Grundschullehrer sollen gleich behandelt werden wie ihre Kollegen an weiterführenden Schulen – das fordern (von rechts) Christoph Straub vom Albstädter Schulseminar und Sandra Blank, Martina Jenter-Zimmermann und Bernd Romer von der GEW. Foto: Schwarzwälder Bote

GEW: Grundschullehrer sollen genauso hoch entlohnt werden wie ihre Kollegen an weiterführenden Schulen

Die Kurzformel lautet "JA 13" – die Gewerkschaft Erziehung- und Wissenschaft (GEW) fordert eine Angleichung der Bezahlung von Grundschullehrern an die ihrer besser bezahlten Kollegen an den weiterführenden Schulen. Gestern auch in Margrethausen.

Albstadt-Margrethausen. Christoph Straub, der Leiter von Albstadts Staatlichem Schulseminar, ist kein Gewerkschaftler, aber in der Frage, wie die jungen Leute, die in seinem Haus den letzten Schliff für den Grundschuldienst erhalten, künftig entlohnt werden sollten, geht er ganz und gar konform mit den Gästen, die er am Mittwoch in der Seminar-Dependance in Margrethausens einstiger Schule willkommen hieß: Grundschullehrer – de facto sind sie zum allergrößten Teil Lehrerinnen! – leisten eine Arbeit, die mindestens so anspruchsvoll und aufreibend ist wie die der Real-, Werkreal-und Gymnasiallehrer. Sie sollten daher auch genauso gut bezahlt werden, nämlich nach A13 und nicht nach A12, wie es derzeit der Fall ist.

Warum verdienen Grundschullehrer weniger als ihre Kollegen auf den Sekundarstufen? Die offizielle Antwort der Bildungspolitik entspricht einem eisernen Grundsatz des deutschen Schulwesens, der schon zu Kaisers Zeiten galt: je länger die Ausbildungsdauer, desto höher die Besoldungsklasse. Seit 2016 absolvieren alle angehenden Lehrer zuerst ein sechssemestriges Bachelorstudium und danach noch ein Magisterstudium. Das dauert bei den Grundschullehrern allerdings nur zwei Semester, bei den Aspiranten fürs Lehramt an weiterführenden Schulen dagegen vier.

Auch das Lernen selbst will erst mal gelernt sein

Die Gründe dafür sind nach Auffassung von Martina Jenter-Zimmermann, der Vorsitzenden des GEW-Bezirks Südwürttemberg, allerdings keine pädagogischen – etwa dass Grundschullehrer weniger wissen und können müssten als andere Pädagogen – , sondern finanzpolitische: Der Staat spart, wo er kann. Oder richtiger: wo er glaubt, es zu können.

Eigentlich, finden Straub und Jenter-Zimmermann, kann er es nicht. Zum einen, weil seine Argumentation nicht Stand hält: Gewiss Lehrer an weiterführenden Schulen müssten sich mit lateinischen Konjugationen, euklidischer Geometrie und der Photosynthese auskennen und nicht nur mit Rechtschreibung und den vier Grundrechenarten. Aber dafür, halten die beiden etwa dem Philologenverband entgegen, müssten Grundschullehrer andere Dinge beherrschen, die auch gelernt sein wollten: Sie müssten Sechsjährigen erst einmal begreiflich machen, was eine Zahl sei, sie müssten in den Köpfen der Schüler die Verbindung zwischen gesprochenem Laut und geschriebenem Buchstaben erst herstellen, welche die Kollegen in Klasse fünf voraussetzen dürften, sie müssten, kurz, erst einmal Kinder das Lernen lehren und legten damit die Fundamente für alles, was danach komme

Damit nicht genug: Grundschullehrern, so Straub, werde ein überdurchschnittliches Maß an Flexibilität, Stehvermögen, kommunikativer Intelligenz und Nervenstärke abverlangt. Keine Klientel sei so heterogen wie die ihre: Sie müssten dem Flüchtlingskind, das kein Deutsch spreche, ebenso gerecht werden wie dem einheimischen, das bereits Bücher lese; sie müssten auf gedeihliche Weise mit Eltern zusammenarbeiten, die oft hohe und manchmal auch überzogene Ansprüche stellten, sie müssten zudem permanent bereit sein, in die Bresche zu springen und gegebenenfalls fachfremd zu unterrichten – einem Zwölfjährigen könne man eine krankheitsbedingte Hohlstunde zumuten, einem Erstklässler nicht. Gewiss, all diese Probleme hätten andere Lehrer auch, aber nicht in diesem Maß.

Und weil das so ist, warnen Straub und Jenter-Zimmermann, falle es auch immer schwerer, junge Leute für den Beruf des Grundschullehrers zu begeistern – zumal die jungen Männer, die man unter 90 Prozent Seminaristinnen mittlerweile mit der Lupe suchen könne, lehnten es ab, für weniger Geld als die Kollegen in den höheren Klassen mehr Stress und Verantwortung zu akzeptieren. Die Lücke zwischen Bedarf und Angebot werden in den kommenden Jahren weiter wachsen, warnt Christoph Straub, und die Kultuspolitiker würden sich noch umschauen. Noch mal: Könne der Staat es sich leisten, Grundschullehrer schlechter zu stellen als andere? "Das kann er nicht!"