So stellt sich die Stadt "Hirnau" vor: Ganz rechts mündet die Zufahrt in die B 463, der grüne Klecks ist das RÜB.Grafik: Stadt Foto: Schwarzwälder Bote

Hirnau: Bürgerinitiative "Engagierte Lautlinger Bürger" fordert den Verzicht auf das Projekt

Seit bald zwei Jahrzehnten gilt das südöstlich von Lautlingen gelegene Gewann Hirnau als das Albstädter Perspektivgebiet für weitere Gewerbeansiedlung. Jetzt ist der Bebauungsplan den Bürgern vorgelegt worden – und es bläst steifer Gegenwind.

Albstadt-Lautlingen. Dass eine Stadt wie Albstadt auf gewerblichen Flächenbedarf reagieren können muss, ist eigentlich immer Konsens gewesen – dass plötzlich der Großinvestor aus Amerika vor der Tür steht, erwartet zwar niemand ernsthaft, aber auch die heimische Industrie meldet gelegentlich Expansionswünsche an und lässt dann durchblicken, dass sich die Standortfrage nicht einfach ignorieren lässt. Die Standardantwort auf solche Anfragen lautet, seit das Gebiet Ehestetten in der Talaue südöstlich von Ebingen aussortiert wurde, "Hirnau".

Allerdings hatte diese Antwort immer einen Haken: Hirnau könnte erst nach Fertigstellung der Lautlinger Ortsumgehung erschlossen werden, und die Geschichte von der Lautlinger Ortsumgehung ist eine unendliche. Aus diesem Grund beschloss der Albstädter Gemeinderat im Dezember 2016 – mehrheitlich – eine provisorische Erschließung über die bestehende B 463 auf den Weg zu bringen und einen Bebauungsplan aufzustellen. Dieser Beschluss sah auch vor, dass alsbald eine Bürgerbeteiligung erfolgen sollte, aber aus der wurde erst einmal nichts: zum einen, weil die Vorbereitung der Planfeststellung für die Ortsumgehung nicht vom Fleck kam und deshalb Vorgaben auch für die Planung des Provisoriums fehlten, zum anderen, weil die ursprünglich angedachte Lösung für die provisorische Zufahrt nicht funktionierte: Die Lautlinger Straße, die unterhalb des Badkaps in die B 463 mündet, sollte in südwestlicher Richtung über Bundesstraße und Bahnlinie hinweg ins neue Gewerbegebiet geführt werden. Dadurch wäre eine Kreuzung entstanden, und zwar notwendigerweise eine mit Ampelregelung. Die aber wäre dem Verkehr niemals gewachsen gewesen.

Als musste ein Plan B her: eine Zufahrt ohne Kreuzung. Die soll nun auf Höhe der bestehenden Parkplätze an der B 463, unmittelbar südöstlich der Eisenbahnbrücke entstehen. Und noch eine Neuerung ist in Plan B vorgesehen: ein Regenüberlaufbecken südlich der Bundesstraße. Es soll verhindern, dass das Wasser, welches im versiegelten Gewerbegebiet nicht mehr versickern kann, Kanäle, Ebinger Talbach und Eyach zum Überlaufen bringt.

Diese Planung hat die Stadt den Bürgern dreieinviertel Jahre nach dem Aufstellungsbeschluss zur Begutachtung vorgelegt. Deren Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Die Bürgerinitiative "Engagierte Lautlinger Bürger", die seit Jahr und Tag eine Umplanung der Ortsumgehung fordert, verdammt nicht nur das Provisorium und den aktuellen Planungsstand, sondern das gesamte Projekt "Gewerbegebiet Hirnau": Es werde zu einer Veränderung des Mikroklimas und einer Aufheizung Lautlingens führen, die hügelige Topographie mache Aufschüttungen von bis zu 15 Metern Höhe erforderlich, das RÜB werde bei starkem Regen den Wassermassen nie und nimmer gewachsen sein – vor allem aber würden eine intakte Natur und ein funktionierendes Ökosystems vernichtet, das Grundwasser und die Luft verunreinigt und die nächtliche Ruhe durch Lärm und Licht zunichte gemacht. Die Forderung der Initiative lautet: Ein Gewerbegebiet "Hirnau" darf es nicht geben.

Was sagt die Stadt dazu? Baubürgermeister Udo Hollauer bestreitet, dass das RÜB überfordert sein werde, und er verweist darauf, dass die Albstädter Topographie andernorts noch wesentlich problematischer und die Ökologie noch wesentlich heikler sei als in Hirnau – für das Margrethausener Gewerbegebiet Runs-Auen seien wesentlich aufwendigere Ausgleichsmaßnahmen erforderlich als für Hirnau.

Am vehementesten stellt er jedoch die Behauptung der "Engagierten Lautlinger Bürger" in Abrede, es gebe Alternativen zu Hirnau. In Ehestetten komme eine Bebauung wegen des Natur-, Arten-, Wasser- und Hochwasserschutzes tatsächlich nicht in Betracht. Die in Eschach in Lautlingen verbliebenen Flächen seien nicht besonders groß und überdies geologisch problematisch, Lichtenbol sei voll und im Ebinger Bildstock auch nur noch wenig Platz und die Bahn und die Wohnbebauung allzu nah. Wer Hirnau ablehne, so Hollauer, müsse Alternativen nennen – er kenne keine.

Die Bürgerbeteiligung in Sachen Bebauungsplan "Hirnau", die am 2. März begonnen hatte, hätte eigentlich bis zum 3. April dauern sollen, aber durch diese Rechnung hat die Rathausschließung am 17. März einen Strich gemacht. Laut Baubürgermeister Udo Hollauer denkt man im Rathaus derzeit angestrengt darüber nach, wie Bürgerbeteiligung in Zeiten der Corona-Krise aussehen könnte – andernorts würden Pläne in den Rathausfenstern ausgehängt, auch die Schaffung eines Séparées für die Einsicht in die Entwürfe sei denkbar.

Nur ungern würde die Stadt mit der Fortsetzung der Beteiligung warten, bis die Rathäuser wieder geöffnet sind – wann das geschehen wird, kann derzeit niemand sagen. "Wir müssen schließlich weiterarbeiten."