Die Cessna 182 hat Silberiodid-Generatoren und -Batterien am Rumpf. Foto: Privat

Julia Rexroth vom LSV Degerfeld hilft beim Vermeiden großer Schäden am Boden. Mit Video

Albstadt/Offenburg - Wo andere einen weiten Bogen machen oder gleich zusehen, dass sie zurück an den Boden kommen, hebt Julia Rexroth erst ab: Die 37-jährige Pilotin aus Albstadt arbeitet als Hagelabwehr-Fliegerin.

Julia Rexroth ist nicht nur Mitglied und Fluglehrerin im Luftsportverein Degerfeld (LSV), sondern auch etwas Besonderes in Pilotenkreisen: Die 37-Jährige ist Hagelabwehr-Fliegerin und in dieser Saison im Schwarzwald, in der Ortenau und im Rheintal im Einsatz.

Wenn das endgültige "Go" von den Meteorologen von Südwest-Wetter aus Karlsruhe kommt, muss es schnell gehen. Julia Rexroth kontrolliert noch einmal ihre Maschine und vor allem die beiden Generatoren sowie die beiden Fackel-Batterien am Rumpf der Cessna 182. Dann lässt die zierliche Pilotin das 230 PS starke Sechs-Zylinder-Triebwerk an und rollt los zur Startbahn.

Video: Unterwegs mit dem Hagelflieger im Schwarzwald-Baar-Kreis

Der Wetterdienst schickt ihr Radarbilder und Karten auf den Tablet-Computer direkt ins Cockpit, damit sie weiß, wo ihr heutiges Einsatzgebiet genau liegt. Rund 30 Mal ist sie in dieser Saison schon losgeflogen, die von Ende April bis Mitte Oktober dauert. Ihr Gebiet liegt zwischen der Ortenau und Freudenstadt bis hoch nach Karlsruhe. Der Auftrag: eine Gewitterzelle mit Hagel-Potenzial anzufliegen, den mächtigen Aufwindkern der Gewitterwolke zu suchen und dann die Generatoren und Fackelbatterien zu zünden.

Für die Umwelt ist die Impfaktion unschädlich

Abgegeben wird ein Silberiodid-Aceton-Gemisch. Das Aceton verbrenne vollständig, für die Umwelt sei die Impfaktion unschädlich, so Rexroth. Der Theorie zufolge zieht die Wolke die Partikel ein wie ein Staubsauger. An den sogenannten Kondensationskernen bilden sich aus dem Wasserdampf Tröpfchen, die dann abregnen, anstatt in der kilometerhohen Wolke aufzusteigen, irgendwann zu vereisen und dann als zerstörerischer Hagel niederzuprasseln. Oder die Körner bleiben zumindest so klein wie möglich.

Hagelabwehr-Flieger starten frühzeitig und sind bemüht, die Gewitterwolken vor ihrem "Reifestadium" zu erwischen, also bevor es knallt. "Je früher, desto besser", sagt die Pilotin. Ob es ein Einsatztag oder ein freier ist, bekommt die dreifache Mutter meist früh mit. Um 7 Uhr erhalten sie und ihre Kollegen die ersten Wetterdaten des Tages zugeschickt. Ist die Warnstufe "grün", kann sie zu Hause bleiben. Bei Einsatzbereitschaft "rot" setzt sie sich ins Auto und fährt nach Offenburg, wo die Maschine normalerweise stationiert ist. Dann macht sie die robuste Cessna startklar, während sich ihr Mann um den Nachwuchs kümmert.

Vor allem ist sie als Hebamme tätig

Er ist, wie Julia Rexroth, Pilot und ehrenamtlicher Segelfluglehrer des Luftsportvereins Degerfeld. Für den Job als Hagelabwehr-Fliegerin in Teilzeit hat sie sich beworben. Denn die 37-Jährige hat zwar eine Berufspilotenlizenz, Einstellungsvoraussetzung für die Hagelabwehr, ist jedoch vor allem als Hebamme tätig.

In Offenburg sind zwei der insgesamt sieben Hagelabwehr-Flugzeuge der Firma FK Aviation GmbH mit Sitz in Gärtringen bei Herrenberg stationiert. Von dort aus fliegen die beiden 182-er im Auftrag von Versicherungen und der Landwirtschaft. Weitere Unternehmen in Baden-Württemberg bieten Hagelabwehr mit Kleinflugzeugen an.

Das Prinzip wird an Hochschulen erforscht

Nicht alle Wetterkundler sind von der Wirkung überzeugt. Laut Rexroth wird das Prinzip an Hochschulen erforscht, im Laborversuch habe es geklappt. Aus ihrer fliegerischen Praxis sei sie überzeugt davon, dass die Methode funktioniert: "Wir beobachten immer wieder Gewitterzellen, die sich nach dem Einfluss des Silberiodids abschwächen und dass kein oder nur sehr kleiner Hagel den Boden erreicht", sagt sie.

Nach Abzug der Flugzeuge verstärkten sich die Gewitter oft wieder und entwickelten außerhalb der Abwehrgebiete nicht selten wieder Hagel am Boden. Sie habe schon im Rheintal Wolken "geimpft", die abgeregnet seien, während "ungeimpfte" Wolken an den Vogesen direkt daneben Hagel abgelassen hätten. Die Versicherungen sind jedenfalls bereit, die Flüge zu bezahlen. Eine weitere Erkenntnis von Rexroth: Bei einem ortsfesten Gewittersturm funktioniere die "Impfung" besser als bei einer durchziehenden Front.

Bei ihren Einsätzen sei es unerlässlich, hellwach zu sein. "Man muss schon wissen, was man tut. Das ist nichts für Draufgänger", sagt sie. Den Steigkern einer Wolke zu finden, ist für die Segelfliegerin Routine. Allerdings seien Gewitterzellen noch mal etwas anderes als eine harmlose Haufenwolke, unter denen sich die Thermikjäger für gewöhnlich tummeln. In den Auf- und Abwindzonen schüttele es die 1,3 Tonnen schwere Maschine schon mal kräftig durch. Deshalb versuche sie stets, die Zelle von vorne anzufliegen und rasch an ihren Steigkern zu kommen. "Aber man muss schon aufpassen mit so einer kleinen Kiste", sagt sie und lacht.

Kaltluft stürzt wie ein Wasserfall Richtung Erde

Abwindzonen, in denen die Kaltluft aus der Wolke wie ein Wasserfall Richtung Erde stürzt, meide sie. Angst habe sie bei den Einsätzen keine. Als Segelfliegerin sei sie die Rüttelei gewöhnt. Manchmal sei sie vier Stunden am Stück in der Luft, fliege von einer Zelle zur nächsten, so lange der Treibstoff reiche. Die Gebiete würden ihr vom Wetterdienst zugewiesen. Beim Flug sei sie ständig mit einem Meteorologen im Kontakt. Gewitterzellen mit Hagelpotenzial ließen sich durch Radarbilder sehr präzise ausmachen.

Ihre Saisonbilanz fällt bislang positiv aus: kein Starkhagel-Ereignis ihn ihrem Einsatzgebiet. "Ich habe schon den Eindruck, dass solche Ereignisse weniger werden, seit wir in der Luft sind", sagt Julia Rexroth.