Bildungskonferenz: Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht den Trend zur Akademisierung skeptisch

Hochrangigen Besuch hatte am Freitag die dritte Bildungskonferenz im Zollernalbkreis: Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) war ins Ebinger Bildungszentrum gekommen; das Thema lautete "Volle Hörsäle, leere Werkbänke – der Akademisierungstrend und seine Folgen".

Albstadt-Ebingen. Der Trend zu höheren Schulabschlüssen und akademischer Bildung ist seit Jahren in allen westlichen Ländern zu beobachten, und in den meisten wird er als Fortschritt angesehen. In Deutschland und ganz besonders in Baden Württemberg sind die Ansichten jedoch geteilt, denn hier droht die Akademisierung ausgerechnet jenem Modell beruflicher Bildung die Luft zu Atmen zu nehmen, das als bewährt und als Faustpfand im internationalen Wirtschaftswettbewerb gilt: dem Dualen System. Fast 80 Prozent Übergangsquote ans Gymnasium in Unistädten wie Heidelberg und Tübingen, 50 Prozent landesweit – die Ministerin nimmt solche Zahlen in Zeiten des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis.

Ist der Abiturisierungs- und Akademisierungstrend eine Fehlentwicklung? Die Meinungen in der Aula des Bildungszentrums Schule waren nicht so einhellig, wie man hätte erwarten können. Schüler, Lehrer und Leitung der Walther-Groz-Schule, hatten zu Beginn grüne und rote Stimmkarten ausgegeben; als Rektor Hans-Jörg Fink ins Auditorium hineinfragte, ob das Studium oder duale Ausbildung den Königsweg in die höheren Einkommensränge darstelle, bot sich ein recht farbenfrohes Bild. Berthold Barth, der Burladinger Spediteur, hielt die grüne Karte hoch – wer Manager werden wolle, tue sicher gut daran, zu studieren, aber die wenigsten Absolventen der Wirtschaftswissenschaften landeten am Ende ganz oben, und Sachbearbeiter verdienten nicht die Welt. Die Gegenposition vertrat ein junger Mann, der auf dem zweiten Bildungsweg unterwegs ist: Nicht jeder Lehrling bringe es zum hoch bezahlten Industriemeister; er selbst habe eine Malerlehre absolviert, und da seien die Perspektiven nicht gerade sensationell.

Anders gefragt: Gibt es zu viele Abiturienten? Wieder Farbkontrast – Hochschulrektorin Ingeborg Mühldorfer und Petra Brenner, Bereichsleiterin Ausbildung bei der IHK Reutlingen, brachen mit dem Argument "Es kann nicht zuviel Bildung geben" Lanzen fürs Abitur; prompt wehte ihnen steifer Gegenwind ins Gesicht: "Bildung ist nicht nur Abitur" erwiderte Susanne Eisenmann schroff. Ein Schüler wurde noch drastischer: Was habe die Oberstufe denn schon groß zu bieten außer Integralrechnung? "Und die braucht man doch nachher gar nicht mehr."

Die Wirtschaft nimmt den Nachwuchs freilich auch mit Integralrechnung – 30 Prozent der Abiturienten entscheiden sich erst einmal gegen das Studium und für die Berufsausbildung; die Zeiten, da Firmen dem dreimal sitzengebliebenen Abiturienten den Vorzug vor dem Bewerber mit solider Mittlerer Reife gegeben hätten, seien noch nicht so lange her, war zu hören. Aber auch hier hat es angeblich eine Trendwende gegeben; die Neigung der Eltern von Grundschülern, ihre Kinder koste es was es wolle aufs Gymnasium zu schicken, wurde von vielen in der Runde erkennbar kritisch gesehen. Ob man die verbindliche Grundschulempfehlung nicht wieder einführen könne, fragte Norbert Kantimm, Rektor des Gymnasiums Meßstetten, unter Beifall. Eisenmann zierte sich ein wenig mit der Antwort – und räumte dann ein, dass es in Stuttgart dafür derzeit keine Mehrheit gebe.

Aber wie lässt sich dann Einfluss auf Schul- und Berufswahl nehmen? Und wie lässt sich verhindern, dass Schüler, die auf der Suche nach dem für sie geeigneten Beruf den Wald vor Bäumen nicht mehr sehen, aus lauter Ratlosigkeit die Warteschleife, sprich Schule oder Uni, wählen? Berufsorientierung, lautet das Zauberwort – und "zu dürftig" die Kritik an die Adresse der Ministerin: "Eine Woche in elf Jahren – was soll das bringen?" Wenig, konzedierte Eisenmann, und versprach nachzulegen. Allerdings erwartet sie auch etwas Aktivität von den Schülern. "Das Silbertablett kann es nicht sein – wer nach einem Semester das BWL-Studium abbricht, weil überraschenderweise Mathe dazugehört, hat etwas falsch gemacht."