Mathias Rehfeldt spielt bei der Uraufführung seines Werkes selbst die Orgel und bringt elektronische Effekte mit. Foto: Effa/Kampa Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Komponist Mathias Rehfeldt über den Sonnengesang, die Wirkung von Klang und das Tor zur Seele

Albstadt-Ebingen. Für den Konzerthöhepunkt am "Tag der Stimme", 20. Juli, hat Mathias Rehfeldt ein Werk über den "Sonnengesang" von Franziskus von Assisi eigens für die Martinskantorei Ebingen komponiert und stellt es auch bei einem Workshop vor. Für die Leser des Schwarzwälder Boten plaudert der gebürtige Tübinger vorab exklusiv aus dem Komponisten-Nähkästchen.

Herr Rehfeldt, Sie haben das Werk für den Tag der Stimme komponiert. Inwiefern ist es inhaltlich und musikalisch auf dessen Ziele ausgerichtet, Menschen für das Singen zu begeistern?

Ich bin generell ein großer Fan von Musik, für die man nicht zuerst ein Buch lesen muss, um sie zu verstehen. Solche Stücke sprechen das Herz und nicht den Verstand an. Und das ist, glaube ich, auch das, was Menschen für Musik begeistert. Genau das möchte ich auch mit "Sonnengesang" erreichen.

Hatten Sie Vorgaben für die Komposition?

"Circa sieben Minuten Spielzeit" – und die ist leider nicht eingehalten. (lacht)

Warum haben Sie den Sonnengesang als Textgrundlage gewählt? Verbindet Sie etwas mit Franz von Assisi?

Franz von Assisi, der ja angeblich mit Tieren sprach, ist für mich ein Zeichen der Verständigung. Und lebte genau die Ideale, die ich in der Musik mag: Schönheit durch Einfachheit und Verständlichkeit.

Sie komponieren sonst viel für Film und Fernsehen. Wie definieren Sie Ihren persönlichen Kompositionsstil? Und: Wie passt der Sonnengesang da rein?

Das kann ich kaum sagen, ich habe mich neulich sehr gefreut, als ein Freund sagte, er erkenne meine Musik im Fernsehen immer, bevor er den Namen liest. Er hat mir leider nicht verraten woran.

Wie gehen Sie beim Komponieren vor, zumal die einzelnen Stimmen ja nicht zeitgleich den selben Text singen?

Nicht immer. Ja. Für mich steht nicht der Text, sondern der Klang im Vordergrund. Textverständlichkeit oder liturgische Verkündigung durch Text in der Musik ist in Zeiten, in denen jeder auf alles zugreifen kann, in meinen Augen unwichtig geworden. Daher setze ich das Hauptaugenmerk auf den Klang, der auch oft durch Verschachtelung der Stimmen entsteht.

Müssen Sie die einzelnen Stimmen aufnehmen und hören, um zu wissen, ob es zusammen gut klingt, oder sehen Sie das beim Blick aufs Blatt?

Ich schreibe meistens mit akustischem Feedback, am PC. Nur auf dem Blatt zu schreiben, ist mir zu theoretisch und nimmt mit etwas den Spaß am Komponieren.

Dirigent Steffen Mark Schwarz spricht bei Proben häufig davon, "auf Klick" zu dirigieren. Was meint er damit?

Da wir ja viel Elektronik dabei haben, muss das Stück auf die Sekunde genau getimed sein. Steffen wird dazu den Takt über einen Kopfhörer hören können. So bleibt alles zusammen.

Singen Sie selbst auch, oder komponieren und musizieren Sie ausschließlich? Und falls ja: Was macht das mit Ihnen?

Ich habe das letzte Mal im Kirchenmusikstudium gesungen. Meine Singstimme ist garantiert nicht meine Stärke. Also musiziere ich hauptsächlich an der Orgel. Das erlaubt mir aber auch eine direkte Verbindung mit der Musik und dem Publikum. Die schöne Gefahr: etwas live zu machen, wobei alles schief gehen könnte. Ganz anders als beim Komponieren. Es ist spannend und manchmal ist man dabei wie in Trance.

Warum sollten Menschen singen?

Gesang ist das natürlichste aller Instrumente. Wer musiziert entdeckt – hoffentlich – einen Teil seiner Seele, den er oder sie zuvor noch nicht kannte. Die Stimme ist natürlich der direkteste Zugang dazu. Auch wenn ich persönlich lieber an der Orgel sitze. Umgekehrt denke ich oft, dass Menschen etwas verpassen, wenn sie keine Musik machen. Das Gefühl ist kaum zu beschreiben schön. Ich empfehle jedem, es zu probieren.

Der "Tag der Stimme" am Samstag, 20. Juli, stellt das Thema Sprechen und Singen zur Nachwuchsförderung in den Fokus. Der 32-jährige Organist und Komponist Mathias Rehfeldt hat für diesen Anlass der Kantorei der Martinskirche ein Chorwerk gewidmet, das im Konzert ab 19 Uhr uraufgeführt wird: "Sonnengesang" nach dem Gebet von Franziskus von Assisi.

Rehfeldt lebt und arbeitet in München und Kalifornien, widmet sich der Orgel-Improvisation sowie dem Komponieren von Filmmusik und schafft es, experimentell lebendig mit unterschiedlichsten Sujets umzugehen.

Der "Aktionstag zum Thema Singen, Musizieren, Stimme, Komposition, Sprache, Gesundheit und Physiologie", zu dem die Kantorei der Martinskirche, Sopranistin Carla Thullner sowie Kantor Steffen Mark Schwarz einladen, beginnt um 9.30 Uhr mit einem Workshop "Voice is magic" – Stimme ist Magie. Eine Experimentierrunde und ein Gespräch zu Vokalmusik, Film-Musik, Sounddesign sowie Komposition mit Mathias Rehfeldt und Steffen Mark Schwarz sowie eine Stimmbildungseinheit mit Carla Thullner und eine offene Probe der Martinskantorei – an beidem dürfen alle Interessierten aktiv teilnehmen – machen den Anfang.

Um 11 Uhr beginnt die letzte Ebinger Marktmusik der Saison: Unter dem Titel "Kindern Stimme schenken" musizieren die Kinderchorgruppen Maxis (G3), Riesen (G4) der Kita-Regenbogen sowie die Kinderkantorei. Mit dabei sein werden auch Kita-Leiterin Jennifer Eggert, ihre Kolleginnen Elisabeth Lauenroth und Christa Maier-Zenne sowie Eric Faude, Percussion, unter der Gesamtleitung von Steffen Mark Schwarz.

Im Abendkonzert ab 19 Uhr musiziert die Kantorei der Martinskirche unter Leitung von Steffen Mark Schwarz zu Herzen gehende Chorliteratur aus mehreren Epochen, darunter die Uraufführung des "Sonnengesang" für Sopran, Chor, Orgel, Elektronik, Cimbel und Triangel mit Sopranistin Carla Thullner und Mathias Rehfeld an der Orgel. Außerdem singt die Schola Cantorum.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Spenden kommen der musikalischen Arbeit und der Rücklage zur Ausreinigung der Rensch-Orgel zugute.