Das Ehepaar Schrödl übernimmt Verantwortung füreinander – Gleichstellung bei den Rechten ist noch nicht selbstverständlich. Foto: Eyrich

Weg mit den Vorurteilen, mitten rein in die bunte Vielfalt des Lebens: Bald soll die Regenbogenfahne wehen.

Albstadt - Es ist Zeit, etwas zu verändern, meinen Stefan und Manuel Schrödl. Die beiden Albstädter wollen dabei mithelfen, dass Menschen mit alternativen Lebensmodellen so anerkannt werden, wie sie sind – und gründen den Verein Christopher Street Day Zollernalb.

Manuel und Stefan Schrödl sind veritable Männer, haben ordentliche Berufe erlernt, arbeiten, zahlen Steuern und führen sogar gemeinsam eine Firma, die Event- und Werbeagentur "Rainbow Company". Einziger Unterschied zum Üblichen: Die beiden Chefs sind nicht nur Geschäfts-, sondern auch Lebenspartner.

Am 13. April 2013 haben sich der gebürtige Tailfinger Stefan und der gebürtige Horber Manuel, die sich 2007 kennengelernt haben, das Ja-Wort gegeben – als eines der ersten schwulen Paare im Zollernalbkreis. Nun wollen sie einen Verein gründen, um andere Schwule und Lesben, aber auch Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und Bisexuelle (siehe Stichwort) zu ermutigen, zu ihrem Lebensentwurf zu stehen, aber auch, um Akzeptanz bei anderen dafür zu erreichen. "Weil es keinen Grund gibt, sich zu verstecken", betont das Paar.

Denn obwohl Verwandte, Freunde und Kollegen die beiden als Paar akzeptieren – der Gesetzgeber tut es nur eingeschränkt. Und obwohl die beiden sich lieben, füreinander Verantwortung übernehmen und damit auch in der Öffentlichkeit offen umgehen – spitze Bemerkungen und giftige Blicke begegnen ihnen immer wieder.

Darüber hinaus wissen Stefan und Manuel Schrödl, wie schwer es junge Menschen haben, wenn sie feststellen, dass sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. "In der Schule wurde ich gemobbt, ehe mir selbst klar war, dass ich schwul bin", erinnert sich Manuel Schrödl. "Deshalb wollen wir dazu beitragen, dass Aufklärung möglich ist – auch an Schulen." Entsprechende Kontakte hat das Paar bereits geknüpft. Mit ihrem künftigen Verein "Christopher Street Day Zollernalb" (CSD) wollen die beiden zudem das kulturelle Leben im Zollernalbkreis bereichern, planen für 2014 sogar eine Kulturwoche mit Lesungen, Filmvorführungen, sogar Wanderungen, mit einer Benefiz-Gala und einer kunterbunten Christopher-Street-Day-Parade, für die es schon Zusagen anderer CSD-Vereine – etwa aus Reutlingen, Konstanz und Mannheim – gibt.

Ein weiterer Schwerpunkt soll die gesundheitliche Aufklärung sein, wenngleich sich Stefan und Manuel Schrödl darüber bewusst sind, dass sie damit zunächst einmal ein Vorurteil bedienen: "Junge Menschen müssen über Aids aufgeklärt werden, denn in Deutschland steigen die Zahlen wieder", betont Manuel Schrödl. "Manche glauben inzwischen, es sei heilbar." Doch das sei die Immunschwächekrankheit ebenso wenig wie ein auf Homosexuelle beschränktes Problem. Dafür aber ansteckend – im Gegensatz zu Homosexualität. Dass es immer noch Menschen gebe, die Letzteres glaubten – Manuel und Stefan Schrödl wissen nicht, ob sie darüber schmunzeln oder den Kopf schütteln sollen.

"Wir wollen öffentlich auftreten, damit die Leute ein Gesicht vor sich haben", erklärt Stefan Schrödl die Strategie des künftigen Vereins. "Denn gerade für jene, die ihr Coming-Out noch vor sich haben, ist es vielleicht leichter, sich Rat bei echten Menschen zu holen anstatt via E-Mail", sagt Stefan Schrödl.

Mut machen und helfen soll der Verein aber nicht nur ihnen, sondern auch Transgendern und Transsexuellen, die es besonders schwer haben, wie die beiden wissen: "Wer eine Geschlechtsumwandlung will, braucht ein psychologisches Gutachten, muss vorher ein Jahr lang zum Psychologen gehen", berichtet Stefan Schrödl. "Wieso erschwert man diesen Menschen das Leben so sehr, obwohl sie es ohnehin schon schwer haben?" Er selbst kennt nur Transgender außerhalb des Landkreises und weiß von ihnen, "dass sie es schon viel leichter hätten, wenn sie sich nicht verstellen müssten". Genau das ist es, was das Paar für alle Menschen mit alternativen Lebensentwürfen anstrebt: "Dass sie einfach so sein dürfen, wie es ihnen gefällt."

Wie erleichternd diese Erfahrung sein kann, hat Manuel Schrödl am eigenen Leib erfahren: Eine Großtante sei selbst lesbisch, und seine Verwandtschaft habe mit seinem Coming-Out kein Problem gehabt, berichtet er. Einzig sein Opa – am Anfang. "Kurz vor seinem Tod hat er mir gesagt, dass er mich so liebt, wie ich bin", sagt Schrödl. Wie glücklich ihn das heute noch macht, ist ihm anzusehen.

Gute Resonanz wäre schon der erste Erfolg

Wie viele Schwule und Lesben, Transsexuelle und Transgender es im Zollernalbkreis gibt – Manuel und Stefan Schrödl können es nur schätzen. Alleine in entsprechenden Internetforen seien jedoch mehrere Hundert angemeldet. Dass längst nicht alle am Sonntag zur Gründung kommen werden, ist den beiden bewusst. Sie setzen darauf, dass sich nach und nach weitere anschließen – es wäre der erste Erfolg des Vereins.

Zwar findet die Gründungsversammlung im Probenlokal des Musikvereins Truchtelfingen statt – verstecken wollen sich die Aktiven dort jedoch nicht: "Eine Regenbogenfahne wird über dem Eingang hängen", betont das Paar. Zum Zeichen: Im CSD ist die ganze bunte Vielfalt des Lebens zu Hause.

Weitere Informationen gibt es unter der E-Mail: manuel-schroedl@gmx.de oder der Telefonnummer 0152/34 51 03 70. Der Verein "Christopher Street Day Zollernalb" gründet sich am Sonntag, 8. September, um 14 Uhr im Vereinsheim des Musikvereins Truchtelfingen, Pfarrhausstraße 3.

Seite 2: Stichwort - Die bunte Vielfalt des Lebens

Christopher Street Day: Der Christopher Street Day erinnert an den 28. Juni 1969, als sich Homosexuelle in New York City erstmals gegen Polizeiwillkür und Gewalt gewehrt haben.

 Transsexuelle: Menschen, die den Wunsch hegen, ein anderes Geschlecht als ihr eigenes anzunehmen. In der Regel verwandeln sie sich durch Kleidung, Make up und Perücken in eine Person des anderen Geschlechts. Die berühmteste "Transe" – so die Kurzbezeichnung – Deutschlands ist Lilo Wanders, geboren als Ernie Reinhardt.

Transgender: Menschen, die sich sichtbar der klassischen Zuordnung einer Geschlechtsrolle entziehen und sie überschreiten, also Frauen, die zu Männern und Männer, die zu Frauen werden, in letzter Konsequenz auch durch eine operative Geschlechtsumwandlung. u Intersexuelle: Menschen, die genetisch, anatomisch oder hormonell nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind.

Bisexuelle: Menschen, die sich sexuell zu beiderlei Geschlecht hingezogen fühlen.