Im Grenzgebiet zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bewegt sich Inge Sinz auf diesem Bild. Foto: Schwarzwälder Bote

Vernissage: Inge Sinz gestattet sich in ihrer vierten häuslichen Ausstellung auch Tabubrüche

"Kunst muss nicht stören, sollte es aber", meint Inge Sinz – und widmet dieser These eine Ausstellung, zu der sie alle Interessierten am Samstag, 24. Februar, von 11 bis 17 Uhr in die Kantstraße 48 einlädt.

Albstadt-Ebingen. "Kunst stört heute kaum noch", stellt Inge Sinz kritisch fest – und zeigt auf 76 Bildern, aufgeteilt in vier Zyklen, was Kunst ihrer Meinung nach leisten sollte. Dafür zerschlägt sie das Gewohnte, bricht es auf und setzt die Fragmente zu etwas Neuem zusammen. Zerstörung und phönixgleiche Wiedergeburt gehen bei ihr Hand in Hand.

Durch die Haustür eingetreten, findet sich der Besucher im Flur wieder – und damit im ersten von vier Teilen der Ausstellung. Hier stellen insgesamt 22 Bildern die Einheit und Substanzialität der Dingen in Frage. Schlagzeilen, aus Zeitungen ausgeschnitten, fügen sich in fragmentierte Bildkompositionen ein. So zergliedert das Bild "Liberté, Égalité, Fragilité" die Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" der Französischen Revolution, fügt die Bruchteile wieder zusammen und betont gleichzeitig die Fragilität, die Zerbrechlichkeit, von Sinnkonstrukten.

Kritisieren will Inge Sinz im ersten Zyklus durchaus, aber "nicht grobschlächtig mit dem Hammer", sondern subtil soll dem Betrachter der Spiegel vorgehalten werden. Auch politische Themen wie die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg greift sie in ihren Werken auf. Für Inge Sinz gibt es in der Kunst keine Tabuthemen. Kunst soll "zerstören, aufrütteln, zerschlagen und wieder erschaffen", erklärt sie.

Der zweite Teil im Treppenhaus konterkariert diesen Anspruch nur scheinbar. Getreu der Devise "L’art pour l’art" – Kunst soll sich selbst genügen und sich keinen äußeren Ansprüchen beugen – führen 20 Bilder durch die Kunstgeschichte. Von A wie Abstrakt bis Z wie Zen-Malerei – doch wird Klassisches hier nicht einfach durchgekaut, sondern das Gewohnte wortwörtlich zerschnitten und neu interpretiert.

Seit 50 Jahren malt die gelernte Kunsterzieherin leidenschaftlich und hat in diesem Zeitraum über 2000 Werke geschaffen. Im Dubliner "Writers Museum" stellte sie 2004 erstmals ihre Bilder aus; 2005 folgten Ausstellungen in der alten Synagoge in Hechingen und in der Ebinger Martinskirche. 2014 lud die Künstlerin erstmals Besucher in ihre Haus ein.

Die Bilder des dritten Zyklus unterscheiden sich durch ihre Maltechniken. Bei den vier Gemälden der Reihe "Blaue Linien" kommt die Technik der "Écriture automatique", ursprünglich eine Methode des Schreibens, zur Anwendung: Es geht darum, Gefühle, Bilder und Ausdrücke möglichst ungefiltert aufs Blatt zu bringen. Statt Buchstaben sind es auf den Bildern von Inge Sinz verschnörkelte Linien, die sich über- und ineinander winden. Die 16 übrigen Bilder sind Collagen. Bei zwölf davon hat die Ebingerin Madonnenkalender zerschnitten und die Einzelteile neu zusammengefügt und mit selbst gefertigten Postkarten kombiniert.

Aus zwölf Bildern besteht der vierte Zyklus, den Inge Sinz selbst als "ein wenig surreal" beschreibt. Das mag an der speziellen Maltechnik liegen. Mit Crayons, französischen Wachsmalstiften, hat sie einfach drauf los gemalt. Im zweiten Schritt betrachtete sie das Gemalte, im dritten arbeitete sie Figuren und Formen heraus, die sie in den Bildern zu erkennen vermeinte. Eine weitere Besonderheit dieser Werke liegt darin, dass Inge Sinz sie mit Bildern von Kinder aus SOS-Kinderdörfern kombinierte. Der Farbton entschied darüber, wie die einzelnen Teile verbunden wurden.

Das Herzstück der Ausstellung sind zwei Bilder, die für sich alleine stehen, also kein Teil eines Zyklus sind. Großformatig sind sie, messen 100 mal 100 Zentimeter, im Gegensatz zu den restlichen 74 Bildern, die kleinformatig gehalten sind. Eine Entscheidung die Inge Sinz bewusst getroffen hat: "Ein kleines Bild kann genau so viel aussagen wie ein großes Bild."

Zwar kritisiert sie die zeitgenössische Kunst als Hervorbringung der Finanzindustrie, aber das heißt nicht, dass sie sich nicht gerne von anderen Künstlern inspirieren ließe. Einflüsse von Neo Rauch, dem namhaftesten Vertreter der Leipziger Schule, und Gerhard Richter fließen in ihre Arbeit ein. Das erste alleinstehend Bild, Acryl auf Leinwand, behandelt die Zerstörung der antiken Oasenstadt Palmyra in Syrien durch den IS. Dem Thema der falschen Nachrichten widmet Inge Sinz ihr zweites Bild. Kaum erkennbar, aber riesengroß ist der Schriftzug "Fake-News" – er symbolisiert zugleich die Undurchsichtigkeit der medialen Lügen und die Gefahr, die von ihnen ausgeht.