Literaturtage: Holger Much und Christian von Aster erschaffen düstere Wortwelten
"Schaurig schön" dachte sich wohl mancher der 70 Besucher im Kunstmuseum Albstadt bei einer Premiere: Zum ersten Mal hat ein Künstler bei den Literaturtagen live vor Publikum während der Lesung ein Werk illustriert.
Albstadt-Ebingen. Das Gesamtkonzept passte hervorragend: Im abgedunkelten Forum des Kunstmuseums Albstadt begrüßte Kai Hohenfeld, Kurator der aktuellen Sonderausstellung "Die dunkle Seite des Mondes" die Gäste zu einer Lesung mit gleichzeitiger Live-Illustration. Düster und dunkel sollte es weitergehen. Denn der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Regisseur und Sprecher Christian von Aster aus Leipzig las aus der Gruselnovelle "Die schwarze Spinne", die Jeremias Gotthelf 1842 veröffentlicht hat und die zu spätem horriblem Weltruhm gelangte. "Wir erleben zusammen ein Abenteuer", prophezeite von Aster mit seiner klangvollen Stimme in schönem klarem Hochdeutsch. Und man wusste sofort, diesem Liebhaber der deutschen Sprache zuzuhören, würde ein wahres Vergnügen werden.
Aber nicht nur das: Eine Premiere war der Abend, weil der Albstädter Künstler und Illustrator Holger Much während der Lesung – auf große Leinwand übertragen – das Gehörte zeichnete: "Die schwarze Spinne", ein spannendes Werk mit üppiger Sprache, die einen schaudern lässt. Was der "wüste schwarze Fensterpfosten" in dem sonst so schönen Bauernhaus soll? Die Zuhörer erfuhren die schreckliche Geschichte dazu.
Als die Dorfbewohner, getrieben durch den kaltherzigen Schlossherrn Hans von Stoffeln, einen Pakt mit dem Teufel eingehen – "Ich begehre nicht viel – nur ein ungetauftes Kind" – nennt "der Grüne" seinen Preis für die Hilfe beim Pflanzen der Schattenallee binnen Monatsfrist. Auf der Leinwand entstand zunächst die bergige Landschaft, dann das Bauernhaus im Tal und riesig über all dem die schwarze Spinne. Sie hat der Teufel geschickt, um Unheil über die Bauersleute zu bringen, die sich nicht an die Abmachung hielten.
Zwei Talente und ein Gesamtkunstwerk
Mit grausigem Gesicht und langen, dünnen Beinen lauerte das Insekt über dem einsamen Haus in weiter Landschaft. Die Besucher staunten, wie auf einer weißen Fläche innerhalb kürzester Zeit eine solch beeindruckende Illustration entsteht.
Es war ein Gesamtkunstwerk zweier Talente. Sie arbeiteten nicht zum ersten Mal zusammen und auch nicht erstmals im Fantasy-Bereich. Deshalb gab es als Zugabe auch noch den "Koboldfürst" aus dem "Koboltikum", einem von Holger Much wundervoll illustrierten Werk Christian von Asters, der auswendig daraus rezitierte. Nicht ein einziges Mal stockte der Autor. Und durch die Veränderung der Stimmlage, durch unterschiedlich schnell vorgetragene Passagen sowie den Einsatz von Mimik und Gestik beeindruckte er das Publikum. Und so wie Holger Much nicht einfach nur malt oder zeichnet, sondern üppige Fantasiewelten auf Papier erschafft, dass man den Blick kaum abwenden kann, so reiht Christian von Aster nicht einfach nur Worte aneinander: Es ist die hohe Kunst der Poesie mit schauerlichem Inhalt. Denn schnell wird jedem Besucher von selbst klar: Man sollte sich lieber nicht mit dem Koboldfürsten anlegen.
Von Aster hatte es bereits angedeutet: das Publikum "deprimiert in die Nacht zu entlassen". Deprimiert? Nur aufgrund der düsteren Themen. Begeistert? Auf jeden Fall.