Für Stephan Heesen und sein Team ist das Arbeitspensum 2018 nicht kleiner geworden. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

SKSS: Psychologische Beratungsstelle zieht Jahresbilanz / Albstadt hat keinen einzigen Psychiater mehr

Das Arbeitspensum nimmt tendenziell zu; dafür ist die Mannschaft etwas größer geworden – Probleme bereitet, dass man ziemlich allein auf weiter Flur steht. So lautet der Tenor der Bilanz, welche die Psychologische Beratungsstelle Albstadt am Donnerstag im Rathaus Albstadt zog.

Albstadt. Wie Beratungsstellenleiter Stephan Heesen den Ausschuss für Soziales, Schule, Kultur und Sport wissen ließ, hat der Zollernalbkreis seinen Jahreszuschuss von 60 000 auf 80 000 Euro erhöht; dadurch war es möglich, die Beraterkapazität um 15 Prozent zu erhöhen: Zwei Kolleginnen treten etwas kürzer; dafür wurde eine 35-Prozent-Stelle für eine dritte geschaffen, die nach einigen Mühen auch besetzt werden konnte. Däumchen dreht trotzdem niemand in der Psychologischen Beratungsstelle, und auch die Wartezeiten werden eher länger als kürzer. Es gibt so viel zu tun.

Migrantenanteil ist von 15 auf 18 Prozent gestiegen

Besonders in der Erziehungsberatung – ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beratungsfälle ist Heesen zufolge 2019 von 32 auf 38 Prozent gestiegen. Kinder und Jugendliche haben es nicht leicht im Leben, auch wenn manche Erwachsenen das gerne glauben wollen: Schulprobleme, Mobbing, elterliche Ehekrise, Freundin weggelaufen – das sind keine Lappalien, sondern reale Ängste oder, wenn der Fall eintritt, veritable Katastrophen im Leben eines jungen Menschen. Nicht selten sind es die Schulen, welche die Eltern an die Psychologische Beratungsstelle verweisen – damit könnte auch der Anstieg des Migrantenanteils von 15 auf fast 18 Prozent zusammenhängen.

Ebenfalls gestiegen ist der Anteil der Albstädter an der Zahl derer, die die Psychologische Beratungsstelle konsultieren, und zwar auf über 70 Prozent. Heesen freut sich zwar darüber, dass die Albstädter das Angebot, das er und seine Kolleginnen machen, annehmen – aber er deutet den Anstieg auch als Symptom eines Problems, das immer drängender wird: Vor einigen Jahren praktizierten in Albstadt noch drei Psychiater – jetzt gibt es keinen einzigen mehr. Das bedeutet zum einen, dass mehr Menschen Hilfe bei der Beratungsstelle suchen, zum anderen aber, dass die Berater mit Problemen konfrontiert werden, die sie schlicht nicht lösen können, weil es dafür eines Arztes bedarf. Die Alternative heißt im Regelfall Rottweil, was nicht befriedigen kann, da eine umgehende Aufnahme ins Rottenmünster nur in Fällen konkreter "Gefährdung" möglich ist. Eine Dauerlösung ist die Klinik schon gar nicht; etliche Patienten bedürfen aber auch nach ihrer Entlassung der ärztlichen Aufsicht.

In die Rolle des "Lückenbüßers" gedrängt sehen sich die Albstädter Berater auch im Falle der Kinder- und Jugendpsychotherapie: Auch dank der Unterstützung der "Stiftung Mensch" haben sie erstmals zwei spieltherapeutische Gruppen schaffen können – aber dadurch lässt sich die Unterversorgung der Region mit Kinder- und Jugendtherapeuten nicht kompensieren.

In der auf Heesens Vortrag folgenden Diskussion ging es primär um dieses Problem. Sowohl Manuela Heider (Freie Wähler) als auch Marianne Roth (SPD) haben im Ärzteblatt gelesen, der Zol- lernalbkreis sei mit Seelenärzten überversorgt, und mochten ihren Augen nicht trauen – Heider kommentierte die Desinformation mit dem Wort "Skandal". Philipp Kalenbach (FDP) verwies auf ein "massives Ungleichgewicht" zwischen Oberem und Unterem Bereich – Balingen habe drei psychiatrische Praxen. Roland Tralmer (CDU) forderte ein massives Vorgehen gegen diese Unterversorgung und Konsultationen mit der kassenärztlichen Vereinigung – in Albstadt wüsste man schon gerne, wie das Ärzteblatt zur Diagnose Überversorgung gelangt. Die gibt es laut Lennart Spengler (CDU) nirgendwo im Kreis: "Die Psychiatrie ist chronisch unterbesetzt."