Foto: Schwarzwälder Bote

Was haben die Ebinger Langwatte und St. Mary Mead gemeinsam? So

Was haben die Ebinger Langwatte und St. Mary Mead gemeinsam? So wie der kleine englische Ort der Hobby-Detektivin Miss Marple als Mikrokosmos diente, in dem sich Vergleichbares zu jedem ihrer Fälle abspielte, so ist die Langwatte seit Montag Spiegelbild der Gesellschaft.

Kaum standen morgens die Schilder "Einfahrt verboten" und "Anlieger bis Baustelle frei" an der Einfahrt beim Kreisel zwischen Johannes-Mauthe-Straße, Truchtelfinger Straße und Langwatte, umkurvten bereits zahlreiche Autofahrer die Absperrung und fuhren in die Langwatte hinein. Auch das Schild "Vollsperrung in 100 Metern", das Ursula Schurer, Leiterin der städtischen Verkehrsbehörde, am Vormittag zusätzlich aufstellen ließ, änderte nichts daran. "Das einzige, was ich noch tun könnte, wäre, mich selbst hinzustellen und den Verkehr zu dirigieren", kommentierte Schurer. Alternativ hätte sie die Absperrung in die Mitte der Zufahrt stellen lassen können – was jedoch die westlichen Anwohner der Langwatte daran gehindert hätte, ihre Wohnungen und Geschäfte zu erreichen. Warum diese bis zur Baustelle durchfahren durften, sie selbst aber nicht, wollte manchen Fahrern gar nicht einleuchten.

Die denkbaren Gründe dafür spiegeln aufschlussreich den Zustand der Gesellschaft wieder: Einige Zeitgenossen sind offenbar schlecht oder gar nicht informiert, haben den mit hilfreichen Kartengrafiken illustrierten ganzseitigen Zeitungsbericht über die Umleitungsmaßnahmen nicht gelesen und daher schnell die Orientierung verloren, sobald sich in ihrer Welt etwas änderte. Andere glaubten, wie sie verrieten, wenn schon nicht durch den Tunnel, dann doch wenigstens rechts, die Schütte hoch, zum Ziegelplatz gelangen zu können. Angesichts eines Schildes "Vollsperrung in 100 Metern"? Dann müsste die Abzweigung Schütte weniger als 100 Meter vom Kreisel entfernt liegen.

Wieder andere mögen geglaubt haben, sie besäßen ein Gewohnheitsrecht. Begründungen wie "Ich wohne schon mein Leben lang in Ebingen – sowas gab’s hier noch nie!" muten jedenfalls absurd an. Und dann sind da noch jene, die offenbar meinen, dass Regeln für sie nicht gelten. Sie fahren wie selbstverständlich durch die gesperrte Straße – bis zum zweiten Schild "Einfahrt verboten" bei der Fußgängerampel, wo die Baustelle beginnt. Anfangs konnten sie dahinter noch wenden und auf dem östlichen Fahrstreifen der Langwatte zurückfahren. Was viele mit durchgetretenem Gaspedal taten, offenkundig erbost darüber, dass die Stadt sich erdreistet, ihren Bürgern eine Umleitung zuzumuten, um für sie den Straßenbelag zu erneuern, eine Zufahrt zum neuen Parkplatz Langwatte zu schaffen und den Kreisel südlich des Innenstadttunnels sicherer zu machen. Selbst als die Straße schon abgefräst war, fuhren manche noch verbotswidrig um die zweite Absperrung herum.

Seit Mittwoch müssen nun alle wenden oder rückwärts wieder raus – und das ist durchaus amüsant zu beobachten: Da gibt es Verkehrsteilnehmer, die offensichtlich nicht nur keine Schilder lesen können, sondern auch ihre Automobile nicht besonders gut im Griff haben. Vielleicht nehmen sie die Schilder ja jetzt ernst. Die wurden nämlich nicht etwa aufgestellt, weil im Bauhof kein Platz für sie wäre – und was auf ihnen steht, gilt für alle.