Jörg Nädelin hat wieder zur Feder gegriffen und alte Fotos zusammengetragen. Dem Leser seines im Mai erscheinenden Buches stellt er damit seine Heimatstadt gestern und heute vor. Foto: Kistner

Jörg Nädelin hat eine Chronik verfasst, die primär vom Bild lebt. Sind Natur und Geschichte wirklich Gegensätze?

Albstadt-Ebingen - Der gebürtige Ebinger Jörg Nädelin hat in nur zwei Jahren sein drittes Buch verfasst. Es handelt sich um eine Ebinger Chronik, jedoch keine wie Walter Stettners Standardwerk. "Stadteinsichten" lebt vom Gegensatz von einst und heute – und von vielen Bildern.

Nicht jeder kann mit herkömmlichen historischen Darstellungen, die mit Höhelenfunden aus der Altsteinzeit beginnen und 500 Seiten später in der Beinahe-Gegenwart enden, etwas anfangen. Es ist ein Vorzug von Jörg Nädelins Buch, dass Lesern, die nicht den langen Atem fürs historische Panorama haben, den Seiteneinstieg ermöglicht.

Es erschließt seinen Stoff nämlich von den Fotografien her: Wie sieht Ebingen heute aus, wie sah es einst aus, und was ist in der Zwischenzeit passiert? Diese Fragen stellt er systematisch an Gebäude, Straßen, Plätze, Aussichten und sogar an die Natur.

Nädelins Werkhilftauf die Sprünge

Wer sich also für ein bestimmtes Sujet, sei es ein Baudenkmal, eine Fabrik oder eine Kirche interessiert, der kann in Nädelins Buch nachschlagen und gewinnt über die Stadtansicht "Stadt-Einsicht". Man muss sich nicht für Historie interessieren, um von der Lektüre zu profitieren; es genügt, wenn man sich für Ebingen interessiert – oder auch nur für ein bestimmtes Haus, in dem man einmal gewohnt hat, oder ein Geschäft, in das man als Kind die Mutter begleitete. Nädelins Chronik hilft der Erinnerung auf die Sprünge; das unterscheidet sie vom herkömmlichen Geschichtswerk.

Ein Nachschlagewerk also – die Stichworte findet man im Inhaltsverzeichnis. Den Anfang machen historische Stadtansichten und eine kurze griffige Stadtgeschichte, in der Nädelin seinen Chronistenpflichten nachkommt; dann folgen auch schon die "Lexikoneinträge": Bürgerturm, Spitalhof, beide Haux-Villen, Merkur-Haus, Klinikum, Städtische Galerie, Martinskirche – die historischen Aufnahmen stammen übrigens größtenteils aus Privatbesitz. Das nächste Kapitel ist "Handel und Gewerbe" überschrieben und stellt alteingesessene Firmen vor, sowohl verblichene als auch noch bestehende: das Lichthaus Haasis, die Musikalienhandlung Jehle, Spielwaren-Bohnlander, Eisen-Eppler, das Autohaus Fuss, das Gasthaus Schmid zur Schwane, die Untere Apotheke, das Blumenhaus Jedele und etliche andere mehr. Die Industrie folgt auf dem Fuß. Das Kapitel beginnt mit Industriepionier Johannes Mauthe zum Löwen, der die erste Dampfmaschine in Ebingen betrieb; anschließend werden die großen und auch einige kleinere Unternehmen Ebingens vorgestellt: Maag, Haux, Theodor Groz, Linder & Schmid, Gottlieb Ott, Traugott Ott, Gühring, Jakob Ott zur Brücke, Karosserie-Wiedler die Württembergisch-Hohenzollerische Trikotwarenfabrik, kurz Wühotri genannt, und Kräuter-Groz, Deutschlands ältestes Teekräuterwerk. Danach Häuser und Straßen – wer kennt die Ebinger Adolf-Hitler-Straße? Richtig, sie hieß vor 1933 Sonnenstraße – und nach 1945 auch wieder.

Sind Natur und Geschichte wirklich Gegensätze? Nicht bei Jörg Nädelin: Auch an Males- und Schlossfelsen, Tauben- und Fahnenfels geht die Zeit nicht spurlos vorüber; auch hier ist die Gegenüberstellung von historischem und aktuellem Bild aufschlussreich.

Die vorletzte Bilderserie präsentiert Impressionen: Sonnenuhren, Lenk-Skulpturen, blühende Sträucher in Schrebergärten der Weststadt – "Wer kennt sich aus?", fragt der Autor, und der Leser erlebt die eine oder andere Überraschung. Das Schlusskapitel weitet den Blick für ganz Albstadt: Es ist der Talgangbahn gewidmet. Die gehört zu Ebingen – aber eben nicht nur.

Weitere Informationen:

Jörg Nädelins "Stadteinsichten" soll Anfang Mai erscheinen. und 29,90 Euro kosten.