Kurzweilige Eröffnungsgala verführt zum Lesen und Reinschnuppern bei 23 Veranstaltungen / Manni ist wieder da
Von Karina Eyrich
Albstadt-Onstmettingen. Erfrischend viel Lokalkolorit hat die Eröffnungsgala in der Festhalle Onstmettingen in die Literaturtage 2013 gebracht. Gestern Abend sind sie unter dem Motto "Zeiten auf Seiten" eröffnet worden.
Ein Blues über den Verkehr im Talgang? Die Literaturtage 2013 beginnen mit Balsam auf die Seelen der Talgangbahn-Befürworter. Volker Lässing, Hermann Bizer und Thomas Güttinger wissen offenbar ein Lied vom Stau zu singen: "S’kommt halt kein Zug!" Dafür kommt Bernadette Schoog, das bekannteste Fernsehgesicht des Abends – und wie: "Willkommen in Albstadt-Auschtmettinge!" – das spricht sie schon mal richtig aus und erobert damit gleich die Herzen der Einheimischen in der Festhalle.
Was erhofft sich Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow von den Literaturtagen? "Abwechslung im grauen Alltag", sagt Gneveckow und vergisst nicht jene Ehrenamtlichen zu erwähnen, die 2011 mit einer "Literaturwoche" die Pause der städtischen Reihe – die "Literaturtage" fielen damals dem Sparprogramm zum Opfer – überbrückt hatten.
Dass es das städtische Team aber auch noch kann, bescheinigt ihm nicht nur der Chef, sondern das zeigt auch der Abend. Zunächst freilich dürfen die Sponsoren verraten, warum sie die zweiten Albstädter Literaturtage unterstützen. Markus Schmid will mit der Sparkasse Zollernalb der Region etwas zurück geben, Thomas Linnemann als Chef der Albstadtwerke sieht sich in der Pflicht, schlaue Köpfe und damit das Lesen zu fördern.
Für die Bedauernswerten, die des Schwäbischen nicht mächtig sind, reißen Bernhard Hurm und Uwe Zellmer – wieder ganz der Alte! – mit ihrem schwäbisch-literarischen Kabarett "die Mauern ein", frei nach dem Motto "wir sind nicht gebildet – wir sind reich", und natürlich mit Gedichten von Sebastian Blau: "Vor‘m Büacherlade" und "November", das die Hochdeutschen, so Zellmer, als Musik nehmen müssen.
Musik mit echten Noten präsentiert der "Singkreis Kasten", der vom "Onstmettinger Wind" und von freien Gedanken singt und damit das Thema Bücher indirekt bestens trifft.
Albschreiberin Birgit Ebbert stellt sich vor als eine, die "Bücher mit I(nfo)-Tüpfelchen" schreibt, auch selbst noch Kinderbücher liest und in Albstadt "mehr Alb als Stadt" entdeckt hat – davon aber schon richtig begeistert ist. Sie bringt nicht nur Manni, das Maskottchen der baden-württembergischen Kinder- und Jugendliteraturtage 2012 mit, sondern auch eigene Werke – nachdenkliche: 75 Jahre nach der Reichspogromnacht muss das auch an einem unterhaltsamen Abend möglich sein.
Zehn Tage lang wird die Westfälin nun über Albstadt und seine Menschen schreiben, und sie gibt Anweisungen, was zu tun ist, wenn sie ihre Runden dreht: "Ruhig anquatschen!"
Fast gesprengt wird die Bühne, als der Arbeitskreis sie betritt: Kulturamtsleiter Martin Roscher, Stadtbücherei-Chefin Christine Widmann-Simon, Ursula Baumgärtner, Ingeborg Lehner, Manfred Mai, Vera Matthes, Marinus Merz, Sabine Roth-Züfle, Karin Scheidig, Christian Schenk und Uta Schreyer sind nur ein Teil der vielen Helfer und verraten, auf welchen der 23 Lese-, Theater- oder Musikabende sie sich besonders freuen. Martin Walser oder Henning Scherf, Juma Kliebenstein oder Stefan Töpelmann? Für jeden ist etwas dabei.
u Spontanen Sonderapplaus erhält Bernadette Schoog, als sie dem gedruckten Buch das Wort redet: "Ich brauche das: Bilder anschauen, eine Karte reinstecken, das Buch ein bisschen abwetzen." u Wer liest was zurzeit? Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow hat "Stoner" von John Williams auf dem Nachttisch liegen, Markus Schmid lebt seit einer Woche aus Umzugskartons und kann seine Bücher gerade nicht finden. In irgend einer Schachtel steckt aber ein toller Wälzer über die Geschichte der Menschheit. Nelson Mandelas Autobiographie "Der lange Weg zur Freiheit" ist es, die Thomas Linnemann fasziniert – nicht nur, weil er zeitweise in Südafrika studiert hat. u Schwäbisch für Anfänger: Was bedeutet "g’schwind" in Württemberg? Bernhard Hurm weiß: "Die schwäbische Hausfrau sagt: ›Ich muss noch g’schwind zur Nachbarin – dreh’ alle halbe Stunde den Braten um!‹" Und wie kann man Schwäbisch so schreiben, dass man es nachher selber wieder lesen kann? Zellmer und Hurm setzten sich mit dem großen Mundartschreibproblem auseinander, einem "ganz, ganz heiklen Thema": urkomisch, wie Hurm mit den "lautmalerischen Teilen" bei Thaddäus Troll kämpft! u Brotloser Beruf? "Kannst Du nicht etwas Gescheites machen? Musst Du immer sitzen und lesen?" Das hat Albschreiberin Birgit Ebberts Vater immer zu ihr gesagt. Heute ist sie eine promovierte und gefragte Schriftstellerin.