Spielstätten und Wahrzeichen wie das Brandenburger Tor werden am Montagabend ab 22 Uhr deutschlandweit rot angeleuchtet. In Albstadt setzt die lokale Veranstaltungsbranche ein Signal und illuminiert den Trödler und den Schlossfelsenturm. Foto: Night of Light

Trödler und Schlossfelsenturm werden rot angeleuchtet. Veranstaltungstechniker setzen ein Zeichen.

Albstadt-Ebingen - Deutschlandweit erstrahlen in der Nacht auf Dienstag öffentliche Gebäude in rotem Licht. Was schön aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Die von den Coronaverordnungen gebeutelte Veranstaltungsbranche sendet ein Signal an die Politik.

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"Die Maßnahmen gegen Corona sind nachvollziehbar, aber legen eine Branche komplett lahm", erklärt Veranstaltungstechniker Elischa Dommer, der vor acht Jahren die Balinger Firma Show + Media Design gegründet hat. Die Veranstaltungsbranche ist wirtschaftlich mit am härtesten getroffen von den Maßnahmen im Kampf gegen das neuartige Coronavirus. "First in – last out" ist das Prinzip, das derzeit eine gesamte Branche lahmlegt: Noch vor Gastwirten und Einzelhändlern entzog das Virus einem ganzen Wirtschaftszweig schon früh die Arbeitsgrundlage; richtig florieren wird sie wohl erst wieder wenn ein Impfstoff für die breite Masse gefunden ist. Der Branchenzweig hat wohl am längsten am wirtschaftlichen Lockdown zu nagen.

Es ist fünf vor zwölf – die Zeichen stehen auf Rot. Deutschlandweit strahlen in der Nacht von Montag auf Dienstag zwischen 22 und 1 Uhr nachts Unternehmen, die in der Veranstaltungsbranche tätig sind, öffentliche Gebäude, Spielstätten und Wahrzeichen in der Signalfarbe an und möchten damit ein Warnzeichen an die Politik abgeben.

Trödler und Schlossfelsen werden beleuchtet

Dommer und sein Mitarbeiter tauchen in Ebingen das "Wirtshaus zum Trödler" in rotes Licht – ein Gebäude, das seit Jahren Musikern eine Bühne bietet und in den vergangenen Monaten als Gastronomiebetrieb ebenfalls durch den Lockdown in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Albstädter Veranstaltungsdienstleister "Sound, Light and More" (SLAM) von Matthias Raible wird das Ebinger Wahrzeichen, den Schlossfelsenturm, rot illuminieren.

Dabei geht es aber nicht um ein schönes Farbenspiel, sondern die ernste Lage der Veranstaltungsbranche soll den Menschen – nicht zuletzt jenen, die Unterstützung leisten können – vor Augen geführt werden.

"Gesamte Branche vor dem Ruin"

"Wenn das so weiter geht, steht eine gesamte Branche vor dem Ruin", erklärt Dommer. Damit meint er nicht nur seinen Berufsstand: Veranstaltungstechniker, sondern auch Messebauer, Eventagenturen, Caterer, Bühnenbauer, Eventlocations, Tagungshotels und nicht zuletzt die Künstler haben durch die Veranstaltungsverbote ihre gesamten Auftragsbestände für die nächsten Monate verloren. Indirekt sind noch viel mehr Berufsstände vom Veranstaltungsverbot betroffen.

Die ersten Veranstaltungen wurden bereits im Februar abgesagt, das letzte Konzert mit Menschenmassen vor einer Bühne unterstützte Show + Media Design Anfang März. Dann kam die erste Coronaverordnung und mit ihr die Stille. Keine Großveranstaltungen und bis Pfingsten nicht mal kleine – einer Branche wird die Arbeitsgrundlage genommen. Auch wenn mittlerweile wieder Veranstaltungen mit bis zu 99 Personen erlaubt sind, ziehen sich die Stornierungen bis ins nächste Jahr. "Da die aktuelle Situation keine Planungssicherheit gibt, wird im Zweifel abgesagt", so Dommer.

Konzerte auf Abstand sind kaum realisierbar

"Die Soforthilfe des Bundes deckt gerade mal die Betriebsausgaben, zum Leben bleibt da nichts", erklärt der 27-Jährige. "Mit dem Geld darf man keinen Umsatz generieren." Wer nicht über genügend Rücklagen verfügt, muss Grundsicherung beantragen. Anders als das produzierende Gewerbe können Dienstleister nicht auf Vorrat arbeiten. Die Folge: Massive Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit und in Zukunft wohl eine Welle der Insolvenzen.

Dommer wurde während des Lockdowns kreativ und initiierte gemeinsam mit der Stockenhausener Künstleragentur Siedepunkt die Drive-in Autokonzerte in Balingen, doch alternative Veranstaltungsformen wie diese sind auf Dauer nicht die Lösung. "Großveranstaltungen, die aber auf eine geringe Anzahl an Gästen zugeschnitten sind, sind wirtschaftlich nicht umsetzbar", gibt der 27-jährige Veranstaltungstechniker zu Bedenken. Dasselbe gilt für Streamingkonzerte und Konzerte auf Mindestabstand. "Veranstaltungen sind auf Masse ausgelegt, und die darf gerade nicht stattfinden" – lautet das Dilemma der Branche zusammengefasst.

Bundesweit beteiligen sich mehr als 5000 Unternehmen verschiedener Berufszweige an der Aktion mit demselben Ziel: "Die Unterstützung muss an die Branche angepasst werden. Die aktuellen Maßnahmen sind für alle über einen Kamm geschert", sagt Dommer stellvertretend für seinen Berufsstand. Der Dialog mit der Regierung soll auch Planungssicherheit schaffen. Denn wann die Veranstaltungsbranche der Bevölkerung wieder Konzerte, Theatervorstellungen, Messen und Kongresse schenken darf, ist ungewiss – und damit auch die Zukunft vieler Unternehmen und deren Mitarbeiter.

Auch nach 31. August auf wackeligen Beinen

Die Veranstaltungswirtschaft gehört zu den sechs größten Sektoren der deutschen Wirtschaft und zählt rund eine Million direkte Beschäftigte verschiedener Berufe. Laut einer Studie im Auftrag der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft erwirtschaftet die Branche einen jährlichen Umsatz von rund 130 Milliarden Euro. Rechnet man die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren veranstaltungsbezogenen Teil- und Zuliefermärkten hinzu, so beschäftigen mehr als dreihunderttausend Unternehmen in über 150 Disziplinen mehr als drei Millionen Menschen.

Großveranstaltungen sind noch bis 31. August untersagt; die Unsicherheit in der Zeit danach stellt die Branche auf wackelige Beine, woraus eine akute Insolvenzgefahr für die gesamte Branche resultiert.

Weitere Informationen unter www.night-of-light.de