Gerhard Layh kennt Albstadts Naturschutzgebiete wie seine Westentasche und führt Besucher gerne dorthin. Foto: Müller

Albstadt hat mit 16 Naturschutzgebieten die meisten in Deutschland. Mit Flora und Fauna könnten mehr Touristen gelockt werden.

Albstadt-Ebingen - Albstadt ist die Stadt mit den meisten Naturschutzgebieten in ganz Deutschland, ganz erstaunlichen 16 an der Zahl. Doch nur wenige kennen sie, etwa das am Mehlbaum, mit ihrer schönen Pflanzenwelt, ihren seltenen Orchideen- und Vogelarten.

"Für die Stadt zu schön, um wahr zu sein", so kommentiert Wolfgang Riedel, Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Bund-Naturschutz Alb-Neckar (BNAN), die Tatsache, dass Albstadt die höchste Zahl an Naturschutzgebieten einer deutschen Stadt hat – und sie unter Wert verkauft. Riedel hat sich zusammen mit weiteren Naturschützern Ende der 1970-er und zu Anfang der 80-er Jahre dafür stark gemacht, dass Albstadt seine seltenen, einzigartigen botanischen Relikte aus der Eiszeit schützt und pflegt, die es sonst nur in den Alpen, südlich der Alpen und in Skandinavien gibt. Damit hätte Albstadt die Werbetrommel rühren können, um Touristen auf die Alb zu locken, betont er.

Alt-Oberbürgermeister Hans Pfarr habe die Naturvielfalt für Albstadt noch zu nutzen gewusst, sagt Riedel – anders als seine Nachfolger. Immerhin seien zu Pfarrs Zeiten nach und nach dreizehn neue Naturschutzgebiete zu den bisherigen hinzu gekommen. Um Magerwiesen respektive Wacholderheiden zu erhalten, sollten sie großflächig ausschließlich mit Schafhaltung bewirtschaftet werden. Im Klartext: der Schäfer durchquert das Gebiet in wenigen Tagen zu Beginn der Vegetationszeit, also Anfang April, und dann erst wieder Ende Juni, anfang Juli. Wichtig sei, so Riedel, dass wenige Tage das Ultimo sind, denn durch den Kot der Tiere werde der Boden zu stickstoffhaltig, und das sei nicht gut für die dortigen Pflanzen, darunter die vielen seltenen Orchideenarten. Kleinere Flächen sollten bei Landschaftspflegetagen durch Mähen und das Aufräumen des Mähguts ausgelichtet werden.

Die intensive Bewirtschaftung durch die Landwirtschaft habe mit ihrer Überdüngung schon viel "Offenland" kaputt gemacht, sagt Riedel. Ihre großen Raps- und Mais-Flächen seien für viele Insekten, Kleintierarten und Vögel kein Lebensraum. So seien einst auf dem Degerfeld, bevor der Flugplatz dort entstand, viele seltene Pflanzen wie Arnika, die Prachtnelke und das Hundsveilchen gewachsen.

Um die Naturschutzgebiete wieder ins Blickfeld zu rücken, lädt Gerhard Layh, Vorsitzender des NABU, Ortsgruppe Albstadt, und stellvertretender Vorsitzender des BNAN in der Bezirksgruppe Zollernalb, Gäste zur naturkundlichen Wanderung durch Naturschutzgebiete ein wie kürzlich durch das Gebiet "Mehlbaum". Sie bekamen die größte einheimische Orchidee, die Boxriemenzunge, sowie weitere seltene Pflanzen zu sehen, etwa die Spinnenragwurz, Helm-, und Mannsknabenkraut und das Bleiche Knabenkraut.

Frühlingsenzian, Waldmeister, wilder Thymian, Wiesensalbei, Seggen, Teufelskralle und sogar das Leberblümchen wachsen im Gebiet Mehlbaum, und Layh kennt die Anekdoten dazu unter dem Motto: "Was die Großmutter noch wusste". Er kennt die heilende Wirkung von Pflanzen, aber auch deren Tricks, die er als "pflanzliche Intelligenz" bezeichnet. So ahmt der Spinnenragwurz Insekten mit dem Duftstoff einer weiblichen Wildbiene nach. Die männliche Biene kommt, nimmt den Blütenstaub auf und befruchtet somit die nächste.

Auf den Gesang der Vögel, die im Naturschutzgebiet singen, macht Layh die Teilnehmer ebenfalls aufmerksam: Feldschwirls, ZilpZalp, Sumpfmeise, Wald- und Berglaubsängers zwitschern fröhlich ihre Lieder – und würden auch für Touristen ein Gratis-Konzert geben.