In großer Besetzung ist unter Leitung von Martin Künstner Carl Loewes Oratorium in Tailfingen aufgeführt worden. Foto: Miller Foto: Schwarzwälder-Bote

In der Tailfinger Pauluskirche erklingt das Oratorium "Johan Hus" von Carl Loewe

Von Sabine Miller

Albstadt. Erst Tailfingen – dann Prag: Das Ebinger Kammerorchester und sein Dirigent Martin Künstner haben mit dem Philharmonia Chor Reutlingen, der Betzinger Sängerschaft, Musikern der Württembergischen Philharmonie Reutlingen und fünf Gesangssolisten das Oratorium "Johan Hus" aufgeführt.

Am kommenden Montag jährt sich der Tag, als der böhmische Kirchenreformator Jan Hus in Konstanz wegen Ketzerei verbannt wurde. In Prag wird seiner an diesem Tage gedacht und im Rahmen der Gedenkfeier das Oratorium "Johann Hus" aufgeführt. Als Albstädter musste man für diesen Kunstgenuss allerdings nicht in die tschechische Hauptstadt reisen – keine Generalprobe, sondern eine Aufführung eigenen Rechts fand am Samstagabend in der Pauluskirche statt.

Carl Loewes Werk, das seiner Dramatik das Prädikat "Oper ohne Szene" verdankt, ist im Hinblick auf die Musik und die farbige Bildsprache ein Kind seiner Zeit, der frühen Romantik. Die Zigeuner und Hirten, die dem Reformator auf seiner Reise von Prag im zweiten Akt begegnen, sind einerseits Sinnbilder innerer Befindlichkeiten, andererseits hält ihr Gesang den Spannungsbogen aufrecht. Zwischen glasklaren chorischen Stimmgeweben und lieblichen Melodien hier, kontrastreicher instrumentaler Klangpracht und Solisteneinlagen dort behielt Dirigent Martin Künstner, musikalischer Leiter nicht nur der Ebinger Streicher, sondern auch der beiden Chöre, stets den Durchblick, dirigierte mit Verve und setzte die großen dramatischen Impulse.

Aufrechter Christ gehtunbeirrt seinen Weg

Auch die Warnungen von Zigeunern und Hirten können den auf Gott vertrauenden aufrechten Christen Hus nicht zur Umkehr bewegen und von seiner Absicht abbringen, seine Forderungen an die Kirchenoberen heranzutragen. Unbeirrt geht er seinen Weg. "Ich bin bewaffnet, wie Sankt Paulus will: umgürtet mit dem Panzerhemd des Rechts, den Stiefeln, frohe Botschaft zu verkünden", sang Johannes Petz, gebürtiger Lautlinger und Sänger im Stuttgarter Opernchor. Sein in allen Lagen gleichermaßen nobel ansprechender, in den Raum strahlender Tenor prädestinierte ihn geradezu für die lichte Hauptfigur in Loewes ausdrucksstarker Tondichtung; ihm zur Seite standen Sopranistin Isabelle Müller-Cant, Altistin Mirjam Künstner und die beiden Bässe Thomas Scharr und Ulrich Wand.

Sich in sein Schicksal ergebend, starb Johan Hus 1415 auf dem Scheiterhaufen – 100 Jahre vor Martin Luther hatte er der Kirche den Spiegel vorgehalten und dafür mit dem Leben bezahlt. Das Oratorium endet im "Chor der Flammengeister" mit Tönen von lodernder Intensität. Die auf Augenhöhe agierenden Interpreten um Martin Künstner haben die emotionale Intensität und Qualität von Loewes Werk erlebbar gemacht – und einen Mahner wahrer Bibelwerte ein tönendes Denkmal gesetzt. Am 6. Juli werden sie es abermals tun – in der Salvatorkirche in Prag, der Heimatstadt von Jan Hus.