Prozess geht weiter. Zeugin erinnert sich: "Bitte, heut’ muss niemand sterben."
Albstadt/Hechingen - Die tödlichen Messerstiche bei einer Streiterei in Albstadt im vergangenen Dezember beschäftigten erneut das Hechinger Landgericht. Am Montag wurden die ersten Zeugen vernommen, die Richter sahen sich außerdem Aufnahmen von Videokameras an, die das Tatgeschehen aufgenommen hatten.
In Kneipe entbrennt der Streit
"Er war ein cooler Typ, gut drauf", sagte der Wirt einer Albstädter Kneipe über den 36-jährigen Mann, der am 15. Dezember 2019 auf dem Ebinger Spitalhof tödliche Messerstiche erlitt. Zuvor war er in der Kneipe mit einem 42-Jährigen aneinandergeraten. Der Streit verlagerte sich nach draußen und eskalierte schließlich.
Videoaufnahmen aus der Gastwirtschaft zeigen, wie der später Getötete mit einer Bekannten an einem Geldspielautomaten sitzt. An der Frau hatte der ihnen unbekannte 42-Jährige wohl Gefallen gefunden, wie die Frau vor Gericht aussagte. Angequatscht habe sie der Fremde, ihr erzählt, dass er im Gefängnis war, weil er "jemanden abgestochen" habe, ihr sein Messer gezeigt. Er habe sie fotografieren wollen, was sie aber nicht wollte, ebenso wenig ihm ihre Telefonnummer geben.
Die Aufnahmen zeigen, wie der betrunkene Mann – die ebenfalls als Zeugin geladene Bedienung erzählt von fünf bis sechs Halben Bier und zehn Schnäpsen – mit den beiden ins Gespräch kommt. Nach einer Weile beginnt er, mit seinem Smartphone Fotos von sich und seinen neuen Bekanntschaften zu machen.
42-Jähriger rastet völlig aus
Das nervt den 36-Jährigen. Mehrfach fordern sie ihn auf, damit aufzuhören. Irgendwann hat der Jüngere die Faxen dicke. Er entreißt dem Störenfried dessen Telefon und pfeffert es gegen die Wand. Die Aufnahmen der Videokamera der Kneipe zeigen, wie der 42-Jährige daraufhin völlig ausrastet. Schließlich wird es dem Wirt zu bunt, und er setzt den Krawallmacher auf die Straße. Zu dem 36-jährigen Stammgast soll er gesagt haben: "Geh raus und kämpf wie ein Mann", wie die Frau vor Gericht unter Tränen aussagte. "Ich hab noch gesagt: Spinnst Du? Der hat ein Messer. Bitte, heut’ muss niemand sterben", berichtete die Zeugin.
Schließlich habe der Wirt den 36-Jährigen durch den Hinterausgang Richtung Spitalhof begleitet. Dort war jedoch bereits der Widersacher im Anmarsch.
Was dann geschah, zeigen die Aufnahmen einer weiteren Videokamera einer Autowerkstatt, die zufällig morgens um drei Uhr den Kampf filmte. Die Aufnahmen sind nicht von bester Qualität, die Männer sind weit weg, obwohl das Landeskriminalamt die Bilder optimiert und herangezoomt hat. Die beiden Männer rasseln sofort aneinander. Auf den ersten Blick hat der 42-Jährige schlechte Karten: Der Jüngere schlägt seinen Kontrahenten zu Boden, versetzt ihm einen Tritt gegen den Kopf, der den 42-Jährigen bewusstlos werden lässt.
Jähes Ende
Als ein Auto mit fünf jungen Menschen, die gerade von einer Geburtstagsparty kommen, mit Lichthupe zu der Szene kommt und die Insassen aussteigen, findet der Kampf ein jähes Ende. Der Jüngere entfernt sich vom Schauplatz. Dass ihn der andere Mann zweimal mit dem Messer in Hüfte und Oberschenkel gestochen und dabei seine Hauptschlagader zerfetzt hat, ist in der Aufnahme nicht zu erkennen. Lediglich, dass er bei seinem Rückzug stark humpelt. Der schwer verletzte Mann schafft es noch bis zum Stadtgraben, wo er zwischen zwei Autos zusammenbricht.
Dort findet ihn die Frau, mit der er zusammen den Abend verbracht hat. "Er war sehr weiß und sehr kalt", erinnert sie sich. Ein Krankenwagen bringt ihn ins Krankenhaus, wo er am nächsten Tag trotz mehrerer Bluttransfusionen stirbt. Den Messerstecher nimmt die Polizei noch am Tatort fest. Vor Gericht schweigt er zu der Tat.
Der Prozess geht am Donnerstag, 18. Juni, um 8.30 Uhr im Hechinger Landgericht weiter.