Nicht aus Stahl-, sondern aus Carbonbeton besteht die Fußgängerbrücke, die in Ebingen über die Schmiecha führt.Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

solidian: Carbonbeton kommt mit ungleich weniger Zement aus / Politik ist gefragt

Der globale Bedarf an Beton ist riesig – und der Bauboom ein heimlicher Klimakiller. Ressourcenschonung täte Not – die Groz-Beckert-Tochter solidian weiß, wie es geht.

Albstadt-Ebingen. Ob Haus-, Straßen-oder Brückenbau –der globale Betonkonsum ist gigantisch. Speziell die aufstrebenden Volkswirtschaften in Fernost bauen in einem Umfang, der historisch ohne Beispiel ist. Das hat Folgen, auch fürs Klima: Ein Grundbestandteil von Beton ist Zement, der entsteht, wenn Kalkstein gebrannt wird. Die Zementproduktion erzeugt sowohl direkt als auch mittelbar jede Menge Kohlendioxid; dieses tritt erstens beim Brennen des Kalks aus und zweitens bei der Verfeuerung fossiler Brennstoffe, ohne die die erforderlichen hohen Temperaturen nicht erreicht werden. Fachleute schätzen, dass die Zementherstellung dreimal soviel Kohlendioxid freisetzt wie der gesamte weltweite Flugverkehr.

Unter diesen Umständen müsste jede Technologie willkommen sein, die es ermöglicht, den Verbrauch von Beton zu verringern. Eine Option wäre Carbonbeton aus dem Haus solidian, eine Textilbetonvariante, die nicht wie die in der Lautlinger Fußgängerbrücke verbaute Glas-, sondern Carbonfasergelege enthält. "Bauen mit Carbonbeton ist die Zukunft", sagt solidian-Geschäftsführer Christian Kulas. Warum? Carbon rostet und korrodiert nicht, daher benötigt man beim Bauen mit Carbonbeton nur einen Bruchteil der Betonmenge, die für den Bau mit Stahlbeton erforderlich ist. Unter und über der Gitterplatte genügt je eine 10 bis 15 Millimeter dicke Betonschicht – das spart Zement und damit Sand, Kies, Wasser und eben auch Emissionen. Schon die Lautlinger Textilbetonbrücke in Albstadt benötigte 50 Prozent weniger Beton als ein herkömmliches Modell, bei gleichzeitiger Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent.

Das ist noch nicht alles. Carbonbewehrungen sind auch extrem zugfest – das macht sich besonders bei stark belasteten Bauwerken wie Brücken bezahlt, deren Instandhaltung die öffentlichen Kassen dauerhaft belasten. Zudem sinken die Transportkosten, da weniger Material und Rohstoffe benötigt werden und die Bewehrungen 20mal leichter sind als die aus Stahl. Brücken aus Carbonbeton können aus vorgefertigten Teilen gebaut werden – wochenlange Straßensperrungen erübrigen sich dadurch.

Viele Vorteile – warum setzt die Bauindustrie nicht längst flächendeckend auf Carbonbeton? Eine Hürde ist laut Kulas das Baurecht. Der Baustoff ist neu; es gibt bisher noch keine Normen, die etwa die Bemessung regeln würden. Für jedes Bauvorhaben bedarf es einer Einzelzulassung, was Planer und Bauherren häufig abschreckt. Nicht alle natürlich, aber doch so viele, dass es bisher nicht zum flächendeckenden Einsatz kam. Christian Kulas hofft jedoch, die Hürden Zulassung, Normung und Brandschutz in absehbarer Zeit überwinden zu können. Er sieht vor allem die Politik in der Pflicht und sucht den Kontakt zur ihr – beispielsweise ist er im Gespräch mit den Grünen.

Bleibt noch ein Problem: die höheren Kosten von Carbonbeton. Allerdings kommt es auch hier darauf an, wie man rechnet: Stellt man eine Gesamtbilanz auf, welche die Einsparpotenziale bei Material, Rohstoffen, Transport und Instandhaltung berücksichtigt, dann, versichert Christian Kulas, sei Carbonbeton auch nicht teurer als Stahlbeton.