Heimlich soll die Angeklagte ihren Kollegen Methadon mit einer Pipette in den Kaffee geträufelt haben. Nun steht sie wegen Körperverletzung vor Gericht. (Symbolfoto) Foto: Eyrich

Apothekerin soll immer wieder heimlich Drogen in Getränke geträufelt haben. Übelkeit, Erbrechen und Juckreiz.

Albstadt/Hechingen - Immer wieder klagte das Personal einer Albstädter Apotheke über Übelkeit, Schwäche und Juckreiz. Eine Angestellte soll immer wieder unbemerkt Methadon in die Getränke ihrer Kollegen gemischt haben. Wegen Körperverletzung in 13 Fällen muss sie sich nun verantworten.

Warum eine Apothekerin über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren hinweg immer wieder die Getränke ihrer Kollegen und Vorgesetzten mit Methadon vergiftet haben soll, kann sich keiner der Zeugen so recht erklären. Die Angeklagte, eine 48 Jahre alte Frau aus dem Albstädter Umland, an sich auch nicht. Sie leide unter psychischen Störungen, vor allem an Depressionen, und versuchte ihre Symptome zunächst auf eigene Faust mit Methadon in den Griff zu bekommen, ließ sie am ersten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Hechingen durch ihren Verteidiger verlesen.

Taten unter Zwang ausgeführt

Als sie 2015 sah, dass es einer Kollegin schlecht ging, nachdem diese versehentlich aus dem herumstehenden Glas der Angeklagten getrunken hatte, habe sie ein Gefühl der Erleichterung verspürt, das sie nach eigenen Angaben in den kommenden Monaten immer wieder hervorrufen wollte, indem sie weiterhin unbemerkt einige Tropfen Methadon in die herumstehenden Getränke ihrer Kollegen träufelte. Sie habe das wie unter Zwang getan – irgendwie habe sie auch gehofft, erwischt zu werden, damit das alles ein Ende habe, so ihre Aussage.

Dass dies jedoch weit weg von harmlos ist, zeigen die Schilderungen derer, die diese Droge unwissentlich zu sich genommen haben. Methadon gilt als Substitutionsdroge, die verabreicht wird, um Patienten schrittweise von Heroinsucht zu entwöhnen. Die Inhaberin der Apotheke schildert dem Hechinger Amtsgericht, dass sie oft an so starker Übelkeit gelitten habe, dass sie sich plötzlich erbrechen musste; sie habe immer wieder starken Juckreiz am ganzen Körper verspürt, Sehprobleme gehabt und oft tagelang unter enormer Schwäche gelitten. Zunächst – ab August 2016 – seien die Symptome etwa monatlich aufgetaucht, später wöchentlich – schließlich seien sie nahezu zum Dauerzustand geworden. Vor allem immense Erschöpfung war Ende 2017 ihr ständiger Begleiter; innerhalb eines halben Jahres habe sie zwölf Kilo Körpergewicht verloren. "Das war ein ganz schlimmer Zustand, vor allem, weil man nicht wusste, was los ist", sagt die 31-jährige Geschädigte, die in dieser Zeit viele Ärzte aufsuchte, die ihr allesamt einen guten Gesundheitszustand bescheinigten und die Ursache für ihr Leiden in allen Richtungen suchten. "Man zweifelt irgendwann an sich selbst", meint die Apothekeninhaberin, die ihr Leiden oft als Überarbeitung deutete und oft – ohne es zu wissen – unter Drogeneinfluss mit dem Auto nach Hause fuhr: "Ich kam im Leben nicht auf die Idee, dass mich jemand vergiften wollte."

Sieben Menschen mit Methadon vergiftet

Eine neue Angestellte, der es gelegentlich ähnlich ging, hatte Mitte 2017 den Verdacht, dass etwas mit den persönlichen Getränken nicht stimmen konnte. Sie schmeckte manchmal aus ihren selbst mitgebrachten Getränken einen ungewöhnlich bitteren Geschmack heraus. Auch sie musste sich öfter erbrechen und litt an Übelkeit. Insgesamt sechs Apothekenmitarbeiter und der Mann der Inhaberin haben zwischen 2015 und Anfang 2018 unwissentlich Methadon zu sich genommen, das die Angeklagte ihnen untergejubelt haben soll. Obwohl diese angab, auch selbst Methadon genommen zu haben, habe keiner ihrer Kollegen bei ihr solche Nebenwirkungen bemerkt.

Erst als der Arzt der geschädigten Mitarbeiterin Methadon nachweisen konnte, dämmerte es allmählich, dass die Beschwerden der einzelnen Kollegen doch dieselbe Ursache haben könnten.

Neue Chefin bringt Licht ins Dunkel

Licht in die Sache kam schließlich im Januar 2018, kurz nachdem die Tochter des früheren Besitzers die Apothekenleitung übernommen hatte. Um ihre Arbeitsabläufe zu optimieren, habe sie sich während der Büroarbeit gefilmt, berichtet die 31-Jährige. Während sie im Verkaufsraum Kunden bediente, habe sich die Angeklagte in das Büro geschlichen, mit einer Pipette einige Tropfen Flüssigkeit in den Kaffee ihrer Chefin geträufelt, mit einem Kugelschreiber umgerührt und selbst einen Schluck davon genommen. Das im Büro zurückgelassene Smartphone filmte die Tat. Eine weitere Aufzeichnung zeigt zudem, dass die Angeklagte zwei Mal 50 Euro aus der Kasse genommen und eingesteckt habe.

Es folgte die Kündigung, die Angeklagte wurde verhaftet und begab sich zeitweise in stationäre psychische Behandlung; mittlerweile wird sie ambulant versorgt. Der Seniorchef und die Apothekeninhaberin beschreiben die Angeklagte, die 17 Jahre lang in der Apotheke gearbeitet hat als ruhig, introvertiert, aber eigentlich verlässlich und fachlich kompetent.

Woher das Methadon kam, wird nicht ersichtlich

Woher die Angeklagte, die zu Beginn der Verhandlung gesteht, die Getränke ihrer Kollegen immer wieder heimlich vergiftet zu haben, das Methadon hatte, wurde im Laufe der Verhandlung nicht ersichtlich. In der Anklageschrift, die der Staatsanwalt verliest, ist von Altbeständen aus der Apotheke die Rede.

Doch sowohl Inhaberin als auch Seniorchef erklären, dass die Apotheke keine substituierenden Drogen führe und in der Vergangenheit auch keine bestellt worden seien.

Von den Zeugenaussagen zweier weiterer Apothekenmitarbeiterinnen wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, ebenso von der Verlesung des psychologischen Gutachtens der Angeklagten. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch, 24. Juni, ab 9.15 Uhr fallen.