Geschafft: Der an Leukämie erkrankte Yunus auf dem Gipfel des Kilimandscharo. Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Yunus, Ayla und Cornelia Borowczak haben den Kilimandscharo bezwungen / Kampf gegen CML

Eine Bergtour hinauf auf den Kilimandscharo ist auch für gesunde Menschen eine Herausforderung – für Yunus Borowczak aus Tailfingen, der an chronischer myeloischer Leukämie (CML) leidet, war sie es in besonderem Maße. Er hat sie mit Bravour bestanden.

Albstadt-Tailfingen. Sechs Jahre ist es her, dass die Nachricht von der Leukämieerkrankung des damals zwölfjährigen Yunus eine Welle der Hilfsbereitschaft in Albstadt auslöste. Heute ist er 19 Jahre alt und hat seine Krankheit dank einer wirkungsvollen Medikation im Griff – aber geheilt ist er nicht.

Nicht nur deshalb engagieren er, seine Mutter Cornelia und seine Schwester Ayla sich im Kampf gegen CML. Im Herbst 2018 stieß Cornelia Borowczak auf der Internetseite der "International Chronic Myeloid Leukemia Foundation", kurz "iCMLf", auf das Projekt "Climb for a Cure" – eine Gruppe von maximal 30 Personen, von denen jede 3000 Dollar für den Kampf gegen CML spendet, würde im Oktober 2019 den höchsten Berg Afrikas ersteigen, den Kilimandscharo.

Die drei Borowczaks waren sich rasch einig, meldeten sich an und begannen zu sammeln. Zudem trainierten sie: Der Kilimandscharo mag alpinistisch eher anspruchslos sein, aber er ist 5895 Meter hoch – da kann man schon aus der Puste kommen. Am 25. Oktober flogen die drei Gipfelstürmer in spe nach Tansania. Um 4 Uhr morgens landeten sie in Daressalam; es folgten eine mehrstündige Autofahrt zur Lodge, der – ebenfalls mehrstündige – Mittagsschlaf und dann noch ein Besichtigungstermin: In Moshi an der Grenze zu Kenia hat Markus Metzler, Professor der Onkologie und Hämatologie an der Universität Erlangen, eine Krankenstation für CML-Patienten aufgebaut. Die Krankheit gibt es auf der ganzen Welt, Infrastruktur für eine wirkungsvolle Behandlung nicht – Yunus hat Glück, dass er in Deutschland lebt. "Danach waren wir noch motivierter", sagt Cornelia Borowczak.

Ist Yunus den Strapazen gewachsen?

Anderntags brachte ein Bus die Drei zum Ausgangspunkt der Rongai-Route zum Kilimandscharo. Die Gruppe zählte 28 Köpfe; einige kannten die Borowczaks bereits persönlich, andere aus dem Internet: 20 Ärzte waren dabei, sechs Patientenangehörige und zwei Patienten, Yunus und ein etwa 40-jähriger Nigerianer. Würde Yunus den Strapazen gewachsen sein? Dass er einen Weißschwanz-Springaffen erblickte, nahm er als gutes Omen: "Das bringt Glück, haben sie mir gesagt – und: Du schaffst es!"

Die erste Etappe mutete, obwohl man sich schon in einer Höhe von weit über 2000 Metern befand, nicht sonderlich alpin an; sie führte durch den Regenwald. Am Ziel wartete ein kleines Zeltdorf: Die Gruppenmitglieder mussten nur ihr Tagesgepäck schultern, alles andere, dazu Zelte, Küche, Proviant und Toiletten, transportierten 82 Träger, die nicht nur ein wesentlich höheres Gewicht schulterten als die Touristen, nämlich 20 Kilo und dazu ihren Eigenbedarf, sondern auch ein ganz anderes Tempo anschlugen: Wenn die Gruppe eintraf, musste schließlich alles bereit sein, samt dem Nachmittagssnack, einer Delikatesse eigener Art: Popcorn und Tee.

Trotz der harten Arbeit waren die Einheimischen stets gut aufgelegt und bereit zu einem aufmunternden "Jumba" oder "Hakuna Matata".

An den nächsten Tagen wechselten Wetter und Landschaft: Der Wald wich dem sogenannten "Moorland" und dieses oberhalb von 3500 Metern einer Geröllwüste; zeitweilig nieselte es, und dann wurde es richtig kalt. Im 4350 Meter hoch gelegenen Mawenzi-Camp war ein Tag Akklimatisierung angesagt – Schlafen, Essen, Schlafen –, und dann ging es hinauf zum 4720 Meter hohen Base-Camp.

Popcorn zum Frühstück und sechs Lagen Kleider

Es wurde ernst: Am Vorabend des Gipfelsturms mussten alle um 19 Uhr ins Bett; drei Stunden später wurden sie geweckt – mit Popcorn und Tee! –, streiften sechs Lagen Kleidung über und brachen auf. In Serpentinen führte der Weg hinauf, der Nachthimmel war so klar, dass man Sternschnuppen zählen konnte, und der eisige Wind wurde immer heftiger. Um 5.30 Uhr waren Gilman’s Point und der Kraterrand erreicht, um 7 Uhr Uhuru Peak, der Gipfel.

Die beiden Patienten waren zuerst oben; unter dem Gipfelschild begann der Mann aus Nigeria hemmungslos zu weinen. Er blieb nicht der einzige "Alle haben geheult", erinnert sich Yunus: "Ich auch."

Die Strapazen waren damit noch lange nicht vorbei: Es blieb gerade Zeit für die Gipfelfotos; dann begann auch schon der Abstieg: Eineinhalb Stunden später war der Trupp wieder im Base-Camp; dort wurde kurz gegessen, und weiter ging es, hinab auf 3700 Meter. Unterwegs wurden die Bergwanderer dreimal von Einheimischen überholt, die mit Tragen zu Tal hasteten, auf denen Mitglieder anderer Seilschaften lagen. Einer hatte sich am Kopf verletzt, einer einen Hexenschuss erlitten – und einer, ein junger Kanadier, war tot: Hirnödem aufgrund der große Höhe. Erst jetzt wurde Cornelia Borowczak so richtig klar, welchen Gefahren sie und ihre Kinder sich ausgesetzt hatten.

Den CML-Alpinisten war glücklicherweise nichts passiert – 27 von 28 hatten den Gipfel erreicht; alle waren wohlauf. Einen Tag später nahmen Yunus, "Sister Ayla" und "Jumba Mama" Cornelia Abschied von ihren Trägern und Guides. Und von ihren Weggefährten – einer, ein Wissenschaftler, der nach einem Heilmittel gegen CML sucht, gab Cornelia Borowczak ein Versprechen mit auf den Heimweg: "Wir finden etwas – wir kurieren ihn."