Foto: Schwarzwälder Bote

"Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren." Dieses

"Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren." Dieses schöne Zitat stammt von Harry S. Truman, also aus einer Zeit, in der US-Präsidenten noch weise Männer mit der Fähigkeit zur Selbstkritik waren. Fast noch mehr als für Köche und Politiker gilt dieser Satz für Journalisten. Was wir tun, ist immer öffentlich, wird tausendfach gedruckt und ist weltweit im Internet zu lesen. Dass nicht alle, die das tun, mit dem Geschriebenen einverstanden sind, liegt auf der Hand, und so hätte ich ihn sportlich genommen, den Leserbrief zu "Argumentfrei", einem Kommentar zum Bericht über die "wachen Bürger im Ländle", die mit Aufklebern gegen Impfzwang mobil machen, auf der Internetseite www.KeinePanik-Zollernalb.de allerdings auch jede Menge Einlassungen vorbringen, die Verschwörungstheoretikern in die Hände spielen und einem Rundumschlag gegen Presse und öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Politiker und Gesundheitsbehörden gleichkommen.

Weil es zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, die Herkunft von Leserbriefen zu überprüfen, und weil wir mehr als einmal Post von Hans Christian Andersen oder einem anderen Pseudonym bekommen haben, kam es also zu einem Telefonat mit der Leserbriefautorin. Einem wirklich netten Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass sie weder zu den Coronaleugnern gehört noch zu den Aluhüten, die den Untergang der Grundrechte befürchten, weil sie sich bei Demonstrationen an die allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln halten sollen. Im Gegenteil: Eine sympathische, unaufgeregte Frau sprach da, die sich gut informiert und daraufhin ihre eigene Meinung gebildet hatte, die für sich aber eine Impfung erstmal ablehnt, weil ihr die Studien- und die Zulassungsphase doch allzu schnell gehen. Es war ein langes und gutes Gespräch, das Ernst Jandl gefallen hätte. Er wird an einer Wand des früheren Bonner Bundestagsgebäudes mit dem Satz zitiert: "Demokratie – unsere Ansichten gehen als Freunde auseinander."

Gründe, warum sie ihren Leserbrief schließlich zurückzog, gab es mehrere, wie sie schließlich in einer E-Mail schrieb. Vor allem aber jenen: Sie habe "nun wirklich kein Interesse mehr, Sie persönlich anzugreifen", könne verstehen, "dass Sie sich schnellstmöglich mit einer Impfung absichern möchten", und ist zum Schluss gelangt, "dass Sie nun Menschen wie mich auch ein stückweit verstehen können, die eine solche Impfung erst einmal und wahrscheinlich auch später ablehnen. Ohne dabei egoistisch sein zu wollen."

Dass die Spaltung der Gesellschaft schlimmer sei als ein echtes Virus, dass sich langfristig Hass und Ablehnung breit machten, besorgt die Leserin, und mit einem "Gegenkommentar" zu meinem, der sie "sehr empört" habe, "würde ich das Rad nur weiterdrehen". Stattdessen wünscht sie sich, dass wir alle "gerade wegen Corona" wieder etwas mehr aufeinander zugehen, anstatt uns "gegenseitig ständig eine hemmungslose Unwissenheit und Schuld zu unterstellen".

Die kluge und besonnene Leserin jedenfalls hat einen Anfang dafür gemacht, von dem wir uns alle eine dicke Scheibe abschneiden können. So kann die Hitze in der Küche sich verziehen. Zurück bleibt angenehme Wärme. Solche LeserInnen zu haben, ist uns eine Ehre.