Sonderausstellung im Stauffenbergschloss zeigt das Lied auch als Gebrauchsgut

Von Sabine Miller

Albstadt-Lautlingen. "Liederbücher ab 1800" heißt die sehenswerte Sonderschau, die derzeit in der Musikhistorischen Sammlung Jehle präsentiert wird. Sie gewährt nicht nur Einblicke in die Entwicklung von Lied und Gesang, sondern rollt dabei auch die Zeitgeschichte auf.

Wann und wo erklingen Lieder? In Chören, in der Kirche, bei Festen – rasch ist die Frage heute beantwortet. Noch in der jüngeren Vergangenheit spielte das gemeinsame Singen jedoch eine wichtige Rolle, das belegt der auf acht Vitrinen verteilte bibliophile Liederschatz im zweiten Obergeschoss des Stauffenberg-Schlosses sehr eindrucksvoll in der 300 Exemplare umfassenden Sonderausstellung, die dem Gründer des Lautlinger Museums Martin Friedrich Jehle gewidmet ist.

Kaum aufzuzählen ist das weite Feld der Gelegenheiten, in denen Menschen ihre Stimmen erhoben. "Liederkränze für gesellige Zirkel gewunden", steht auf einem Band von 1832. "Balsam für Schicksalsverwundete", ist auf einem anderen zu lesen. "Der singende Quell" indes, erschienen 1927, enthält Lieder für "Fahrt und Herberge".

Zahlreich waren auch die Gruppierungen, die sich Lieder dienstbar machten: die Wandervogelbewegung, Turnvater Jahn und seine Anhänger, und der Deutsche Keglerbund, um nur einige zu nennen. Sogar für die rauchenden Kreise gab es ein Liederbuch, zu betrachten in Vitrine 6, die – am Thema "Gruppen" ausgerichtet – auch mit Druckwerken aus den Jahren des Nationalsozialismus bestückt ist. "Lieder für die Grundschule" beispielsweise, dokumentiert die Entnazifizierungsversuche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Flinke Hände haben im Inhaltsverzeichnis dieser Publikation mehrere Titel einfach durchgestrichen und die entsprechenden Buchseiten entfernt.

Das befugte ganz offensichtlich zum weiteren Gebrauch der Herausgabe des Dichters und Komponisten Hans Gansser, einem Parteimitglied und Schöpfer einer Menge berüchtigter NS-Lieder. Weiter zurück, in die Anfangszeit des vergangenen Jahrhunderts, datieren die drei Prachtbände "Wiener Lieder und Tänze" mit farbigem Coverkonterfei nach Originalen vom österreichischen Maler und Zeichner Carl Fischer-Köystrand.

Überhaupt ist schon die visuelle Ausstattung der gezeigten Bücher einen Besuch der Sonderschau wert. Alte Schriften, feine Zeichnungen und Holzschnitte, liebevolle Widmungen, mit Tinte sauber niedergeschrieben, und Jugendstilornamente in grazilen Linien zieren Buchdeckel und -blätter. Zwei der ausgestellten Volksliederbücher hat Ludwig Richter, ein bedeutender Vertreter der deutschen Romantik, bebildert, und Arbeiten des Kirchenmalers Rudolf Schäfer finden sich in einer Liedersammlung mit dem poetischen Titel "Rosen und Rosmarin".

In Vitrine zwei fällt der Blick unwillkürlich auf einen mit burgunderrotem Samt eingebundenen, handgemachten Band. Kalligraphisch ist darin der Text der Moritat "Es freit ein wilder Wassermann" aufgezeichnet, zauberhafte Scherenschnitte stellen Szenen daraus nach. Hildegard Jehle, die Patentante von Kurator Volker Jehle, hat das Kunstwerk aus Papier geschaffen – es war wohl ein Geschenk an ihre Eltern.

Den Biografien der Jehles begegnet der Besucher an jeder Ecke der Schau, damit einher geht viel Wissenswertes aus der Stadtgeschichte. Kuratorin Ursula Eppler weiß diesen Stoff bei ihrer Führungen unterhaltsam zu schildern, nachzulesen ist er neben anderen Informationen aber auch im ausliegenden, detaillierten Exponate-Verzeichnis von Volker Jehle.

Die Sonderschau "Liederbücher ab 1800" dauert bis 27. April 2014 und ist zu den üblichen Öffnungszeiten der Musikhistorischen Sammlung Jehle zu sehen. Gruppen können bei Ursula Eppler Führungen anmelden unter Telefon 07431/60 41.