Psychologisches Gutachten bescheinigt paranoide Persönlichkeit. Soziale Prognosen ungünstig.
Albstadt/Hechingen - Zu sechs beziehungsweise einem dreidreiviertel Jahren Haft hat das Landgericht Hechingen zwei in Albstadt wohnhafte Männer verurteilt, denen zwei brutale Raubüberfälle auf eine Spielhalle und eine Tankstelle in Tailfingen zur Last gelegt werden. Allerdings erhalten beide Angeklagten die Chance, sich in einer "Erziehungsanstalt" – genauer: einer psychiatrischen Klinik – von den Suchterkrankungen zu kurieren, die bei ihren Taten eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatten. Die Therapie soll zwei Jahre dauern. Sollte sie abgebrochen werden und erfolglos bleiben, dann wären die verhängten Haftstrafen zu verbüßen.
Zum Tathergang waren Angeklagte und Zeugen bereits am ersten Verhandlungstag vernommen worden; am zweiten ging es um die strafrechtliche Bewertung – ein psychologisches Gutachten sollte Aufschluss darüber geben, welchen Einfluss Drogen und Medikamente zur Tatzeit auf die Angeklagten gehabt hatten und ob sie überhaupt schuldfähig waren. Darüber hinaus waren Haarproben des Hauptangeklagten analysiert worden, und diese Untersuchungen belegten den Konsum verschiedenster Drogen, darunter Kokain, Opiate, Methadon, Amphetamine und Cannabis – für die Amphetamine legten sie regelmäßigen Konsum nahe.
Das psychologische Gutachten attestierte dem Mann, der keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt und permanent in finanziellen Schwierigkeiten war, paranoide Persönlichkeitsmerkmale, Spielsucht sowie Abhängigkeit von Drogen und Alkohol – Geisteskrankheiten oder klinischen Intelligenzverlust verneinte es jedoch und die verminderte Schuldfähigkeit ebenfalls.
Schwieriger fand der Gutachter die Beurteilung des zweiten Angeklagten, der bereits zwei Jahre in Vollzugsanstalten verbracht hat. Das Gutachten berichtet von sozialen, familiären und schulischen Problemen; es attestiert leichte Beeinflussbarkeit, die Abhängigkeit von Amphetamin und die starke Neigung zum Glücksspiel – das Motiv für die Teilnahme an der Tat sei in dieser Suchtproblematik zu suchen, die mit Beschaffungskriminalität einhergehe.
Soziale Prognosen des Psychologen sind ungünstig
Auch in diesem Fall verneinte der Psychologe eine verminderte Schuldfähigkeit. Seine sozialen Prognosen sind in beiden Fällen ungünstig, er empfahl angesichts der "transkulturellen" Probleme und des einzelgängerischen Verhaltens des Hauptangeklagten sowie der Sucht in beiden Fällen die zweijährige Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt.
Mit dem Urteil blieb das Gericht unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft und über denen der Verteidigung: Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten eine Gesamtstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, für den Mitangeklagten sechs Jahre und acht Monate gefordert; die Verteidiger wollten es bei vier Jahren und acht Monaten beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten bewenden lassen.
Die Richter konzedierten den Angeklagten strafmindernde Umstände und bewerteten die Beteiligung des zweiten Angeklagten an den Überfallen als minderschweren Fall – die Staatsanwaltschaft sah es anders und mochte den Verzicht auf Rechtsmittel nicht im Gerichtssaal erklären.
So oder so – für die Angeklagten wird vor allem von bedeutung sein, wie sie mit der Chance umgehen, sich in der Psychiatrie mit ihren Süchten und sonstigen seelischen Problemen auseinanderzusetzen. Über ihnen hängt ein Damoklesschwert: Die Haftbefehle bleiben in Kraft; beim Abbruch der Therapie erwartet sie die Vollzugsanstalt.