Literaturtage: Von den Schattenseiten der Grimmschen Welt
Albstadt-Ebingen. Schneewittchen, Rotkäppchen, Rapunzel und all die Märchen der Kindheit haben die Brüder Grimm aufgeschrieben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Doch gibt es noch so viel mehr als nur die Klassiker. Finstere und düstere Märchen, die nicht für Kinderohren geeignet sind, hat Sigrid Maute auf lebendige Weise im Rahmen der Albstädter Literaturtage übermittelt.
Märchen sind eigentlich für Erwachsene gedacht und nehmen nicht zwingend ein gutes Ende. Genau um solche Geschichten und Märchen ging es in dem Programm "Grimm – abgründig" von Sigrid Maute im Kunstmuseum Albstadt. Das Programm war extra für diesen Abend im Rahmen der Ausstellung "Die dunkle Seite des Mondes" zusammengestellt und daher mit den verschiedenen Märchen der dunklen Seite der grimmschen Märchenwelt eine Premiere für Zuhörer wie für Erzählerin. Es gebe keine Erzählgattung, in der so viel gemordet, ertränkt, erhängt oder zerstückelt werde wie in den Märchen.
Sigrid Maute kam 1969 zur Welt und war 20 Jahre lang im Produktmanagement tätig, 2006 fand sie den Weg in die Erzählkunst. Sie machte eine Ausbildung zur Märchenerzählerin im Märchenzentrum Dornrosen in Nürnberg. Zwei Jahre lang arbeitete sie nebenberuflich als Märchenerzählerin, bis sie im Mai 2009 freiberufliche Erzählkünstlerin wurde. Sie gehört dem Verband der Erzählerinnen und Erzähler an. Maute bietet Weiterbildungen, Vorträge und Workshops an und veranstaltet märchenhafte Führungen und Wanderungen.
Worte lassen Freiheit für die eigene Fantasie
Den Abend gestaltete sie mit düsteren Märchen, bei denen man sich über das Ende nie sicher ist. Das besondere an Märchen sei, dass das Gute immer gegen das Böse kämpft, sie jedoch einem Sachbericht gleichen. Die Handlung wird ohne großes Ausschmücken berichtet und dennoch lassen die Worte genügend Freiheit für die Fantasie, sich die Welt auszumalen. "Es ist wie bei einem Malbuch. Die Linien sind vorgegeben, doch jeder darf die Farben selbst wählen", erläutert Sigrid Maute.
Der Tod als Pate, eine gruselige Nachbarin und ein Hexenmeister, der sich als Armer ausgibt, entführten die Besucher in eine andere Welt. Durch Gestik und Mimik baute Sigrid Maute die Kulisse mit ihren Worten auf. "Wenn ich es sehe, sehen es die Zuschauer auch."
Ist ein Märchen der Realität so fremd? Vor einem neuen Märchen las sie einen kurzen Ausschnitt aus dem Schwarzwälder Boten vom 12. November 2019 vor, in dem eine Frau mit einer Säge zerstückelt wurde. Auch im nächsten Märchen wurden Frauen zerstückelt.
Damit die Besucher trotzdem noch gut eingeschlafen konnten und nicht von bösen Träumen heimgesucht wurden, übermittelte Sigrid Maute zum Schluss der Märchenstunde den Zauberspruch gegen böse Träume von Michael Ende.