Geschafft: Das Gefährt der Lautlinger Narren hat die Reise von der Schule zum Schloss überstanden. Foto: Pahl

Albstädter Stadtverwaltung fällt ins Mittelalter zurück und Margrethausen wird mexikanisch.

Albstadt - Die Narren haben überall in Albstadt die Macht übernommen: Am Schmotzigen wurde ein Finanzbürgermeister zum Robin Hood und ein Baubürgermeister zum Bock statt zum Gärtner.

Ein dreifach Hoch auf die Margrethausener: Die dortigen Ortschaftsräte sind anti Trump und damit klug, haben sie sich doch mit den Mexikanern solidarisch erklärt und sich am Schmotzigen in Mariachi-Kostüme gewandet. Warum Ortsvorsteher Thomas Bolkart, anstatt dafür gefeiert zu werden, trotzdem ein Konfetti-Bad nehmen musste und mit einer Mohrrübe im Mund und dem Ortsamtsschlüssel in der Hand in einer Wanne, angetrieben von einem miefenden Rasenmäher-Motor und mehreren Runkelriabaweible, durch den Ort gefahren wurde, wissen wohl nur Zunftmeisterin Jessica Herfort und ihre närrischen Zunftkameradinnen.

Lachend strömten Ritter, Cowboys und Prinzessinen aus der Ignaz-Demeter-Schule in Lautlingen, befreit von den Lautlinger Narren Kübele-Hannes. Auf einem wackelig wirkenden Wagen, gezogen von einem ebenso unzuverlässig erscheinenden Mini-Traktor, zogen die Kinder mit ihren Befreiern lärmend über die Brücke in Richtung Ortschaftsverwaltung. Dort trugen zwei Kübele-Hannes kurzerhand die Ortvorsteherin Juliane Gärtner aus dem Ortsamt und entführten sie zum Parkplatz oberhalb des Stauffenberg-Schlosses, wo die Kinder den Narrenbaum schmückten, der unter viel Applaus aufgestellt wurde. Dort übergab die Stadträtin – schwörend und mit Narrensiegel auf den roten Bäckchen – den Stadtschlüssel an Zunftmeister Micha Fürst. Damit herrschen nun die Narren in Lautlingen – zumindest bis Aschermittwoch.

In Tailfingen übernahm die Gesellschaft Schmiechataler pünktlich um 11.11 Uhr das Regiment und den überdimensionierten Rathausschlüssel – Baubürgermeister Udo Hollauer, der Hausherr, leistete keinen nennenswerten Widerstand. Sein Krawattenfundus blieb ungeschmälert, denn er empfing die Narren zusammen mit seiner Familie im Häs der Stettener Bockzunft, zu dem ein Schlips so gar nicht gepasst hätte. Übrigens gibt es auch in Tailfingen Mexikaner: Herbert Lorenz trug Sombrero. Zuvor hatten die Narren auf Langenwand Schüler und in der Tailfinger Filiale der Sparkasse Zollern-alb Banker befreit – ob der DAX davon nachhaltig beeinflusst wurde, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Fest steht allerdings schon seit 11.11 Uhr, dass der Erste Bürgermeister Anton Reger die Seiten gewechselt hat: Der Finanz-Schultes ist in der Fasnet zum Robin Hood geworden. Ob er jetzt die Stadtkasse plündern und das Geld an Bedürftige verteilen wird? Jedenfalls wäre die Gelegenheit günstig, haben die Narrenzünfte Alt-Ebinga, Schalksburg-Hexen und Schlossbergturm am Schmotzigen doch alle Mitarbeiter aus dem Rathaus vertrieben, allen voran Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, der sich ebenfalls mittelalterlich gewandet hatte – mit herrschaftlichem Spitzhut. Seine Partnerin Sylvie Prigent machte bella figura als Burgfräulein, seine Assistentinnen Anna Klink und Julia Maier gingen als Henkersdamen. Wer da wohl um sein Leben fürchten muss? Sicher nicht der Büttel, den die Narrenzünfte wieder zum Leben erweckt haben und der mit seiner berühmten Glocke eine sympathische Figur abgab.

Einen nach dem anderen schleiften die Narren die Rathaustreppe hinab, wo sich Kindergarten- und Schulkinder bereits um eine Bühne versammelt hatten und die Hannäbler Guggenmusik rhythmisches Getöse fabrizierte. Patrick Ferrari, der stellvertretende Vorsitzende der Zunft Schlossbergturm, hatte die Ehre und das Vergnügen, den Stadtchefs die Leviten zu lesen: "Das Zentralklinikum bereitet allen Sorge, drum Schultes, schnell klären besser heute als morgen. In Albstadt ist die perfekte Lage, das ist allen klar. Nach Balingen – das ist für uns einfach unzumutbar."

Auch die jüngste Diskussion griff Ferrari auf: "Immer mehr Auflagen bei Festen und Umzügen für uns Narren – das ist für uns als Vereine zum Verharren. Papierkram immer mehr und mehr, dafür sollte bald eine Software her. Eine App wäre perfekt: Damit wäre der ganze Schreibkram weg."

Beim fröhlichen Tanz zum "Fliegerlied", den die Kinder der Oststadtschule vorführten, machten anschließend alle mit – selbst SPD-Fraktionschef Elmar Maute hakte sich bei Inge Nill vom Lehrerteam unter und tanzte ausgelassen. Ob ihm angesichts der jüngsten Ereignisse in Berlin dabei zum Lachen oder zum Weinen war, verriet sein Gesichtsausdruck nicht.