Glücklicher Jubilar: Axel Pflanz ist dankbar für sein reiches, spannendes Berufsleben. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Geburtstag: Axel Pflanz ist selbst mit 70 Jahren alles andere als Pensionär / "Ich will etwas zurückgeben"

Die 1975 gegründete Stadt Albstadt hat eine Datenbank – eine Festplatte, die nichts vergisst und weitverzweigt vernetzt ist. Am heutigen Freitag wird sie 70 Jahre alt. Ihr Name: Axel Pflanz.

 

Albstadt-Tailfingen. Ob seine Mutter sich bewusst war, welche Domino-Reaktion sie auslöste, als sie ihren Sohn mit in den "Rosengarten", ihr Tailfinger Wirtshaus, nahm? Seit Axel Pflanz – am 9. August 1949 in Tailfingen geboren – sechs Jahre alt war, ging er seiner Mutter dort zur Hand, zapfte Bier und musste bei mancher Skat- und Binokel-Runde einspringen, wenn ein Spieler mal kurz ins Verschwindekabinett ging. So lernte der spätere Erste Bürgermeister der damals noch nicht gegründeten Stadt Albstadt früh so vieles, was ihm in seinem reichen Berufsleben helfen sollte: Zupacken, Zuhören, Netzwerken. Er war dabei, als am Stammtisch über Steine, Zement und Sand verhandelt wurde, kannte Ammann, Bitzer, Conzelmann und all die anderen.

Jene, die der junge Axel nicht im Wirtshaus kennenlernte, traf er auf dem Sportplatz als Kicker des FC Tailfingen. Erst am Ende seiner A-Jugend-Zeit setzte seine Ausbildung der hoffnungsvollen Fußballerkarriere ein Ende, die mit der C-Jugend begonnen hatte: Fortan stand Axel Pflanz drei Jahre lang als Inspektorenanwärter für das Bürgermeisteramt Meßstetten auf dem Platz, das noch neben der Lamprechtskirche stand und dessen Chef Erwin Gomeringer gleichzeitig Landtagabgeordneter war.

Die Verbindungen, die dieser Umstand dem wissbegierigen Tailfinger eröffnete, baute er als Regierungsinspektorenanwärter beim Landratsamt Hechingen und auf der Staatlichen Verwaltungsschule Haigerloch, wo er 1971 die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst erfolgreich ablegte, noch aus: Männer wie Erwin Teufel, später Ministerpräsident, und Heinrich Haasis, später Landrat des Zollernalbkreises, Landtagsabgeordneter und Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, lernte er kennen.

In solch höhere politische Gefilde drängte es Axel Pflanz hingegen nie. "Was wollen Sie werden?" hatte Wilhelm Dreher ihn gefragt, als Pflanz sich 1971 im Ebinger Rathaus bewarb. Antwort: "Ich will bei Ihnen schaffen." Ums "Werden" ging es ihm nie. So kam es, dass der einstige Wirtschafts-Bub, über den ein Beobachter mal gesagt hatte "Pflanz, Sie sehen immer, wo’s fehlt", zum "Mitarbeiter z.b.V." wurde: zur besonderen Verwendung, oder kurz "Feuerwehr", wie Pflanz scherzhaft sagt. Die Organisation von Wahlen gehörte ebenso dazu wie die Leitung eines Olympia-Zeltlagers während der Münchener Sommerspiele 1972 in Penzberg – zum oberbayerischen Städtchen unterhielt Ebingen damals ebenso partnerschaftliche Beziehungen wie zu Braunschweig, Wuppertal und Berlin-Schönefeld.

"badkap"-Chef? Für kein Geld der Welt!

Von Penzberg war es nicht weit zum Kochelsee, an dessen Ufer das "Trimini", eines der ersten Schwimmbäder der neuen Generation, stand. Peter Seifert hatte es entworfen – er sollte 1980 der Architekt des "badkap" in Albstadt werden und Axel Pflanz dessen Bäderchef. Der hatte dazu freilich keine Lust.

Zwar kamen 15 Monate Bundeswehrzeit dem damaligen Stadtinspektor dazwischen, doch schon im Juli 1973 setzte Axel Pflanz seine Karriere im Ebinger Hauptamt fort. Jetzt war er da, wo er immer hin wollte: "Das Hauptamt nimmt unglaublich viele Querschnitts-Aufgaben für die gesamte Verwaltung wahr", lautete seine Motivation. Es war genau das Richtige für das Organisationstalent aus dem Talgang, dem die Aufgabe seines Lebens bevorstehen sollte: die Fäden zu ziehen bei der Gründung der Stadt Albstadt.

Da öffnet sie sich, die riesige Datenbank. An kleinste Details, herrliche Anekdoten, besondere Ereignisse kann Axel Pflanz sich erinnern, als wäre es gestern gewesen. Bei allen Sitzungen war er dabei. "Es war wie eine Geburt", sagt er heute. Während Hans Hoss, der Professor auf dem Oberbürgermeisterstuhl, als Spiritus Rector fungierte, packte Pflanz mal wieder dort an, wo die höchsten Berge sich auftürmten. "Ortsrecht und Satzungen mussten neu verfasst, die komplette Verwaltungsstruktur neu entworfen und organisiert werden", berichtet er. "Jeder Bürgermeister hatte natürlich die besten Amtsleiter und wollte sie auch in Albstadt in die entsprechenden Ämter bringen."

Mit seiner Vision eines großen Landkreises, der von Sigmaringen bis Hechingen reichte, hatte Hans Hoss sich nicht durchsetzen können. Die neue Stadt Albstadt mit den Städten Ebingen und Tailfingen sowie den Dörfern Onstmettingen, Truchtelfingen, Pfeffingen, Lautlingen, Laufen, Margrethausen und Burgfelden aber erblickte am 1. Januar 1975 das Licht der Welt – auch dank tätiger Mithilfe von Axel Pflanz.

"Schlüpfringen" war keine wirkliche Option

Dass in Ebingen und Tailfingen die Zahl der Bürgervoten nicht für ein Quorum, nötig für einen Bürgerentscheid, reichte, dass in Onstmettingen erst gar kein Bürgervotum zustande und der Ort durch Beschluss des Landtags zu Albstadt kam: Pflanz erinnert sich noch ebenso gut daran wie an den Kommentar von Kurt Lang, erst Onstmettinger, dann Albstädter Gemeinderat: "So, jetzt sind wir dabei. Und jetzt sind wir erst recht Onstmettinger."

Sein verschmitztes, herzhaftes Lachen treibt es Pflanz noch heute ins Gesicht, wenn er an die Vorschläge für einen Stadt-Namen denkt, welche die Gemeinderäte der Gründungspartner bei der gemeinsamen Sitzung in der Festhalle Margrethausen auf einem Zettel einreichen durften. "Hohenalb", "Schwäbisch Alb" – Favorit des in Schwäbisch Gmünd aufgewachsenen Hans Hoss – und "Ebingen-Tailfingen", Villingen-Schwenningen als Vorbild vor Augen, gehörten dabei zu den unspektakulären Ideen. Die gewagteren waren "Zitterstadt", wegen der Erdbeben, "Trikotingen" und – Pflanz grinst – "Schlüpfringen".

Bevor die ersten Albstädter Wahlen anstanden, ging für die "Feuerwehr" des Rathauses die Arbeit weiter: Axel Pflanz wurde die Sonderaufgabe zuteil, die Verwaltung auf Elektronische Datenverarbeitung umzustellen. "Kiloweise kamen die Fehlerprotokolle vom regionalen Rechenzentrum in Reutlingen" – heute kann er darüber lachen. "Doch es waren Fehler im System, keine Erfassungsfehler. Und so haben wir die ersten OB-Wahlen mit Technikunterstützung hingekriegt."

Gegen Kandidaten wie Helmut Palmer, den Remstal-Rebellen, und den letzten Tailfinger Rathauschef Horst Kiesecker setzte sich der Stuttgarter Hans Pfarr durch, der mit Axel Pflanz den idealen persönlichen Referenten fand – wieder so eine Schnittstelle, an der alle Fäden zusammenliefen. Zu Pflanz’ vielen Aufgaben gehörte damals die Pressearbeit – vor der Zeit von Fax und E-Mail. Bis zu drei Mal täglich habe er es mit legendären Journalisten wie Paul-August Schweizer und Hans-Peter Schreijäg, heute Chefredakteur des Schwarzwälder Boten, zu tun gehabt, berichtet Pflanz und fügt schelmisch hinzu: "Unser Ziel war, eine Mitteilung so abzuliefern, dass der Express nach Oberndorf am Neckar ohne sie abfuhr – damit wir Zeit gewinnen."

Am 1. Juli 1985 hatte Axel Pflanz sein eigentliches Ziel, Leiter des Hauptamtes zu werden, erreicht – das Ende der Karriereleiter allerdings noch lange nicht: Mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde er Erster Bürgermeister der Stadt Albstadt und blieb es auch nach der Wiederwahl Ende 2007 bis zu seinem vorzeitigen Rücktritt zum 30. September 2010. Seine Frau Margret, mit der er seit 1970 eine glückliche Ehe auf Augenhöhe führt und eine Tochter, Nicole, hat, sollte endlich mehr von ihm haben, und der schlimmste Teil der Finanzkrise, während der er wieder in seinen Konfirmandenanzug gepasst hätte, so heftig war der Stress, lag eben erst hinter ihm.

Jetzt hätte Pflanz die Füße hoch legen können in seinem Elternhaus, unweit vom Buch- und Schreibwarenladen seiner Frau, das er mit ihr zu einem Schmuckstück ausgebaut hatte. Wäre da nicht sein starker Charakter, der ihn in die Pflicht genommen hat: So viele Chancen habe er bekommen, sei von so vielen unterstützt und gefördert worden, habe so viel Glück gehabt im Leben – "da will ich noch etwas zurückgeben", sagt der Pensionär, der keiner ist. Gut zweistellig ist die Zahl seiner Vereinsmitgliedschaften. Im Ebinger Kammerorchester hat er von Hans Pfarr den Vorsitz übernommen, engagiert sich stark im Rotary Club Ebingen-Zollernalb und im Verein Freunde Kunstmuseum.

Die Zahl seiner Ehrenämter ist Legion

Zwölf Jahre lang war er Vize-Vorsitzender des Roten Kreuzes Zollernalb, war ehrenamtlicher Richter, in unzähligen Stiftungs- und Beiräten aktiv, sitzt noch immer der Wohnungsbaugenossenschaft Tailfingen vor und war seit 1994 im Aufsichtsrat der Volksbank Tailfingen, ab 2006 dessen Vorsitzender. Es war ein Glück für die Genossenschaftsbank, denn als sie 2014 mit der Volksbank Ebingen fusionierte, konnte sie auf einen zählen, der schon eine weit aufwendigere Fusion hinter sich hatte.

"Die ehrenamtlichen Aufgaben sind mir wichtig, sie fordern mich und tun Geist und Seele gut", sagt Axel Pflanz und fügt vergnügt hinzu: "Wenngleich mehr Bewegung und weniger Schreibtisch auch nicht schlecht wäre." An seinem 70. Geburtstag am heutigen Freitag bleibt der Schreibtisch unbeachtet und – ausnahmsweise – vielleicht auch mal das Telefon. Obwohl: Einem Plausch mit guten Freunden kann Axel Pflanz eigentlich nie widerstehen, hat stets Spannendes zu erzählen, allweil ein Anekdötchen auf Lager und immer noch Platz für Neuigkeiten auf seiner Festplatte, die einem Buch über die Stadtgeschichte Albstadts in nichts nachsteht.