Siegfried Binder Foto: Archiv/Kistner

"Reseda"- und WSV-Chef stirbt unerwartet mit 70 Jahren. Unternehmerpersönlichkeit hinterlässt große Lücke.

Albstadt-Ebingen - Dass niemand unersetzbar sei, ist schnell dahin gesagt. Mit dem unerwarteten Tod von Siegfried Binder steht diese These auf tönernen Füßen: Mit ihm ist ein Unternehmer gestorben, wie die Region nur ganz wenige hat.

Dass einer, der 120 Tage jährlich weltweit auf Geschäftsreise war und seit 36 Jahren einem der größten Vereine Albstadts vorsaß, der mit 70 Jahren noch so aktiv war wie eh und je, auch die Gesundheit gelegentlich zu schaffen machte: Siegfried Binder hat daraus kein Hehl gemacht, als er im Oktober 2017 aus Anlass seines runden Geburtstags aus seinem Leben erzählte. Sein Tod kommt dennoch völlig unerwartet. Am Samstag ist Siegfried Binder gestorben – und hinterlässt nicht nur im Wintersportverein Ebingen (WSV) eine riesige Lücke, sondern vor allem in seiner Firma "Reseda Binder" und seiner Familie.

Wie glücklich Binder mit seiner Frau Helen war, hatte er bei der Feier zum 100-jährigen Bestehen 2013 coram publico deutlich und ihr eine Liebeserklärung vor 225 Gästen aus 26 Ländern auf fünf Kontinenten – Kunden und Geschäftspartnern – gemacht, die wohl nur wenige dem Mann mit dem Spitznamen "John Wayne" zugetraut hätten. So war Siegfried Binder: Ein Mann der deutlichen Worte – und immer für eine Überraschung gut.

Das war auch seine Ankündigung an jenem Abend, seinen Sohn Michael in die Geschäftsführung zu holen. Denn der Aktionsradius des Familienunternehmens, Weltmarkführer in der Herstellung komplett entölter und damit besonders umweltfreundlicher Paraffinringe zum Glätten von Garn, war deutlich gewachsen, seit Binder 1983 die Geschäftsführung von seinem Vater übernommen hatte.

Mehrere europäische Konkurrenten kaufte Binder in den 1990er-Jahren, ließ sich seinen Friction-Tester patentieren, eine Maschine zur Ermittlung optimaler Paraffinierung für jede Garnart und -qualität, pflegte Kooperationen mit führenden Spinnmaschinenherstellern und baute 2002 eine neue Produktionsstätte in den Galgenwiesen, wohin die Firma mit Sitz in der Mazmannstraße eines Tages ganz umziehen sollte. Derzeit entsteht dort ein neues Versand- und Lagergebäude mit Erweiterungsoption.

Pläne für einen Standort in Bitz waren einst schon fertig gewesen, als der langjährige Erste Bürgermeister Axel Pflanz Binder überzeugte, in Ebingen zu bleiben. Wer hätte ihn sich auch woanders vorstellen können?

Am 30. Oktober 1947 war er dort als Sohn von Armin und Gertrud Binder, als Enkel des Reseda-Gründers Richard Binder, geboren worden und mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen. Nach dem Abschluss der Real- und der kaufmännischen Berufsschule begann er mit 16 Jahren seine kaufmännische Lehre im Familienbetrieb und trat 1972 in die Geschäftsführung ein.

Fast zeitgleich mit seiner alleinigen Verantwortung im Unternehmen kam 1982 seine Wahl zum Vorsitzenden des WSV Ebingen, den er zu einem der erfolgreichsten Wintersportvereine Südwestdeutschlands gemacht hat. Der Bau des Kinderlifts 1983 und der Beschneiungsanlage 2006 sicherten die Grundlagen dafür, und es ist kein Geheimnis, dass der WSV seinem Chef auch finanziell vieles zu verdanken hat. Abgesehen davon, dass der sich nie zu schade war, zusammen mit seiner Frau Helen Dienst am Lift und in der Skihütte zu schieben oder bei Vereinsfesten am Grill zu stehen.

In St. Moritz richtete der WSV 15 Jahre lang FIS-Rennen unter Binders Ägide aus, die heute am Degerwand-Skihang stattfinden, war viermal Gastgeber deutscher Meisterschaften und 2007 Ausrichter der ersten Weltmeisterschaft auf Albstädter Boden: Die Weltelite der Inline-Downhill-Fahrer hatte Binder in seine Heimatstadt geholt, ebenso wie mehrere Weltcup-Rennen. Erst 2017 hatte der Skicross-Europacup in Ebingen den ganzen Einsatz des WSV-Teams gefordert. Für den Winter 2019/2020 hatte Binder einen Weltcup anvisiert.

Sein nächstes Ziel war der Bau eines WLSB-Landesstützpunktes für Ski Alpin und Ski Cross samt Neubau des Vereinsheimes und der Anschaffung weiterer Schneelanzen.

Dabei hatte Siegfried Binder schon vor Jahren von Rückzug gesprochen und bei jeder neuen Hauptversammlung versucht, einen Nachfolger zu finden – vergeblich. Nun stellt sich die Frage auf tragische Weise unerwartet. Anders als in der Firma, wo es nun an Michael Binder als Diplom-Ingenieur Textiltechnik mit viel Erfahrung im In- und Ausland liegen wird, die Erfolgsgeschichte weiter zu schreiben.

Zählen darf er dabei auf die Hilfe seiner Mutter Helen, die – technisch versiert und hoch engagiert – schon seit langem eine Säule des Unternehmens ist. Gleichwohl: Siegfried Binder hat der Firma wie kein anderer die Zukunft eröffnet, ebenso wie dem WSV. Dass er daran nicht mehr teilhaben wird – in Ebingen kann sich das wohl kaum jemand vorstellen. Beigesetzt wird Siegfried Binder am Mittwoch, 6. Juni, auf dem Friedhof Ebingen. Die Trauerfeier beginnt um 11 Uhr.