Tag der Deutschen Einheit: Edzard Reuter blickt nach vorne
Demokratie, Rechtsstaat und eine freiheitliche Grund- und Werteordnung sind nicht – für manche aber offenbar zu – selbstverständlich. Die Redner beim CDU-Empfang mahnten am Tag der Deutschen Einheit daher zur Wachsamkeit.
Albstadt-Margrethausen. "Europa" rahmte im Wortsinn den Empfang zum Tag der Deutschen Einheit ein, zu dem die CDU Albstadt, Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär Thomas Bareiß und die CDU Zollernalb ins Kloster Margrethausen eingeladen hatten: Mit dem gleichnamigen Stück von Carlos Santana begann Gitarrist Gerhard "Beefy" Wurst sein stilvolles Musikprogramm, und Hauptredner Edzard Reuter schloss mit dem Appell an alle, dass Deutschland nur in einem geeinten Europa erfolgreich bestehen könne.
"Am 3. Oktober 1990 wurde mir mein Vaterland wiedergegeben", betonte der 91-jährige Sohn des berühmten Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem türkischen Exil zurückgekommen war und die "Völker der Welt" gemahnt hatte: "Schaut auf diese Stadt". Sein Sohn – als Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG von 1987 bis 1995 maßgeblicher Wegbereiter der technischen Modernisierung des Konzerns und Mitgestalter der wirtschaftlichen Einheit, mahnte vor übervollem Raum – der Ortsvorsteher musste wie viele tatsächlich stehen – andere Dinge an: Gedenktage wie diese erinnerten daran, wie gefährlich eine Gesellschaft werde, wenn sie sich aufwiegeln lasse, sagte Reuter mit Blick zur extremen Rechten. Die "ganz und gar unvermeidlichen Fehler" des Einheitsprozesses bauschten diese zu Katastrophen auf, schürten Zukunftsängste und Hass und versuchten den Menschen einzutrichtern, "dass sie ihren gewählten Repräsentanten nicht mehr trauen könnten" – dass Reuter, Mitglied der SPD, damit die Volksvertreter in allen demokratischen Parteien meinte, wurde klar.
Applaus erntete er für seine Ansage, dass all das "den Populisten nicht gelingen wird, wenn wir ihnen eine Hürde in den Weg stellen": Jeder Demokrat sei aufgerufen, "diese billigen Parolen klug und fest als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich gewissenlose Volksverdummung". Dazu reichten freilich weder die Twitter-Sprüche des US-Präsidenten noch die Ankündigung mancher Unternehmer, in spätestens 20 Jahren die Menschheit von allen Übeln befreit zu haben, so Reuter. Mehr als der medienwirksamen Demonstrationen junger Klimaaktivisten bedürfe es freilich auch: "Verantwortung für das Gemeinwohl sieht noch etwas anders aus."
Die Revolution alles Gewohnten
Angesichts der "Revolution alles Gewohnten" durch die Digitalisierung dürfe es zwar nicht verwundern, dass hie und da Unsicherheit um sich greife. "Aber es gibt keinen Grund, uns einreden zu lassen, dass unsere demokratische Staatsordnung gefährdet sei", betonte der Redner. Diese Republik werde von einer Mehrheit engagierter Bürger getragen, die es verdient hätten, mündig behandelt zu werden.
Ihre historische Leistung berechtige die Deutschen freilich nicht zur Überheblichkeit – und sie verpflichte sie zur Bereitschaft, zu teilen. "Es ist allerhöchste Zeit, uns neu zu besinnen", betonte Reuter mit Blick auf die Europäische Union. Schlagworte wie "Transferunion" seien dumm, "und wir sollten uns hüten, sie leichtfertig nachzubeten".
Das Glück der Einheit sei nur beständig, "wenn es mit der Verpflichtung zur Verantwortung verknüpft ist", betonte Reuter. "Es gibt keinen wie auch immer gearteten Grund, vor der Zukunft zu verzagen", und der Tag der Deutschen Einheit stehe für das glückliche Geschick, "dass wir in einem unantastbaren Rechtsstaat in Freiheit leben können" – alle Menschen in Deutschland, "welcher so genannte Hintergrund auch ihr Schicksal bestimmt haben mag".
Schon Roland Tralmer hatte eingangs gesagt: "Demokratien sterben nicht an ihren Feinden, sondern weil sich zu Wenige einbringen." Welch ein Hohn sei es doch in Anbetracht der unblutigen Wende in der DDR, wenn heute Feinde der Demokratie auf den Straßen brüllten: "Wir sind das Volk!"
Auch Thomas Bereiß erinnerte an jene, die "unter großer Angst für ihre Freiheit gekämpft" hatten, und fügte mit Blick auf die "tollen Perspektiven in unserem Land" hinzu: "Sorgen macht mir einzig, dass manche nur Angst verbreiten und Unfrieden stiften."