Manfred Rose ist nicht der Einzige, dem gut gefällt, was der junge Künstler Merlin Hug mit seiner Fassade gemacht hat: Ein Nachbar hat schon vorgeschlagen, die gesamte Häuserreihe auf Langenwand bunt zu gestalten. Foto: Müller

Merlin Hug schafft die erste Graffiti-Wohnhausfassade Albstadts. Wasserwelt-Idee ist untergegangen.

Albstadt-Tailfingen - Eine mutige Entscheidung, die viel Vertrauen voraussetzt, und große künstlerische Schaffenskraft haben in Tailfingen zueinander gefunden. Das Ergebnis gibt es seit kurzem für Jedermann zu sehen.

Eine komplette Fassadenseite seines Hauses auf Langenwand hat Manfred Rose dem jungen Graffiti-Künstler Merlin Hug zur Verfügung gestellt, damit dieser sein Können beweisen konnte. Hug hat die Chance gut genutzt und frischen Wind in die Umgebung gebracht: Das kunterbunte Kunstwerk ist ein Hingucker, was vor allem bei geschlossenen Rollläden – sie sind Teil des Gesamtbildes – sichtbar wird.

Manches Detail fällt beim ersten Anblick gar nicht auf, löst aber schon beim zweiten freudige Aha-Erlebnisse aus. So ist im Dachfürst ein "Maler-Elefant" zu sehen, links davon sitzt mitten im Fürstfenster eine Eule, die symbolisch als Beschützerin des Hauses fungiert. Mitten aus dem leuchtenden Farbspektakel steigt quasi der Schriftzug "FERZ" – das Kürzel des Künstlers lautet "Mr. Ferz" – aus der Tiefe in der Mitte des Hauses empor: In Chrom-Silber gesprüht, reflektiert er bei Dunkelheit das Licht der Straßenlaterne und leuchtet schimmernd, wenn die Sonne darauf scheint. Ihm hat der Künstler buchstäblich die Krone aufgesetzt – als ein Zeichen seiner Zufriedenheit.

Das marode Unterholz war dereigentliche Auslöser

Das Ganze ins Rollen gebracht habe die Tatsache, dass das Unterholz des Dach marode gewesen sei und dringend einen Anstrich gebraucht habe, erklärt Hausbesitzer Manfred Rose. Als Mann, der für Neues offen ist und das Außergewöhnliche liebt, kam ihm die Idee Hug’s wie gerufen. Vertrauen in dessen Können brachte Rose mit und setzt sich mit dem jungen Illusions-Maler, der auch Leinwände und andere Objekte gestaltet, vor nunmehr fast zwei Jahren zusammengesetzt, um seine Wünsche und Vorstellungen zu äußern; daraus machte Hug seinen Entwurf.

Der sah ursprünglich eine Unterwasserwelt mit einem versunkenen Schiff und einer darüber liegenden Insel vor, was sich rein farbtechnisch freilich ungünstig ausgewirkt hätte, so dass er diese Idee wieder verwarf.

Anfang August wurde für den einstigen Waldorfschüler, der in der Schweiz aufgewachsen ist, der Traum dann wahr – der 23-Jährige spricht trotz der damit verbundenen großen Herausforderung von einem "Sechser im Lotto", denn erstmals hatte der Autodidakt die Chance, sein Können in abnormer Größe umzusetzen.

Als das Gerüst stand, musste die Fassade zunächst grundiert werden, wobei Hug Silikonharzfarbe und Tiefengrund verwendete. Um die Motive vorzusprühen, bedurfte es großer Vorstellungskraft und guten räumlichen Denkens, sollte die Größe der Motive doch im Verhältnis zur Fasadengröße stehen.

Gearbeitet hat Hug schließlich mit Acryllack – die Sprühköpfe bearbeitet er mit einer Gabel und individuellen Techniken – und zwar von oben nach unten, also von dunkel nach hell, immer mit der Zielsetzung: "Die Farbe soll das Grau besiegen". Mehrschichtiges Arbeiten gehörte zum Plan. "Durch intuitives Sprühen kommen teilweise tolle Zufallsobjekte zustande", sagt der Künstler und staunt selbst über manches, was nun die Fassade ziert.

Unzählige Male stieg der ehrgeizige und selbstkritische junge Mann vom Gerüst herab, um Schattierungen und Effekte seiner Sprühkunst aus einer angemessenen Perspektive begutachten zu können. So steckt eine Woche Arbeit allein in der Umsetzung und mancher Nachbar, so betont Manfred Rose, sei derart begeistert, dass schon ein Vorschlag gekommen sei, "sämtliche Häuser in dieser Reihe so zu besprühen, um dem grauen Alltag ein Schnippchen zu schlagen". Sein nächster Arbeitsauftrag wartet allerdings in Hausen im Killertal auf Merlin Hug. Auch dort soll die Welt ein bisschen bunter werden.

Die Entstehung des Kunstwerkes wurde gefilmt und ist in Kürze im Internet auf "youtube" sowie auf "facebook" zu sehen – Stichwort: ART.MH.