Endlich im "Capitol 1": Matthias Wissmann und Kevin Hartfiel (Zweiter von Vierter von links) zeigen "Aquariummann" mit Adrian Dittus (großes Foto) im Capitol Filmpalast bei Kino-Chef Ralf Merkel (links) und dem Albstädter Theater-Leiter Dominique Muller (Zweiter von rechts). Foto: Hartfiel

Matthias Wissmann zeigt Abschlussfilm. Frenetischer Beifall vom Publikum. "Um Welten besser als jeder Hollywoodstreifen."

Albstadt-Ebingen - Der Beginn einer wunderbaren Karriere: Matthias Wissmann aus Albstadt hat vor ausverkauftem "Capitol 1" seinen Abschlussfilm – und mit seinem Freund und Kameramann Kevin Hartfiel das Potenzial des Gespanns – gezeigt.

"Als Fünfjähriger habe ich hier im Capitol 1 meinen ersten Film gesehen: ›Bambi‹", sagt Matthias Wissmann. Heute steht er mit Kevin Hartfiel, seinem Partner bei "Ofura Konzept Film", auf der großen Bühne des größten Albstädter Kinosaals, blickt auf voll besetzte Ränge und strahlt wie ein frisch polierter Glückspfennig: "Aquariummann", sein Abschlussfilm an der Hochschule Offenburg, feiert in der Stadt Premiere, wo er gedreht wurde, flankiert von weiteren Kurzfilmen: "Rattenkönig", sein Bachelor-Film, sei "seicht und nett, gut für den Anfang", sagt Wissmann, zu bescheiden angesichts des originellen Plots, der frechen Effekte und des gelungenen Spiels mit Klischees in der Gaunerkomödie. Der Horror-Thriller "The Seam" sei "etwas schmutziger", kommentiert Wissmann verschmitzt: "Ihr wisst nicht, worauf Ihr Euch eingelassen habt, Oma und Oma!"

Zum Kreischen komisch und dabei so blutrünstig, dass Quentin Tarantino vor Neid erblassen würde, ist "Ein Experimentalfilm", der daherkommt, wie ein Trailer: "Abstoßende Perversion", "neuestes Tricks der Filmtechnik", "knisternde Erotik in Farbe" und "für viele Millionen tschechische Kronen speziell an Bord geholt: Der Todespanther von Brooklyn" verspricht der "Film wie ein Paukenschlag mit der flachen Hand auf den dicken Bauch eines dicken Mannes". Das gut sechsminütige Werk ist gleichsam eine Parade des Freundeskreises der Macher – und viele von ihnen sind heute gekommen, um Wissmanns "bisher besten Film", wie er selbst meint, zu sehen.

"Wie man Filme macht, ohne zu wissen, wie es geht"

Zuvor aber wartet eine Überraschung: Mit den "Trash Cronicles" – in Kurzversion – setzen sich die zwei Ofura-Partner Wissmann und Hartfiel mit der Frage auseinander, "wie man Filme macht, ohne zu wissen, wie es geht", denn so haben sie 2003 angefangen: "Komm, wir drehen einen Zombiefilm! Komm, wir drehen einen Gangsterfilm! Komm, wir drehen einen Zombiefilm, in dem Gangster vorkommen", erinnert sich Hartfiel darin. Ganze Reihen wurden daraus: Zuerst die "Deadly Date"-Filme, für die sie sich "nach der Schule getroffen und gegenseitig umgebracht" haben, "Zombie Virus", ihr "erster richtiger Film" mit "unbeschwerter geiler Herangehensweise". Viel Zeit haben sie damals darauf verwendet, aus Schwarzwälder Schinken, Toastbrot, roten Servietten, Ramazzotti und Ketchup Blut und Därme herzustellen: "Wir haben uns bei den Filmen mit Nichts wirklich Mühe gegeben, außer mit den Effekten", erinnert sich Wissmann. Auch beim "ultimativen Albstädter Gangsterfilm ›Bad Business‹", was laut Helge Beck "filmhistorisch belegt" ist.

Weil sie keine Plastikmesser hatten, "haben wir mit echten Küchenmessern gekämpft", und manchmal ist auch "richtiger Bullshit" rausgekommen. Das war vor allem vor "Forced Combat" und "Commando Dangerzone Blast". "An der Mukke unserer ersten Filme" besaßen sie "selbstverständlich keine Rechte. Die haben wir damals ganz räudig zusammengeklaut".

Mit den "Trash Cronicles", im Original 72 Minuten lang, haben Wissmann und Hartfiel Vorarbeit geleistet für jene, die dereinst über sie berichten werden, wenn sie weiterhin solche qualitativen Sprünge machen, wie ihre Filmografie sie dokumentiert. Der Aquariummann ist – dessen sind sich am Ende des Abends alle im Saal sicher – nur die vorläufige Krönung.

Ebingen im Morgengrauen – und alles ist eng

Bahnhof Ebingen, Blick über die Stadt am frühgrauen Morgen. Lustlos wischt Ingo – Hauptdarsteller wie schon im "Rattenkönig" und Co-Autor ist Adrian Dittus – die Böden im Albaquarium, das mit seiner Enge sinnbildlich für Ingos eingeschränktes Leben als Knacki auf Bewährung steht. Thomas Wißmann – Vater des Regisseurs, Produzenten und Drehbuchautoren – und seine Frau Cornelia Wißmann-Hanson gehören zum Kundenkreis von Allgeier (Klaus Stiglmeier), dem Chef. Allerdings nicht als Besucher des Albaquariums, als die auch Maili und Peter Fritz – Vorsitzender des einzigen deutschen Vereins, der eine solche Einrichtung betreibt – einen Gastauftritt haben. Nein, sie kaufen dem kriminellen Allgeier eine seiner seltenen Reptilien ab.

Sauer auf seinen Chef, der ihn im Büro – es steht im alten Produktionsgebäude neben der Villa Maag – ziemlich runterlaufen lässt, will der hoch verschuldete Ingo sich das zu nutze machen und plant mit seinem alten Freund Häppy (Vlad Chiriac) einen Einbruch, der allerdings fatal enden soll.

Die fantastische Bildsprache, die Kamerachef Kevin Hartfiel spricht, verdichtet und verdüstert die Geschichte dabei zusätzlich: Fängt er anfangs noch die spelunkige Atmosphäre der Kneipe – das Gasthaus "Schützen" außen und der "Kronenkeller" in Tailfingen innen mit seinem dunklen Holz sind dafür wie gemacht – ein, in der Ingo und Häppy ihr Wiedersehensbier trinken, zoomt seine Kamera immer näher heran, als das Gespräch geheimnisvoller, aus dem Reden ein Flüstern wird.

Auch das Faible der Freunde für blutrünstige Effekte macht sich bemerkbar – allerdings nicht mehr mit Hilfe von Schwarzwälder Schinken und Ketchup: Der Schlangenbiss in ein Auge – wessen, wird nicht verraten – wirkt so echt, dass manche lieber kurz Löcher in die Luft gucken; Maskenbildnerin Ruth Breuer hat, wie schon in "The Seam", großartige Arbeit geleistet.

Durchs nächtliche Ebingen folgt Hartfiels Kamera Ingo bis unter die Dusche, wo das Wasser in Großaufnahme an ihm hinab rinnt, und tags darauf an den Bahnhof.

"Allgemeine Personenkontrolle!" In der Rolle zweier Polizisten durften Stefan Diedrich und Markus Schreiber von der Polizei Albstadt sich selbst spielen, und Hartfiel fängt – von Wissmann genial geschnitten – eindrücklich ein, wie Bedrohung und Rettung sich Ingo rasant nähern: Hier die Polizei, dort der Regionalzug. Wer erreicht ihn zuerst? Schnitt! Und: Abspann.

Relativ gesehen um Welten besser als jeder Hollywoodstreifen

Wer sich den anschaut und sieht, wie klein das Team der Macher ist, müsse unweigerlich erkennen, dass – Aufwand, Budget und Ergebnis ins Verhältnis gesetzt – "Aquariummann" nicht nur um Längen, sondern um Welten besser sei als "jede Hollywoodproduktion", wie eine begeisterte Zuhörerin konstatiert. Und tosender Applaus zeigt: Das sehen alle so. Der Abend im "Capitol Filmpalast" verspricht ein erster Meilenstein wunderbarer Karrieren zu werden.

(key). "Director of Photography" wird der Chef-Kameramann in Hollywood genannt. Frei übersetzt: Bild-Regisseur. Tatsächlich ist Kevin Hartfiel mehr als der Beobachter mit der Kamera – mit seiner durchdachten Bildsprache wird er selbst zum Erzähler und kann Stars wie Jan de Bont locker das Wasser reichen. Dessen Eingangsszene von "Basic Instinct" mit Sharon Stone und Michael Douglas – eine Bettszene, buchstäblich hautnah – ist nicht annähernd so raffiniert festgehalten wie jene zu Beginn von "The Seam"; die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen. Hartfiel beherrscht meisterhaft das, was die Hauptaufgabe des "Director of Photography" ist: die Geschichte durch satte Bilder zu erzählen – so, dass sie auch ohne Ton auskäme. Er versteht genau, was sein alter Freund Matthias Wissmann als Regisseur will. Ein Traumteam, die beiden.