Kantor Steffen Mark Schwarz probt seit Monaten mit der Kantorei der Martinskirche das "Requiem" von Mozart. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Kantor Steffen Mark Schwarz über Mozarts unerwartetes Requiem und echte Hochkaräter

Albstadt-Ebingen. Die Martinskantorei führt am Karfreitag, 19. April, ab 15 Uhr zur Sterbestunde Jesu das Requiem KV 626 von Wolfgang Amadeus Mozart zusammen mit dem Schwarzwald Kammerorchester und den Vokal-Solisten Carla Thullner, Sopran, Julia Werner, Alt, Jo Holzwarth, Tenor, und Arthur Canguçu, Bass, unter der Leitung von Kantor Steffen Mark Schwarz auf. Im Interview verrät der Dirigent, warum das Requiem von Mozart ein so besonderes Stück ist und worauf die Zuhörer sich freuen dürfen.

Herr Schwarz, zur Sterbestunde Jesu am Karfreitag führen Sie in Albstadt zum ersten Mal ein großes Werk von Mozart auf, wo Sie doch als Bach-Jünger gelten. Wie kommt’s?

Das Werk passt gut zum Karfreitag, obwohl es gemeinhin eher mit dem Ende des Kirchenjahres verbunden ist. Da es ein katholisch geprägtes Stück ist, setzen wir damit zusätzlich ein Zeichen der Ökumene. Mozart hat fantastische Musik geschrieben. Große Werke wie dieses erfordern gleichzeitig aber auch eine hochkarätige Besetzung, die wir finanziell stemmen müssen.

Mozart hat das Werk im Auftrag eines Witwers geschrieben, der um seine 21-jährige Frau trauerte – und ist selbst gestorben, ehe es fertig war. Hat er seinen Tod vorausgeahnt?

Er hat vermutlich nicht erwartet, dass dieses Requiem sein eigenes werden würde. Den Überlieferungen nach war Mozart allerdings wohl das, was wir heute einen Draufgänger nennen, und hat dabei ein ziemlich ausschweifendes Leben geführt.

Wer hat das Requiem nach seinem Tod vollendet und wieviel davon ist überhaupt von Mozart selbst?

Franz Xaver Süßmayr hat die noch fehlenden Teile kompositorisch ergänzt – dies allerdings nach der Achitektur, die ihm von Mozart, zu dem er einen engen Draht hatte, bereits bekannt war. Die formale Struktur und die musikalischen Ideen zu verschiedenen Sätzen hatte Mozart bereits angelegt. Somit ergab es sich, dass das Werk doch noch vervollständigt werden konnte, zudem in dieser fantastischen Qualität.

Im Gegensatz zu der herrlichen Komposition wirkt der lateinische Text nicht besonders poetisch, teilweise sehr aufwühlend. Ein Widerspruch?

Das Libretto für ein Requiem ist eins zu eins der liturgische Text. Beispielsweise auch Giuseppe Verdis Requiem hat diesen Text – anders als etwa das Deutsche Requiem von Johannes Brahms, der bewusst thematisch passende Texte aus der Bibel in deutscher Sprache verwendet hat.

Worin liegt die besondere Herausforderung bei dieser Aufführung?

Mozart erfordert es, dass Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker höchste Ansprüche an die musikalische Interpretation und damit an sich selbst stellen: Wenn seine Werke nicht sauber musiziert sind, wirken sie nicht. Außerdem liegt eine besondere Herausforderung darin, die aufwühlenden Teile des Requiems so zu musizieren, wie sie gemeint sind, und vor allem die sehr fragilen Teile sind nicht einfach zu musizieren.

Seit einigen Jahren arbeiten Sie in der Martinskantorei mit Carla Thullner zusammen, die beim Requiem das Sopran-Solo singt, aber auch als Stimmbildnerin im Chor tätig ist. Welche Vorteile hat das?

Vieles, was im Blick auf die Anforderung großer Werke wichtig ist für die Ausbildung der Stimme, lässt sich in der eigentlichen Chorprobe kaum unterbringen. Dank Carla Thullner ist die Kantorei der Martinskirche sowohl stimmtechnisch als auch klanglich ein immenses Stück weiter gekommen.

Im Schwarzwald Kammerorchester musizieren echte Hochkaräter, darunter Hanno Dönneweg, der als einer der gefragtesten Fagottisten der Gegenwart gilt, und der junge Cellist Sebastian Fritsch, der 2018 den Hamburger "Tonali"-Cellowettbewerb in der Elbphilharmonie gewonnen hat und 2019 bereits mit ersten Preisen im Fach Cello beim Mendelssohn-Hochschulwettbewerb und beim Deutschen Musikwettbewerb ausgezeichnet wurde. Wie gelingt es Ihnen, solche Musiker für Ihre Aufführungen zu gewinnen?

Basis dafür ist sicher eine gute Vernetzung. Aus musikalischem Flow und der gemeinsamen Freude an Musik entwickelt sich auch im besten Fall tiefes zwischenmenschliches Vertrauen und Freundschaft. Besonders die Freude am gemeinsamen Musizieren und die damit verbundene Entwicklung von Gemeinschaftsgefühl würde ich mir bei manchen im Amateurbereich noch stärker wünschen.

Leuchtet ein. Können Sie das noch konkretisieren?

Werke wie das Mozart-Requiem sind nicht nur schön anzuhören – es macht auch große Freude, sie sich als Ausführende zu erarbeiten und im Rahmen einer gelungenen Aufführung das gemeinsame musikalische Ziel zu erreichen. Gelegenheit, an solchen Aufführungen mitzuwirken, bietet sich schließlich nicht überall und alle Tage.

Was ist für Zuhörer der besondere Reiz des "Requiem" von Mozart? Worauf dürfen sie sich am 19. April ab 15 Uhr in der Martinskirche freuen?

Trotz des liturgisch ernsten Anlasses auf lauter Superlative (lacht): fantastische Musik eines genialen Komponisten, strahlenden Chorklang, großartige Vokalsolisten und das Schwarzwald Kammerorchester, das aus Musikerinnen und Musikern führende Kulturorchester Deutschlands besteht. Mir ist es eine große Ehre, einen so herausragenden Klangkörper leiten zu dürfen.