Zauberhaft: Kulissen, Kostüme und Tänzerinnen bei der Aufführung "WIR" der Ballettschule Armin Weiß. Foto: Katja, Elisabeth und Bozo Bartolec, Studio Lengerer

Elevinnen von Armin Weiß machen mit großer tänzerischer Ausdruckskraft den Wert des Gemeinsamen erlebbar.

Albstadt-Tailfingen - Nur alle fünf Jahre stellt die Ballettschule Armin Weiß eine große Aufführung auf die Beine, und die vierte dieser Art im Thalia zeigte, warum: Der Aufwand ist riesig – doch er hat sich wahrlich gelohnt.

Minutenlangen, donnernden Applaus, Bravo-Rufe und anerkennende Pfiffe nach gut zweieinhalb Stunden Vorstellung haben den Eleven der Ballettschule Armin Weiß gezeigt, dass ihre Botschaft vom Wert des "WIR" angekommen ist, die Thema der Aufführungen am Samstag und Sonntag war.

Die WIRs leben bei Emma (Pauline Weiß) und Ben (Vanessa Schönleber) in ihrem herzigen Häuschen – die Kulisse haben Armin Weiß, Andrea und Wolfgang Probst in einer Sternstunde geschaffen. Sie erleben mit ihnen viele Abenteuer, gehen mit ihnen auf Reisen, helfen den beiden, etwa wenn die Keksdose unerreichbar weit oben steht und die WIRs dicke Bücher und Stühle anschleppen, um das Paar hinauf zu tragen.

Doch wie kann so etwas Banales wie der Streit um Kekse zu solcher Missstimmung führen? Emma Weiß als erzählendes WIR versteht die Welt nicht mehr und muss mit ansehen, wie graue Wolken aufziehen, ein Streit ausbricht, eine Mauer zwischen Emma und Ben entsteht. Erst die zauberhaften Wichtel vermögen den Funken zu zünden, der Emma und Ben wieder zusammenbringt. Sie sind sich am Ende des Wertes der WIRs bewusst und pflegen sie mit Tee und viel Zuneigung gesund.

Wichtel verbreiten schon beim Anblick ihren Zauber

Die Meisterleistung aller Beteiligten fing schon bei den Kostümen an: Die der Kinder, die sich als Mauer immer wieder zwischen Ben und Emma stellen, waren – aus braunen Rechtecken genäht – ebenso symbolkräftig wie die herzigen Kostüme der WIRs mit Blumen auf dem Kopf, die silbern glänzenden der Regentropfen, die fröhlich über die Bühne purzeln, und die rot-orangenen Flammen-Kostüme der Feuer-Tänzer, die züngelnd drohendes Unheil verkörpern. Wie in "West Side Story" muten die coolen Klamotten der rivalisierenden Banden an, die Emma und Ben in ihrem Kampf gegeneinander mit angedeuteten Schlägereien flankieren. Und die süßen Wichtel verbreiten schon beim Anblick ihren Zauber.

Das Tüpfelchen auf dem i indes waren die Choreografie und die Ausdruckskraft der Tänzerinnen – ein einziger Junge unter ihnen –, die auch ohne Erzählteil ausgekommen wären, so gut war ihre darstellerische und pantomimische Leistung. Ganz groß neben den herausragenden, leidenschaftlichen Hauptdarstellerinnen: Emma Weiß und Anne-Sophie Vetter, die als Höhepunkt die "Seelische Verbundenheit" durch synchronen und gespiegelten Tanz stark verkörperten und zu "Somewhere" – gesungen von Bill Murray ("Und täglich grüßt das Murmeltier") – Emma und Ben wieder zusammenführen. Hohe Symbolkraft haben auch der Tanz der WIRs mit Emma und Ben in Kreisen, die wie Zahnrädchen ineinander greifen, und mit den dunklen Wolken, die versuchen, die WIRs zu umschließen, was ihnen nicht gelingt.

Sehr wohl gelungen war der erste Teil des Abends unter dem Motto "Variationen", in denen die Elevinnen die ganze Bandbreite dessen zeigten, was die Ballettschule zu bieten hatte: mit stolz lachenden, enthusiastischen Kindern beim "Klassenkonzert", anmutigen Mädchen in Tüll-Röcken, die Polka und Walzer tanzen, leichtfüßigen Tänzerinnen der "Pariser Oper" in Tutus, mitreißenden Tarantella-Tänzerinnen in bunten Röcken und ungarisch gewandeten Mädchen mit Blumengebinden im Haar beim "Charaktertanz". Leise und ausdrucksstark hingegen tanzten Mädchen in Rüschen beim "Pas de Grace", geschmeidig, wie im Wasser gleitend, zu "Aquarium" in Azurblau.

Die Lichtgestalt verdrängt den Schatten

Als Solisten im ersten Teil glänzten Emma und Pauline Weiß – bei "Live in God" als Lichtgestalt, die ihren Schatten verdrängt, und zu "Perfect" als Paar in Schwarz und Weiß – sowie Anne-Sophie Vetter, die zu Orffs Opernarie "In Trutina" glänzte.

Höhepunkt des ersten Teils – und allein Grund genug, die Aufführung zu erleben – war der Auftritt der Profi-Tänzerin Tanja Probst-Iliev, die noch heute immer mal wieder mit ihrem ersten Ballettlehrer Armin Weiß trainiert. Er hat für sie die wunderschöne Choreografie "The end is not the end, it’s the beginning" – das Ende ist nicht das Ende, sondern der Anfang – geschaffen: In einem unglaublichen Kraftakt, ausdrucksstark bis in die Fingerspitzen, ließ Probst-Iliev ihre Bewegungen katzenartig weich fließen, um sie im schnellen Mittelteil explodieren zu lassen, und hielt die Spannung über neun Minuten, in denen sie mit ihrem schönen Körper Bilder malte, die bleiben.

Der Ballettabend "WIR Variationen & WIR... ein Märchen?" wird den Zuschauern – das zeigte der tosende Applaus am Ende – noch lange in Erinnerung bleiben. Armin Weiß als künstlerischer Leiter und Choreograf hatte allen Grund, den vielen Beteiligten – vorweg seiner Frau Eva Weiß – zu danken, für eine Gemeinschaftsleistung, die Emma Weiß als erzählendes WIR auf den Punkt gebracht hatte: "Zusammen erleben – das ist ein unschätzbarer Wert!"