die das Ereignis unter Steffen Mark Schwarz’ Gesamtleitung erleben wollen, daran teilhaben können, ist der Eintritt frei. Schwarz lächelt: "Sozusagen barrierefrei."