So undurchsichtig wie die Handschuhe, um die es geht, scheint der Betrugsfall vor dem Landgericht zu sein. Foto: Shokry

In die vierte Runde ging am Montag der Prozess gegen ein Albstädter Ehepaar, das laut Anklage 600.000 Packungen Einweghandschuhe verkauft haben soll, die es überhaupt nicht besaß. Es war nicht die letzte – ein Prozessende ist noch nicht in Sicht.

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Albstadt-Tailfingen/Hechingen - Dem 31-jährigen Hauptangeklagten werden mehrere recht unterschiedliche Delikte zur Last gelegt, illegaler Waffen- und Drogenbesitz zum Beispiel, dazu Körperverletzung und die Beteiligung an einem Internetbetrug, bei dem das ergaunerte Geld den Weg über ein Konto der Angeklagten genommen hatte.

Aber davon war an bisher vier Verhandlungstagen immer nur en passant die Rede; der Hauptanklagepunkt ist ein anderer: Der 31-Jährige war an der Vermittlung eines großen Beschaffungsauftrags für die Bundeswehr beteiligt: Es ging um Nitrilhandschuhe, und der Auftrag war millionenschwer.

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Man hätte auch mit legalen Mitteln gut an ihm verdienen können, aber das hätte den Besitz von Ware vorausgesetzt. Die gab es aber nicht. Kassiert wurde trotzdem, und zwar mehr als zwei Millionen Euro Anzahlung.

Vor wem haben die Angeklagten Angst?

Das Missliche am laufenden Prozess, der Grund, warum er seit vier Sitzungstagen auf der Stelle zu treten scheint, ist, dass diejenigen, die wissen müssen, was geschehen ist, sich in Schweigen hüllen: Die beiden Angeklagten haben bisher lediglich Angaben zu ihrer Person, aber nicht zu Sache gemacht, und dafür haben sie laut Versicherung ihres Anwalts ihre Gründe. Die er aber auch nicht öffentlich darlegen mochte. Nur so viel: "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen."

Vor wem haben die Angeklagten so viel Angst? Etwa vor der türkischen Mafia?

Es scheint, so eine mögliche Interpretation, "Große" zu geben, die nicht auf der Anklagebank sitzen und vor denen die Angeklagten womöglich mehr Angst haben müssen als vor der Strenge der deutschen Justiz. Wer? Die türkische Mafia? Man wird es wohl nicht erfahren, denn die Angeklagten wären zwar bereit, sich in der kommenden Woche zu äußern, aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ob ihnen diese Möglichkeit eingeräumt wird, darüber wurde am Montag in einer Verhandlungspause hinter verschlossenen Türen debattiert. Doch dem Vernehmen nach ist die Frage noch nicht geklärt.

Videokamera sah beim Kassieren zu

In anderen sieht man schon etwas klarer. An dem vermeintlichen Geschäft waren offensichtlich viele Händler beteiligt. Nach dem österreichischen Vertragspartner, der vor einer Woche als Zeuge ausgesagt hatte, wurden am Montag zwei Berliner Geschäftsleute angehört, die den Stein vor Jahresfrist ins Rollen gebracht hatten, als sie das Geschäft ergatterten und dann auf der Suche nach einem Lieferanten an den Angeklagten geraten waren. Den sie übrigens im Gerichtssaal zum ersten Mal erblickten: Sie kannten ihn bestenfalls von der Telko, aber nicht von Angesicht zu Angesicht.

Ein weiterer Geschäftspartner in der Türkei war stets gesichtslos geblieben, nie mehr als eine Stimme gewesen, die Sprachnachrichten von sich gab. Das einzige, was wirklich handfest an diesen Geschäftsbeziehungen gewesen sein dürfte, war der Schlusspunkt: Das Geld, das nicht etwa auf ein Treuhandkonto, sondern auf ein türkisches Privatkonto überwiesen worden war, wurde von diesem bar abgehoben.

Übrigens unter dem Auge der Videokamera. Aber auch das bringt in Zeiten von Corona nicht wirklich weiter: Man sieht nur halbe Gesichter auf den Bildern; die promovierte Anthropologin, die am Montag als Sachverständige geladen war, musste sich in Ermangelung von Mund und Kinn an abstehenden Ohren orientieren. Außer ihr wurden noch drei Ermittler vernommen, von denen einer Konten überprüft hatte, ohne dabei auf Millionensummen zu stoßen.

Der Beamte, der die Durchsuchung der Tailfinger Wohnung geleitet hatte, wusste zwar von einer fünfstelligen Barschaft, etwas Marihuana, etlichen Rolex-Uhren und Louis-Vuitton-Täschchen zu berichten – aber die waren, mit einer Ausnahme, gefälscht. Die zwei Millionen bleiben spurlos verschwunden.